Ihrem Otaheiti mus die Aussicht auf die fernen Schlachtfelder um uns her sich mit einem grellen Kontrast schliessen. -- Schreiben Sie mir, ob es nicht zu spät ist, aber nicht selbst zu spät. Ich wünsche Ihnen frohe Tage und die nöthigen Katarhe [?], wenn Sie gute Bücher haben. Ihre eben so warme als lichte Seele erwiedere mir gern die5 Freundschaft, die in der meinigen immer für Sie bleibt.
368. An Christian Otto.
[Hof, 3. Aug. 1796]
Ich size in einer kleinen Presse, weil die Renate und Christoph zu mir, obwohl allein, kommen, ohne daß ich ihnen etwas anders vor-10 zusezen hätte als was ich -- ihnen vorher abkaufte. Hättest du eine Bouteille Bischof übrig, an der du mir nichts schenken woltest auf dein h. Ehrenwort, als das Macherlohn, so bät' ich dich darum. --
Beiliegende Briefe sind nach der gelegten Ordnung an die Schroeder -- die Koppenfels -- Einsiedel -- Knebel; schicke mir15 diese 4 aber nach einer Stunde: es sind freilich nur bunte leichte flatternde nihilia.
N. S. Oder gieb mir wenigstens stat des andern einen recht ge- scheuten -- Rath.
369. An Charlotte von Kalb in Weimar.20
[Kopie][Hof, 3. Aug. 1796]
Die Lauwine des Kriegs, in der fortgerissene Menschen und Dörfer [227]liegen, wälzt sich näher. Möge das Schiksal sie zerschmelzen, eh' sie fortschwilt und fortrükt! Die Sonne hieng in glühenden Wolken und mein Auge in ihr und mein Herz am fremden fernen -- die Natur25 stand mit ihren Bergen aufgerichtet da -- der Wind stürmte um die Wolken und veränderte sie nicht -- ein glimmender Nebel flatterte um die ausgebrante Sonne -- ich wurde erhoben und gedrükt, ich sah zugleich das Leben verkleinert und das Ich vergrössert, die Schmerzen und die Freuden verkürzt und den Werth verewigt. So wie die Sonne,30 so ist ihr voriges Leben eingesunken; aber wie sie, brent ihr glühendes Herz fort und ich halte [es] mit seinen Flammen an meines und es kan nicht untergehen -- die Wolken des Kummers und der Hügel des Todes steigen an ihm auf und es kan nicht untergehen. -- Sie fragen, wenn Sie kommen sollen: noch vor der Minute, da Sie fragten. Geben35
Ihrem Otaheiti mus die Ausſicht auf die fernen Schlachtfelder um uns her ſich mit einem grellen Kontraſt ſchlieſſen. — Schreiben Sie mir, ob es nicht zu ſpät iſt, aber nicht ſelbſt zu ſpät. Ich wünſche Ihnen frohe Tage und die nöthigen Katarhe [?], wenn Sie gute Bücher haben. Ihre eben ſo warme als lichte Seele erwiedere mir gern die5 Freundſchaft, die in der meinigen immer für Sie bleibt.
368. An Chriſtian Otto.
[Hof, 3. Aug. 1796]
Ich ſize in einer kleinen Preſſe, weil die Renate und Chriſtoph zu mir, obwohl allein, kommen, ohne daß ich ihnen etwas anders vor-10 zuſezen hätte als was ich — ihnen vorher abkaufte. Hätteſt du eine Bouteille Biſchof übrig, an der du mir nichts ſchenken wolteſt auf dein h. Ehrenwort, als das Macherlohn, ſo bät’ ich dich darum. —
Beiliegende Briefe ſind nach der gelegten Ordnung an die Schroeder — die Koppenfels — Einsiedel — Knebel; ſchicke mir15 dieſe 4 aber nach einer Stunde: es ſind freilich nur bunte leichte flatternde nihilia.
