Es ist der Esel in der Fabel, ders dem Windhund nachthun wil und sich auf den Achseln seines Hern freundlich mit den Vorderklauen befestigt. Abscheulicher, Primaner- und Rektor-mässiger giebts kein5 Lob und keinen Styl.
*24. An?
[Konzept?][Hof, Sept. 1794?]
[Beim Empfang zweier in Herzform gebackener Kuchen]
Ich habe das fette Brautpaar wie ein Menschenfresser mit Haut und10 Haar verschlukt, welche beide kastanienbraun waren; und so hab' ich die zwei Billets -- ich meine die geschriebenen -- verschlungen, aber in einem geistigeren Sin. Grosse Pädagogen liessen ihre Kleinen das ABC, damit sie es behielten, auf Pfefferkuchen gebacken, verzehren. Es ist mir lieb, daß Sie mich auf eine ähnliche Art durch den Genus15 waizener Herzen an viel weichere und grössere gewöhnen wollen. Mir ist so etwas beizubringen und ich würde künftig meine Braut, wenn sie treu auf dem Brautkuchen nachgebosselt wäre, vor Liebe fressen auf lezterem. Ihre zwei Billets, die so gut gemacht waren wie das was sie begleitete, hatten nämlich eine schöne Begleitung an zwei vollen20 dicken, die dem süssen Inhalt nach wahre artige billets doux waren --
25. An Amöne Herold in Hof.[15]
Hof. d. 2 Oct. 94.
Beste Freundin,
Diese Anrede kan im Grunde meine ganze Antwort sein. -- Ich wil25 aber lieber mein Vergnügen verdoppeln und Ihnen das Nämliche heute noch mündlich und schriftlich sagen.
Der gestrige Argwohn, der Sie betraf, war kaum halblebendig bis Sie ihm durch die blosse Voraussezung desselben erst das Leben gaben, das ihm heute Ihr guter Brief wieder nahm. Ich habe mirs schon30 seit einigen Monaten angewöhnt, kleine Launen, die ich morgen vergesse, heute zu ertragen. Der arme Jean Paul hat überhaupt bisher sein Herz zu sehr verschwendet und zu sehr Hof für die ganze Welt gehalten: die Kälte, die er seit 3 Monaten gegen seine alten
23. An Chriſtian Otto.
[Hof, Ende Sept. 1794]
Es iſt der Eſel in der Fabel, ders dem Windhund nachthun wil und ſich auf den Achſeln ſeines Hern freundlich mit den Vorderklauen befeſtigt. Abſcheulicher, Primaner- und Rektor-mäſſiger giebts kein5 Lob und keinen Styl.
*24. An?
[Konzept?][Hof, Sept. 1794?]
[Beim Empfang zweier in Herzform gebackener Kuchen]
Ich habe das fette Brautpaar wie ein Menſchenfreſſer mit Haut und10 Haar verſchlukt, welche beide kaſtanienbraun waren; und ſo hab’ ich die zwei Billets — ich meine die geſchriebenen — verſchlungen, aber in einem geiſtigeren Sin. Groſſe Pädagogen lieſſen ihre Kleinen das ABC, damit ſie es behielten, auf Pfefferkuchen gebacken, verzehren. Es iſt mir lieb, daß Sie mich auf eine ähnliche Art durch den Genus15 waizener Herzen an viel weichere und gröſſere gewöhnen wollen. Mir iſt ſo etwas beizubringen und ich würde künftig meine Braut, wenn ſie treu auf dem Brautkuchen nachgeboſſelt wäre, vor Liebe freſſen auf lezterem. Ihre zwei Billets, die ſo gut gemacht waren wie das was ſie begleitete, hatten nämlich eine ſchöne Begleitung an zwei vollen20 dicken, die dem ſüſſen Inhalt nach wahre artige billets doux waren —
25. An Amöne Herold in Hof.[15]
Hof. d. 2 Oct. 94.
Beſte Freundin,
Dieſe Anrede kan im Grunde meine ganze Antwort ſein. — Ich wil25 aber lieber mein Vergnügen verdoppeln und Ihnen das Nämliche heute noch mündlich und ſchriftlich ſagen.
Der geſtrige Argwohn, der Sie betraf, war kaum halblebendig bis Sie ihm durch die bloſſe Vorausſezung deſſelben erſt das Leben gaben, das ihm heute Ihr guter Brief wieder nahm. Ich habe mirs ſchon30 ſeit einigen Monaten angewöhnt, kleine Launen, die ich morgen vergeſſe, heute zu ertragen. Der arme Jean Paul hat überhaupt bisher ſein Herz zu ſehr verſchwendet und zu ſehr Hof für die ganze Welt gehalten: die Kälte, die er ſeit 3 Monaten gegen ſeine alten
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23. An Chriſtian Otto.
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Es iſt der Eſel in der Fabel, ders dem Windhund nachthun wil und
ſich auf den Achſeln ſeines Hern freundlich mit den Vorderklauen
befeſtigt. Abſcheulicher, Primaner- und Rektor-mäſſiger giebts kein 5
Lob und keinen Styl.
*24. An?
[Hof, Sept. 1794?]
[Beim Empfang zweier in Herzform gebackener Kuchen]
Ich habe das fette Brautpaar wie ein Menſchenfreſſer mit Haut und 10
Haar verſchlukt, welche beide kaſtanienbraun waren; und ſo hab’ ich
die zwei Billets — ich meine die geſchriebenen — verſchlungen, aber
in einem geiſtigeren Sin. Groſſe Pädagogen lieſſen ihre Kleinen das
ABC, damit ſie es behielten, auf Pfefferkuchen gebacken, verzehren.
Es iſt mir lieb, daß Sie mich auf eine ähnliche Art durch den Genus 15
waizener Herzen an viel weichere und gröſſere gewöhnen wollen. Mir
iſt ſo etwas beizubringen und ich würde künftig meine Braut, wenn
ſie treu auf dem Brautkuchen nachgeboſſelt wäre, vor Liebe freſſen auf
lezterem. Ihre zwei Billets, die ſo gut gemacht waren wie das was ſie
begleitete, hatten nämlich eine ſchöne Begleitung an zwei vollen 20
dicken, die dem ſüſſen Inhalt nach wahre artige billets doux waren —
25. An Amöne Herold in Hof.
Hof. d. 2 Oct. 94.
Beſte Freundin,
Dieſe Anrede kan im Grunde meine ganze Antwort ſein. — Ich wil 25
aber lieber mein Vergnügen verdoppeln und Ihnen das Nämliche
heute noch mündlich und ſchriftlich ſagen.
Der geſtrige Argwohn, der Sie betraf, war kaum halblebendig bis
Sie ihm durch die bloſſe Vorausſezung deſſelben erſt das Leben gaben,
das ihm heute Ihr guter Brief wieder nahm. Ich habe mirs ſchon 30
ſeit einigen Monaten angewöhnt, kleine Launen, die ich morgen
vergeſſe, heute zu ertragen. Der arme Jean Paul hat überhaupt
bisher ſein Herz zu ſehr verſchwendet und zu ſehr Hof für die ganze
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/32>, abgerufen am 16.07.2024.
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