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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

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diese Leute gehandelt; und Sie ist mir noch 200 rtl. schuldig, die ich ihr
ohne Zinsen auf ein 1/4 Jahr geliehen. --

Der Brief des Rendanten ist gar zu dum -- Mein anderer Bruder
in Anspach verlangte blos ein Darlehn von 400 fl. von mir, um zu
heirathen und gegen mich zu fallieren. -- Dem Samuel schikt ich5
17 Laubtl.; jezt bleibt er aber. Allein ich wolte, er studierte nicht; er
hat keine Seele für das Wissen an sich, sondern nur für das Fixum
dafür. Könt' er denn nicht ein Schreiber werden? Weist du keinen
Rath? Ja köntest du ihn nicht selber sehen und untersuchen und seine
Wünsche ändern? -- Ich schäme mich meiner Verwandschaft.10

Hier zum Spasse Göthes Handschrift. -- Herder sagte mir, daß
er mich zu einem Kollaborator an der Erfurter Zeitung einladen solle.
In diesem Ernst würd' (oder werd') ich mich so ausnehmen als in
einem rothen Prorektorsmantel. -- Ich habe jezt die Mittagsseite
des Wein- oder Musenbergs; ich lese den Homer und die Tragiker15
mit einer namenlosen Wonne. Sophokles ist (Shakesp. ausgenommen)
ein Siebengestirn (auch hat er nur 7 Stücke) und die Neuern sind
Nebelsternlein. -- Der 2te Theil des Wallensteins ist mit grosser
Pracht (über 400 rtl. neue Kleider, weil alles ächt war) abgespielt, er
ist vortreflich, passabel und langweilig und falsch. Die schönste Sprache20
-- kräftige poetische Stellen -- einige gute Szenen -- keine Karaktere
-- keine fortströmende Handlung -- oft ein dramatisierter Zopf oder
Essig -- 3faches Interesse -- und kein Schlus. Der dritte noch nicht
fertige Theil ist der Schwanz am Rükgrat des 2ten; es sind nicht einmal
jene zusammengewachsene Zwillingsschwestern in Ungarn. Herder25
geht heute hinein und wird gewis meiner Meinung, wie ers überal ist;
ich kan dir nicht sagen, wie ich ihn mit meinem Griechen-Lob erfreuete,
wie er mir immer die Hand und die Stirne berührte aus Liebe.

-- Die Titanide hat an ihren Schwager, den Präsidenten in Man-[170]
heim geschrieben wegen der Scheidung. Sie sprach mit einer Gräfin30
Bernsstorf, ohne den Man zu nennen, über eine hiesige reiche Eng-
länderin Gore, die sie ihm zudenkt. Er und sie werden es annehmen.
Hier sind Sitten im Spiel, die ich dir nur mündlich malen kan. -- Ich
beharre fest auf meinem Stand; auch ist ihr die Scheidung ohne alles
weitere schon erwünscht, zumal da er mit einem neuen Ris die copula35
carnalis
ganz zerrissen. Sie nahm, weil ihre Phantasie ihr nichts von
der Unveränderlichkeit der Berlepsch giebt, ihre Neujahrs Resignazion

dieſe Leute gehandelt; und Sie iſt mir noch 200 rtl. ſchuldig, die ich ihr
ohne Zinſen auf ein ¼ Jahr geliehen. —

Der Brief des Rendanten iſt gar zu dum — Mein anderer Bruder
in Anſpach verlangte blos ein Darlehn von 400 fl. von mir, um zu
heirathen und gegen mich zu fallieren. — Dem Samuel ſchikt ich5
17 Laubtl.; jezt bleibt er aber. Allein ich wolte, er ſtudierte nicht; er
hat keine Seele für das Wiſſen an ſich, ſondern nur für das Fixum
dafür. Könt’ er denn nicht ein Schreiber werden? Weiſt du keinen
Rath? Ja könteſt du ihn nicht ſelber ſehen und unterſuchen und ſeine
Wünſche ändern? — Ich ſchäme mich meiner Verwandſchaft.10

Hier zum Spaſſe Göthes Handſchrift. — Herder ſagte mir, daß
er mich zu einem Kollaborator an der Erfurter Zeitung einladen ſolle.
In dieſem Ernſt würd’ (oder werd’) ich mich ſo ausnehmen als in
einem rothen Prorektorsmantel. — Ich habe jezt die Mittagsſeite
des Wein- oder Muſenbergs; ich leſe den Homer und die Tragiker15
mit einer namenloſen Wonne. Sophokles iſt (Shakeſp. ausgenommen)
ein Siebengeſtirn (auch hat er nur 7 Stücke) und die Neuern ſind
Nebelſternlein. — Der 2te Theil des Wallenſteins iſt mit groſſer
Pracht (über 400 rtl. neue Kleider, weil alles ächt war) abgeſpielt, er
iſt vortreflich, paſſabel und langweilig und falſch. Die ſchönſte Sprache20
— kräftige poetiſche Stellen — einige gute Szenen — keine Karaktere
— keine fortſtrömende Handlung — oft ein dramatiſierter Zopf oder
Eſſig — 3faches Intereſſe — und kein Schlus. Der dritte noch nicht
fertige Theil iſt der Schwanz am Rükgrat des 2ten; es ſind nicht einmal
jene zuſammengewachſene Zwillingsſchweſtern in Ungarn. Herder25
geht heute hinein und wird gewis meiner Meinung, wie ers überal iſt;
ich kan dir nicht ſagen, wie ich ihn mit meinem Griechen-Lob erfreuete,
wie er mir immer die Hand und die Stirne berührte aus Liebe.