N. S. Oder gieb mir wenigſtens ſtat des andern einen recht ge- ſcheuten — Rath.
369. An Charlotte von Kalb in Weimar.20
[Kopie][Hof, 3. Aug. 1796]
Die Lauwine des Kriegs, in der fortgeriſſene Menſchen und Dörfer [227]liegen, wälzt ſich näher. Möge das Schikſal ſie zerſchmelzen, eh’ ſie fortſchwilt und fortrükt! Die Sonne hieng in glühenden Wolken und mein Auge in ihr und mein Herz am fremden fernen — die Natur25 ſtand mit ihren Bergen aufgerichtet da — der Wind ſtürmte um die Wolken und veränderte ſie nicht — ein glimmender Nebel flatterte um die ausgebrante Sonne — ich wurde erhoben und gedrükt, ich ſah zugleich das Leben verkleinert und das Ich vergröſſert, die Schmerzen und die Freuden verkürzt und den Werth verewigt. So wie die Sonne,30 ſo iſt ihr voriges Leben eingeſunken; aber wie ſie, brent ihr glühendes Herz fort und ich halte [es] mit ſeinen Flammen an meines und es kan nicht untergehen — die Wolken des Kummers und der Hügel des Todes ſteigen an ihm auf und es kan nicht untergehen. — Sie fragen, wenn Sie kommen ſollen: noch vor der Minute, da Sie fragten. Geben35
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Ihrem Otaheiti mus die Ausſicht auf die fernen Schlachtfelder um
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mir, ob es nicht zu ſpät iſt, aber nicht ſelbſt zu ſpät. Ich wünſche Ihnen
frohe Tage und die nöthigen Katarhe [?], wenn Sie gute Bücher
haben. Ihre eben ſo warme als lichte Seele erwiedere mir gern die 5
Freundſchaft, die in der meinigen immer für Sie bleibt.
368. An Chriſtian Otto.
[Hof, 3. Aug. 1796]
Ich ſize in einer kleinen Preſſe, weil die Renate und Chriſtoph zu
mir, obwohl allein, kommen, ohne daß ich ihnen etwas anders vor- 10
zuſezen hätte als was ich — ihnen vorher abkaufte. Hätteſt du eine
Bouteille Biſchof übrig, an der du mir nichts ſchenken wolteſt auf
dein h. Ehrenwort, als das Macherlohn, ſo bät’ ich dich darum. —
Beiliegende Briefe ſind nach der gelegten Ordnung an die
Schroeder — die Koppenfels — Einsiedel — Knebel; ſchicke mir 15
dieſe 4 aber nach einer Stunde: es ſind freilich nur bunte leichte
flatternde nihilia.
N. S. Oder gieb mir wenigſtens ſtat des andern einen recht ge-
ſcheuten — Rath.
369. An Charlotte von Kalb in Weimar. 20
[Hof, 3. Aug. 1796]
Die Lauwine des Kriegs, in der fortgeriſſene Menſchen und Dörfer
liegen, wälzt ſich näher. Möge das Schikſal ſie zerſchmelzen, eh’ ſie
fortſchwilt und fortrükt! Die Sonne hieng in glühenden Wolken und
mein Auge in ihr und mein Herz am fremden fernen — die Natur 25
ſtand mit ihren Bergen aufgerichtet da — der Wind ſtürmte um die
Wolken und veränderte ſie nicht — ein glimmender Nebel flatterte
um die ausgebrante Sonne — ich wurde erhoben und gedrükt, ich ſah
zugleich das Leben verkleinert und das Ich vergröſſert, die Schmerzen
und die Freuden verkürzt und den Werth verewigt. So wie die Sonne, 30
ſo iſt ihr voriges Leben eingeſunken; aber wie ſie, brent ihr glühendes
Herz fort und ich halte [es] mit ſeinen Flammen an meines und es
kan nicht untergehen — die Wolken des Kummers und der Hügel des
Todes ſteigen an ihm auf und es kan nicht untergehen. — Sie fragen,
wenn Sie kommen ſollen: noch vor der Minute, da Sie fragten. Geben 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/242>, abgerufen am 16.02.2025.
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