Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.[153]rin die Wäsche 3 Tage früher; niemand lebt von heute auf morgen, -- O Gott! sage mir doch, was ich dir schreiben sol und ob dir diese Hier lebt man eigentlich wohlfeiler, und doch ich theuerer; in Apropos! Karoline schrieb mir ihren und Amönens närrischen Ent- *) Diesen Reim produziert' ich bei der Herzogin A[malie] und Herder beur-35
theilt' ihn aufmunternd. [153]rin die Wäſche 3 Tage früher; niemand lebt von heute auf morgen, — O Gott! ſage mir doch, was ich dir ſchreiben ſol und ob dir dieſe Hier lebt man eigentlich wohlfeiler, und doch ich theuerer; in Apropos! Karoline ſchrieb mir ihren und Amönens närriſchen Ent- *) Dieſen Reim produziert’ ich bei der Herzogin A[malie] und Herder beur-35
theilt’ ihn aufmunternd. <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0148" n="138"/><note place="left"><ref target="1922_Bd3_153">[153]</ref></note>rin die Wäſche 3 Tage früher; niemand lebt von heute auf morgen,<lb/> ſondern von Morgen auf Abend. Sie ſind höflicher als die Leipziger.<lb/> Strenge Polizei. Um 11 Uhr Nachts ohne Laterne zu ſein, bringt einen<lb/> auf die Wache. Meine gute Wirthin bedachte mich mit einer wie ich<lb/> in <hi rendition="#aq">Hof</hi> hatte. Wie viel ich leider trinke — da hier nur das engliſche<lb n="5"/> Bier gut iſt, aber ſo, daß du mehr Glas als Nas<note place="foot" n="*)">Dieſen Reim produziert’ ich bei der Herzogin A[malie] und <hi rendition="#aq">Herder</hi> beur-<lb n="35"/> theilt’ ihn aufmunternd.</note> einkaufſt und zwar<lb/> für 21 Pf. 1 Bouteille, wovon man 3 braucht — das mus dir daraus<lb/> einleuchten, daß meine Kienhold, die wie ihr Man nie einen Tropfen<lb/> engliſches Bier anlekt, ſich ein Fas davon eingelegt, blos um es an mich<lb/> zu verzapfen.<lb n="10"/> </p> <p>— O Gott! ſage mir doch, was ich dir ſchreiben ſol und ob dir dieſe<lb/><hi rendition="#aq">minutiae</hi> recht ſind, — indes mir deine fehlen.</p><lb/> <p>Hier lebt man eigentlich wohlfeiler, und doch ich theuerer; in<lb/><hi rendition="#aq">Leipzig</hi> 21 gr. für das <hi rendition="#aq">diner,</hi> hier 28, aber es iſt auch beſſer. — Die<lb/> algemeinen Freuden, z. B. das Eſſen im bürgerlichen Klub, worin ich<lb n="15"/> bin, koſten wenig, z. B. dieſes 6 gr. für 3 oder 4 Speiſen. (Ich meine<lb/> Weimarſches Geld, den Laubtl. <hi rendition="#aq">à</hi> 1 rtl. 15 gr.) —</p><lb/> <p>Apropos! Karoline ſchrieb mir ihren und Amönens närriſchen Ent-<lb/> ſchlus zum Hofleben. Nur die väterliche Folter kan ihnen dieſe<lb/> Exzentrizität abnöthigen. Ich werde ihnen darum ſchwach abrathen,<lb n="20"/> weswegen ich keinem abrathe, in den Mond hineinzufliegen. Und<lb/> warlich ein Hof iſt der Mond, nur daß da nicht wie in dem des Arioſts<lb/> der Verſtand gefunden ſondern verloren wird. Niemand taugt dahin<lb/> weniger als dieſe ins Freie wachſende Seelen. Z. B. So gut man hier<lb/> iſt, ſo ſchreitet doch das Öffentliche im Kurialhohlweg fort. Z. B.<lb n="25"/> Sontags giebt der Hof ein Konzert; unter den Bürgerlichen auf der<lb/> Gallerie iſt wenig zu hören. In den Saal können nur Edelleute. Doch<lb/> dürft’ ich mich exzipieren, aber „man mus einen Degen anhaben, um<lb/> nicht aufzufallen“ ſagte mir der gute redliche Prinzenhofmeiſter Riedel.<lb/> Ich verſezte: ſo iſts vorbei; andere werden durch Degenabnehmen de-<lb n="30"/> gradiert, ich würd es durchs Gegentheil. Und als ich probierungsweiſe<lb/><note place="left"><ref target="1922_Bd3_154">[154]</ref></note>bei <hi rendition="#aq">Amalien</hi> ſagte, „daß ich das Konzert entbehrte, weil auf der Gal-<lb/> lerie nichts zu hören wäre“ lud ſie mich blos ein zu ihrem durch die<lb/> Mailänderin.</p> </div><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [138/0148]
rin die Wäſche 3 Tage früher; niemand lebt von heute auf morgen,
ſondern von Morgen auf Abend. Sie ſind höflicher als die Leipziger.