— Die Titanide hat an ihren Schwager, den Präſidenten in Man-[170]
heim geſchrieben wegen der Scheidung. Sie ſprach mit einer Gräfin30
Bernsſtorf, ohne den Man zu nennen, über eine hieſige reiche Eng-
länderin Gore, die ſie ihm zudenkt. Er und ſie werden es annehmen.
Hier ſind Sitten im Spiel, die ich dir nur mündlich malen kan. — Ich
beharre feſt auf meinem Stand; auch iſt ihr die Scheidung ohne alles
weitere ſchon erwünſcht, zumal da er mit einem neuen Ris die copula35
carnalis
ganz zerriſſen. Sie nahm, weil ihre Phantaſie ihr nichts von
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[153/0163] dieſe Leute gehandelt; und Sie iſt mir noch 200 rtl. ſchuldig, die ich ihr ohne Zinſen auf ein ¼ Jahr geliehen. — Der Brief des Rendanten iſt gar zu dum — Mein anderer Bruder in Anſpach verlangte blos ein Darlehn von 400 fl. von mir, um zu heirathen und gegen mich zu fallieren. — Dem Samuel ſchikt ich 5 17 Laubtl.; jezt bleibt er aber. Allein ich wolte, er ſtudierte nicht; er hat keine Seele für das Wiſſen an ſich, ſondern nur für das Fixum dafür. Könt’ er denn nicht ein Schreiber werden? Weiſt du keinen Rath? Ja könteſt du ihn nicht ſelber ſehen und unterſuchen und ſeine Wünſche ändern? — Ich ſchäme mich meiner Verwandſchaft. 10 Hier zum Spaſſe Göthes Handſchrift. — Herder ſagte mir, daß er mich zu einem Kollaborator an der Erfurter Zeitung einladen ſolle. In dieſem Ernſt würd’ (oder werd’) ich mich ſo ausnehmen als in einem rothen Prorektorsmantel. — Ich habe jezt die Mittagsſeite des Wein- oder Muſenbergs; ich leſe den Homer und die Tragiker 15 mit einer namenloſen Wonne. Sophokles iſt (Shakeſp. ausgenommen) ein Siebengeſtirn (auch hat er nur 7 Stücke) und die Neuern ſind Nebelſternlein. — Der 2te Theil des Wallenſteins iſt mit groſſer Pracht (über 400 rtl. neue Kleider, weil alles ächt war) abgeſpielt, er iſt vortreflich, paſſabel und langweilig und falſch. Die ſchönſte Sprache 20 — kräftige poetiſche Stellen — einige gute Szenen — keine Karaktere — keine fortſtrömende Handlung — oft ein dramatiſierter Zopf oder Eſſig — 3faches Intereſſe — und kein Schlus. Der dritte noch nicht fertige Theil iſt der Schwanz am Rükgrat des 2ten; es ſind nicht einmal jene zuſammengewachſene Zwillingsſchweſtern in Ungarn. Herder 25 geht heute hinein und wird gewis meiner Meinung, wie ers überal iſt; ich kan dir nicht ſagen, wie ich ihn mit meinem Griechen-Lob erfreuete, wie er mir immer die Hand und die Stirne berührte aus Liebe. — Die Titanide hat an ihren Schwager, den Präſidenten in Man- heim geſchrieben wegen der Scheidung. Sie ſprach mit einer Gräfin 30 Bernsſtorf, ohne den Man zu nennen, über eine hieſige reiche Eng- länderin Gore, die ſie ihm zudenkt. Er und ſie werden es annehmen. Hier ſind Sitten im Spiel, die ich dir nur mündlich malen kan. — Ich beharre feſt auf meinem Stand; auch iſt ihr die Scheidung ohne alles weitere ſchon erwünſcht, zumal da er mit einem neuen Ris die copula 35 carnalis ganz zerriſſen. Sie nahm, weil ihre Phantaſie ihr nichts von der Unveränderlichkeit der Berlepsch giebt, ihre Neujahrs Reſignazion [170]

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/163>, abgerufen am 22.11.2024.