einzige Stelle in meinem Buche konte bei deiner und meiner Denkungs- art dich mehr als die Stelle irgend eines fremden Buches zu jener Bemerkung veranlassen. Die Probe der Aufopferung hast du längst abgelegt und der Gegenstand davon macht keinen Unterschied als den zu deiner Ehre. Nach jenem Abende thatest du keinen Schrit, wofür5 dich nicht mein besseres Innere ehrte; und übrigens weist du ja, wie flatternd -- sobald keine Pflichten fixieren -- und froh und phantastisch dein Freund ist. Lebe recht wol, mein Lieber Guter und glaube mir, daß ich, wenn ich einmal Hof verlassen mus, krank und bleich und sterbend sein werde eh ich mich von deinem treuen Herzen gerissen.10
Richter
15. An Matzdorff in Berlin.
[Kopie][Hof, 9. Aug. 1794]
Der Himmel durchsticht seine Dämme und so siz' ich wie ein be- lagerter Holländer hier im Regenwasser und kan nicht nach Berlin. Ich15 freue mich, daß ich ein Versprechen gegeben, das ich nicht halten kan, weil es Ihnen Anlas gab, gegenwärtigen JP. [?] aus der Stechbahn in Ihr Haus zu rufen. -- Hier haben Sie dafür den ganzen Gipsabgus meines innern Menschen, woran ich bisher mit einem solchen mich aufleckenden Feuer gebildet habe, daß ich gegenwärtig etwas von der20 schönen Farbe der jezigen Strohdamenhüte -- eine Art gelber Kopf- Schneckenhäuser -- aufzuweisen vermag und in meiner Haut aussehe als hätt' ich eine skalpierte um mich geschlagen. -- Die Schalttage, die ein wenig Philosophie ausschiffen.... Wenn es nur mit dem ersten Theil auf die Welt käme, wärs eine Steisgeburt, wo der Kopf25 des Kindes erst nachkömt ... Meine Bitte wäre für einen andern[9] beschwerlich; aber soviel ich gehört -- und auch gesehen -- habe, so hat es Ihnen der Gott Pluto leicht gemacht, dem Musengott eine Gefälligkeit zu erweisen. -- Jener Man wird entweder typographische Gleichheit mit den Mumien wählen oder doch die Aehnlichkeit. -- H.30 römische kaiserliche Dukaten, die auf den Briefen das Zeichen haben, das in der Musik den erhöhten Ton bedeutet -- Wie sehr ichs brauche, würden Sie weniger errathen, wenn ich Ihnen nicht hinterbrächte, daß ich mich verliebt habe. Ein Mensch, der immer fremde Geliebte für die Presse malet, sieht sich zulezt nach einer eignen um, an der nichts ge-35 drukt ist als der -- Kattun. Ich habe mich daher schon im 2ten Heftlein
2 Jean Paul Briefe. II.
einzige Stelle in meinem Buche konte bei deiner und meiner Denkungs- art dich mehr als die Stelle irgend eines fremden Buches zu jener Bemerkung veranlaſſen. Die Probe der Aufopferung haſt du längſt abgelegt und der Gegenſtand davon macht keinen Unterſchied als den zu deiner Ehre. Nach jenem Abende thateſt du keinen Schrit, wofür5 dich nicht mein beſſeres Innere ehrte; und übrigens weiſt du ja, wie flatternd — ſobald keine Pflichten fixieren — und froh und phantaſtiſch dein Freund iſt. Lebe recht wol, mein Lieber Guter und glaube mir, daß ich, wenn ich einmal Hof verlaſſen mus, krank und bleich und ſterbend ſein werde eh ich mich von deinem treuen Herzen geriſſen.10
