Dieses eilige Briefgen thut nur eine kleine Frage -- ausser der, ob Sie die Hundsposttage bekommen haben --; und diese ist: ob ich eine5 andere thun darf an Schäfer? --
Sie wissen, daß eine Studierstube nichts ist als ein Kaufladen vol Manuskripte und daß der Autor darin steht und mit seinen Laden- kunden, den Verlegern, handelt, zankt, schreiet und so fort -- -- Dazu taugt nun niemand weniger als ich; zumal da man bei diesem merkantili-10 schen Hochamte seine Waare (d. h. am Ende seine Person) vorrühmen mus. Daher bin ich auf der einen Seite allemal um etliche 100 fl. zu kurz gekommen; auf der andern hab' ich allemal durch Gelehrte -- z. B. bei den Mumien durch den seel. Hofrath Moriz in Berlin -- meine merkantilische Wenigkeit und Nichtsheit repräsentieren lassen. Dies-15 mal möcht ichs bei einem kleinen Werkgen nun wieder und zwar bei dem bayreuther Buchhändler. Würd' es also den H. Schäfer nicht kompro- [76]mittieren, ein solcher litterarischer Charge d'affaires zu sein; und wär' es nicht zu kühn, den jungen blühenden Sprösling unserer Freundschaft schon mit einer Last zu behängen: so würd' ich ihm die Bitte und das20 Buch schicken. Und an Sie thu' ich die, mir meine Frage bald aufzulösen. Leben Sie wol, mein Lieber, und vergeben Sie diesen in der Eile und im Arbeitshause gemachten blos merkantilischen Brief
Ihrem Freund25 Richter.
108. An Christian Otto.
Citissime
Hof. d. 8 Mai 95.
Lieber Christian,
Eben komm ich vom Spaziergang, wo mir etwas Kühnes durch den30 Kopf gefahren ist, wozu ich dein Ja bedarf, dessen Verweigerung mir der gröste Tort wäre. Es betrift den Herman. Du weist, daß sein gröster Gehalt nicht in den Paar von ihm abgesprungnen Goldglimmern seiner Schriften, sondern in der ganzen Textur und Krystallisazion seines Wesens und Karakters besteht. Um ihn also darzustellen, mus man35 weder blos jene geben noch diesen blos beschreiben. Denn kein Karak- ter kan in todten vagen Zügen sondern blos in Handlungen und Reden
107. An Emanuel.
Hof d. 7. Mai 1795.
Mein lieber Emanuel,
Dieſes eilige Briefgen thut nur eine kleine Frage — auſſer der, ob Sie die Hundsposttage bekommen haben —; und dieſe iſt: ob ich eine5 andere thun darf an Schäfer? —
Sie wiſſen, daß eine Studierſtube nichts iſt als ein Kaufladen vol Manuſkripte und daß der Autor darin ſteht und mit ſeinen Laden- kunden, den Verlegern, handelt, zankt, ſchreiet und ſo fort — — Dazu taugt nun niemand weniger als ich; zumal da man bei dieſem merkantili-10 ſchen Hochamte ſeine Waare (d. h. am Ende ſeine Perſon) vorrühmen mus. Daher bin ich auf der einen Seite allemal um etliche 100 fl. zu kurz gekommen; auf der andern hab’ ich allemal durch Gelehrte — z. B. bei den Mumien durch den ſeel. Hofrath Moriz in Berlin — meine merkantiliſche Wenigkeit und Nichtsheit repräſentieren laſſen. Dies-15 mal möcht ichs bei einem kleinen Werkgen nun wieder und zwar bei dem bayreuther Buchhändler. Würd’ es alſo den H. Schäfer nicht kompro- [76]mittieren, ein ſolcher litterariſcher Chargé d’affaires zu ſein; und wär’ es nicht zu kühn, den jungen blühenden Sprösling unſerer Freundſchaft ſchon mit einer Laſt zu behängen: ſo würd’ ich ihm die Bitte und das20 Buch ſchicken. Und an Sie thu’ ich die, mir meine Frage bald aufzulöſen. Leben Sie wol, mein Lieber, und vergeben Sie dieſen in der Eile und im Arbeitshauſe gemachten blos merkantiliſchen Brief
Ihrem Freund25 Richter.