Strenge Polizei. Um 11 Uhr Nachts ohne Laterne zu ſein, bringt einen
auf die Wache. Meine gute Wirthin bedachte mich mit einer wie ich
in Hof hatte. Wie viel ich leider trinke — da hier nur das engliſche 5
Bier gut iſt, aber ſo, daß du mehr Glas als Nas *) einkaufſt und zwar
für 21 Pf. 1 Bouteille, wovon man 3 braucht — das mus dir daraus
einleuchten, daß meine Kienhold, die wie ihr Man nie einen Tropfen
engliſches Bier anlekt, ſich ein Fas davon eingelegt, blos um es an mich
zu verzapfen. 10
[153]— O Gott! ſage mir doch, was ich dir ſchreiben ſol und ob dir dieſe
minutiae recht ſind, — indes mir deine fehlen.
Hier lebt man eigentlich wohlfeiler, und doch ich theuerer; in
Leipzig 21 gr. für das diner, hier 28, aber es iſt auch beſſer. — Die
algemeinen Freuden, z. B. das Eſſen im bürgerlichen Klub, worin ich 15
bin, koſten wenig, z. B. dieſes 6 gr. für 3 oder 4 Speiſen. (Ich meine
Weimarſches Geld, den Laubtl. à 1 rtl. 15 gr.) —
Apropos! Karoline ſchrieb mir ihren und Amönens närriſchen Ent-
ſchlus zum Hofleben. Nur die väterliche Folter kan ihnen dieſe
Exzentrizität abnöthigen. Ich werde ihnen darum ſchwach abrathen, 20
weswegen ich keinem abrathe, in den Mond hineinzufliegen. Und
warlich ein Hof iſt der Mond, nur daß da nicht wie in dem des Arioſts
der Verſtand gefunden ſondern verloren wird. Niemand taugt dahin
weniger als dieſe ins Freie wachſende Seelen. Z. B. So gut man hier
iſt, ſo ſchreitet doch das Öffentliche im Kurialhohlweg fort. Z. B. 25
Sontags giebt der Hof ein Konzert; unter den Bürgerlichen auf der
Gallerie iſt wenig zu hören. In den Saal können nur Edelleute. Doch
dürft’ ich mich exzipieren, aber „man mus einen Degen anhaben, um
nicht aufzufallen“ ſagte mir der gute redliche Prinzenhofmeiſter Riedel.
Ich verſezte: ſo iſts vorbei; andere werden durch Degenabnehmen de- 30
gradiert, ich würd es durchs Gegentheil. Und als ich probierungsweiſe
bei Amalien ſagte, „daß ich das Konzert entbehrte, weil auf der Gal-
lerie nichts zu hören wäre“ lud ſie mich blos ein zu ihrem durch die
Mailänderin.
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*) Dieſen Reim produziert’ ich bei der Herzogin A[malie] und Herder beur- 35
theilt’ ihn aufmunternd.
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(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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