Richter
15. An Matzdorff in Berlin.
[Kopie][Hof, 9. Aug. 1794]
Der Himmel durchſticht ſeine Dämme und ſo ſiz’ ich wie ein be- lagerter Holländer hier im Regenwaſſer und kan nicht nach Berlin. Ich15 freue mich, daß ich ein Verſprechen gegeben, das ich nicht halten kan, weil es Ihnen Anlas gab, gegenwärtigen JP. [?] aus der Stechbahn in Ihr Haus zu rufen. — Hier haben Sie dafür den ganzen Gipsabgus meines innern Menſchen, woran ich bisher mit einem ſolchen mich aufleckenden Feuer gebildet habe, daß ich gegenwärtig etwas von der20 ſchönen Farbe der jezigen Strohdamenhüte — eine Art gelber Kopf- Schneckenhäuſer — aufzuweiſen vermag und in meiner Haut ausſehe als hätt’ ich eine ſkalpierte um mich geſchlagen. — Die Schalttage, die ein wenig Philoſophie ausſchiffen.... Wenn es nur mit dem erſten Theil auf die Welt käme, wärs eine Steisgeburt, wo der Kopf25 des Kindes erſt nachkömt ... Meine Bitte wäre für einen andern[9] beſchwerlich; aber ſoviel ich gehört — und auch geſehen — habe, ſo hat es Ihnen der Gott Pluto leicht gemacht, dem Muſengott eine Gefälligkeit zu erweiſen. — Jener Man wird entweder typographiſche Gleichheit mit den Mumien wählen oder doch die Aehnlichkeit. — H.30 römiſche kaiſerliche Dukaten, die auf den Briefen das Zeichen haben, das in der Muſik den erhöhten Ton bedeutet — Wie ſehr ichs brauche, würden Sie weniger errathen, wenn ich Ihnen nicht hinterbrächte, daß ich mich verliebt habe. Ein Menſch, der immer fremde Geliebte für die Preſſe malet, ſieht ſich zulezt nach einer eignen um, an der nichts ge-35 drukt iſt als der — Kattun. Ich habe mich daher ſchon im 2ten Heftlein
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art dich mehr als die Stelle irgend eines fremden Buches zu jener
Bemerkung veranlaſſen. Die Probe der Aufopferung haſt du längſt
abgelegt und der Gegenſtand davon macht keinen Unterſchied als den
zu deiner Ehre. Nach jenem Abende thateſt du keinen Schrit, wofür 5
dich nicht mein beſſeres Innere ehrte; und übrigens weiſt du ja, wie
flatternd — ſobald keine Pflichten fixieren — und froh und phantaſtiſch
dein Freund iſt. Lebe recht wol, mein Lieber Guter und glaube mir,
daß ich, wenn ich einmal Hof verlaſſen mus, krank und bleich und
ſterbend ſein werde eh ich mich von deinem treuen Herzen geriſſen. 10
Richter
15. An Matzdorff in Berlin.
[Hof, 9. Aug. 1794]
Der Himmel durchſticht ſeine Dämme und ſo ſiz’ ich wie ein be-
lagerter Holländer hier im Regenwaſſer und kan nicht nach Berlin. Ich 15
freue mich, daß ich ein Verſprechen gegeben, das ich nicht halten kan,
weil es Ihnen Anlas gab, gegenwärtigen JP. [?] aus der Stechbahn
in Ihr Haus zu rufen. — Hier haben Sie dafür den ganzen Gipsabgus
meines innern Menſchen, woran ich bisher mit einem ſolchen mich
aufleckenden Feuer gebildet habe, daß ich gegenwärtig etwas von der 20
ſchönen Farbe der jezigen Strohdamenhüte — eine Art gelber Kopf-
Schneckenhäuſer — aufzuweiſen vermag und in meiner Haut ausſehe
als hätt’ ich eine ſkalpierte um mich geſchlagen. — Die Schalttage,
die ein wenig Philoſophie ausſchiffen.... Wenn es nur mit dem
erſten Theil auf die Welt käme, wärs eine Steisgeburt, wo der Kopf 25
des Kindes erſt nachkömt ... Meine Bitte wäre für einen andern
beſchwerlich; aber ſoviel ich gehört — und auch geſehen — habe, ſo
hat es Ihnen der Gott Pluto leicht gemacht, dem Muſengott eine
Gefälligkeit zu erweiſen. — Jener Man wird entweder typographiſche
Gleichheit mit den Mumien wählen oder doch die Aehnlichkeit. — H. 30
römiſche kaiſerliche Dukaten, die auf den Briefen das Zeichen haben,
das in der Muſik den erhöhten Ton bedeutet — Wie ſehr ichs brauche,
würden Sie weniger errathen, wenn ich Ihnen nicht hinterbrächte, daß
ich mich verliebt habe. Ein Menſch, der immer fremde Geliebte für die
Preſſe malet, ſieht ſich zulezt nach einer eignen um, an der nichts ge- 35
drukt iſt als der — Kattun. Ich habe mich daher ſchon im 2ten Heftlein
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2 Jean Paul Briefe. II.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/26>, abgerufen am 21.11.2024.
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