108. An Chriſtian Otto.
Citissime
Hof. d. 8 Mai 95.
Lieber Chriſtian,
Eben komm ich vom Spaziergang, wo mir etwas Kühnes durch den30 Kopf gefahren iſt, wozu ich dein Ja bedarf, deſſen Verweigerung mir der gröſte Tort wäre. Es betrift den Herman. Du weiſt, daß ſein gröſter Gehalt nicht in den Paar von ihm abgeſprungnen Goldglimmern ſeiner Schriften, ſondern in der ganzen Textur und Kryſtalliſazion ſeines Weſens und Karakters beſteht. Um ihn alſo darzuſtellen, mus man35 weder blos jene geben noch dieſen blos beſchreiben. Denn kein Karak- ter kan in todten vagen Zügen ſondern blos in Handlungen und Reden
<TEI><text><body><pbfacs="#f0092"n="82"/><divtype="letter"n="1"><head>107. An <hirendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#right"><hirendition="#aq">Hof</hi> d. 7. Mai 1795.</hi></dateline><lb/><opener><salute><hirendition="#et">Mein lieber Emanuel,</hi></salute></opener><lb/><p>Dieſes eilige Briefgen thut nur eine kleine Frage — auſſer der, ob<lb/>
Sie die <hirendition="#aq">Hundsposttage</hi> bekommen haben —; und dieſe iſt: ob ich eine<lbn="5"/>
andere thun darf an Schäfer? —</p><lb/><p>Sie wiſſen, daß eine Studierſtube nichts iſt als ein Kaufladen vol<lb/>
Manuſkripte und daß der Autor darin ſteht und mit ſeinen Laden-<lb/>
kunden, den Verlegern, handelt, zankt, ſchreiet und ſo fort —— Dazu<lb/>
taugt nun niemand weniger als ich; zumal da man bei dieſem merkantili-<lbn="10"/>ſchen Hochamte ſeine Waare (d. h. am Ende ſeine Perſon) vorrühmen<lb/>
mus. Daher bin ich auf der einen Seite allemal um etliche 100 fl. zu<lb/>
kurz gekommen; auf der andern hab’ ich allemal durch Gelehrte — z. B.<lb/>
bei den <hirendition="#aq">Mumien</hi> durch den ſeel. Hofrath Moriz in Berlin — meine<lb/>
merkantiliſche Wenigkeit und Nichtsheit repräſentieren laſſen. Dies-<lbn="15"/>
mal möcht ichs bei einem kleinen Werkgen nun wieder und zwar bei dem<lb/>
bayreuther Buchhändler. Würd’ es alſo den H. Schäfer nicht kompro-<lb/><noteplace="left"><reftarget="1922_Bd2_76">[76]</ref></note>mittieren, ein ſolcher litterariſcher <hirendition="#aq">Chargé d’affaires</hi> zu ſein; und wär’<lb/>
es nicht zu kühn, den jungen blühenden Sprösling unſerer Freundſchaft<lb/>ſchon mit einer Laſt zu behängen: ſo würd’ ich ihm die Bitte und das<lbn="20"/>
Buch ſchicken. Und an Sie thu’ ich die, mir meine Frage bald aufzulöſen.<lb/>
Leben Sie wol, mein Lieber, und vergeben Sie dieſen in der Eile und im<lb/>
Arbeitshauſe gemachten blos merkantiliſchen Brief</p><lb/><closer><salute><hirendition="#right">Ihrem<lb/>
Freund<lbn="25"/>
Richter.</hi></salute></closer></div><lb/><divtype="letter"n="1"><head>108. An <hirendition="#g">Chriſtian Otto.</hi></head><lb/><byline><hirendition="#aq">Citissime</hi></byline><dateline><hirendition="#right"><hirendition="#aq">Hof.</hi> d. 8 Mai 95.</hi></dateline><lb/><opener><salute><hirendition="#et">Lieber Chriſtian,</hi></salute></opener><lb/><p>Eben komm ich vom Spaziergang, wo mir etwas Kühnes durch den<lbn="30"/>
Kopf gefahren iſt, wozu ich dein Ja bedarf, deſſen Verweigerung mir der<lb/>
gröſte Tort wäre. Es betrift den Herman. Du weiſt, daß ſein gröſter<lb/>
Gehalt nicht in den Paar von ihm abgeſprungnen Goldglimmern ſeiner<lb/><hirendition="#g">Schriften,</hi>ſondern in der ganzen Textur und Kryſtalliſazion ſeines<lb/>
Weſens und <hirendition="#g">Karakters</hi> beſteht. Um ihn alſo darzuſtellen, mus man<lbn="35"/>
weder blos <hirendition="#g">jene</hi> geben noch <hirendition="#g">dieſen</hi> blos beſchreiben. Denn kein Karak-<lb/>
ter kan in todten vagen Zügen ſondern blos in Handlungen und Reden<lb/></p></div></body></text></TEI>
[82/0092]
107. An Emanuel.
Hof d. 7. Mai 1795.
Mein lieber Emanuel,
Dieſes eilige Briefgen thut nur eine kleine Frage — auſſer der, ob
Sie die Hundsposttage bekommen haben —; und dieſe iſt: ob ich eine 5
andere thun darf an Schäfer? —
Sie wiſſen, daß eine Studierſtube nichts iſt als ein Kaufladen vol
Manuſkripte und daß der Autor darin ſteht und mit ſeinen Laden-
kunden, den Verlegern, handelt, zankt, ſchreiet und ſo fort — — Dazu
taugt nun niemand weniger als ich; zumal da man bei dieſem merkantili- 10
ſchen Hochamte ſeine Waare (d. h. am Ende ſeine Perſon) vorrühmen
mus. Daher bin ich auf der einen Seite allemal um etliche 100 fl. zu
kurz gekommen; auf der andern hab’ ich allemal durch Gelehrte — z. B.
bei den Mumien durch den ſeel. Hofrath Moriz in Berlin — meine
merkantiliſche Wenigkeit und Nichtsheit repräſentieren laſſen. Dies- 15
mal möcht ichs bei einem kleinen Werkgen nun wieder und zwar bei dem
bayreuther Buchhändler. Würd’ es alſo den H. Schäfer nicht kompro-
mittieren, ein ſolcher litterariſcher Chargé d’affaires zu ſein; und wär’
es nicht zu kühn, den jungen blühenden Sprösling unſerer Freundſchaft
ſchon mit einer Laſt zu behängen: ſo würd’ ich ihm die Bitte und das 20
Buch ſchicken. Und an Sie thu’ ich die, mir meine Frage bald aufzulöſen.
Leben Sie wol, mein Lieber, und vergeben Sie dieſen in der Eile und im
Arbeitshauſe gemachten blos merkantiliſchen Brief
[76]
Ihrem
Freund 25
Richter.
108. An Chriſtian Otto.
CitissimeHof. d. 8 Mai 95.
Lieber Chriſtian,
Eben komm ich vom Spaziergang, wo mir etwas Kühnes durch den 30
Kopf gefahren iſt, wozu ich dein Ja bedarf, deſſen Verweigerung mir der
gröſte Tort wäre. Es betrift den Herman. Du weiſt, daß ſein gröſter
Gehalt nicht in den Paar von ihm abgeſprungnen Goldglimmern ſeiner
Schriften, ſondern in der ganzen Textur und Kryſtalliſazion ſeines
Weſens und Karakters beſteht. Um ihn alſo darzuſtellen, mus man 35
weder blos jene geben noch dieſen blos beſchreiben. Denn kein Karak-
ter kan in todten vagen Zügen ſondern blos in Handlungen und Reden
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/92>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.