Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.216. An Emanuel. Weimar d. 28 Febr. 99.Mein guter Emanuel! Ich bin Ihnen jezt vielerlei schuldig, Ant- Der Friede und der Frühling, die jezt Hand in Hand zu uns kommen, v. Zanthier (mit einem ((matten)) Stolberg) war bei mir, ein Von meinem hiesigen frohen Leben kan ich nichts erzählen -- weil Schreiben Sie mir Bayreuther Zeitungen d. i. von Bayreuth. --30 Herzlich sei gegrüsset Schäfer, Ihr Bruder und Elrod und in etwas Richter Auch an meine gute biedere feurige Voigt und an ihren freundlichen35 216. An Emanuel. Weimar d. 28 Febr. 99.Mein guter Emanuel! Ich bin Ihnen jezt vielerlei ſchuldig, Ant- Der Friede und der Frühling, die jezt Hand in Hand zu uns kommen, v. Zanthier (mit einem ((matten)) Stolberg) war bei mir, ein Von meinem hieſigen frohen Leben kan ich nichts erzählen — weil Schreiben Sie mir Bayreuther Zeitungen d. i. von Bayreuth. —30 Herzlich ſei gegrüſſet Schäfer, Ihr Bruder und Elrod und in etwas Richter Auch an meine gute biedere feurige Voigt und an ihren freundlichen35 <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0169" n="159"/> <div type="letter" n="1"> <head>216. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Weimar</hi> d. 28 Febr. 99.</hi> </dateline><lb/> <p>Mein guter Emanuel! Ich bin Ihnen jezt vielerlei ſchuldig, Ant-<lb/> wort, Geld und ſogar — Entſchuldigungen; Dank ohnehin. Hier<lb/> haben Sie alles aufeinmal, ausgenommen das Geld, das ich Ihnen<lb n="5"/> ſamt <hi rendition="#g">fremden</hi> Briefen in <hi rendition="#aq">Bayreuth</hi> einmal ſelber geben wil.</p><lb/> <p>Der Friede und der Frühling, die jezt Hand in Hand zu uns kommen,<lb/> ziehen das Herz aus dem Eiſe des Winters. Mein phyſiſches fiel der<lb/> Jenner häslich an; aber in meinem moraliſchen ſizt jezt der Mai und<lb/> der Junius und viel vom July. Ach Geliebter! welche Roſen und<lb n="10"/> Lilien und Vergismeinnicht hat die Frühlingszukunft in <hi rendition="#aq">Hof</hi> und <hi rendition="#aq">Bay-</hi><note place="right"><ref target="1922_Bd3_176">[176]</ref></note><lb/><hi rendition="#aq">reuth</hi> für mich und — ich hoffe — auch für Sie!</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">v. Zanthier</hi> (mit einem ((matten)) <hi rendition="#aq">Stolberg</hi>) war bei mir, ein<lb/> kräftiger, klarer, biederer, weicher Man; wir ſchieden mit innigſter<lb/> Rührung. Was hab’ ich nicht ſchon geſehen und verloren? Bei mir<lb n="15"/> iſt jezt jede Gegenwart eine Hülle und eine Pränumerazion der Ab-<lb/> weſenheit. — <hi rendition="#aq">Zanthier</hi> that meinem Herzen auch durch die achtende<lb/> Liebe wohl, womit er von Ihnen erzählte. Er verwünſchte ſein <hi rendition="#g">Ge-<lb/> dächtnis,</hi> daß er durch <hi rendition="#aq">Hof</hi> ohne einen Beſuch bei Otto gegangen<lb/> war. —<lb n="20"/> </p><lb/> <p>Von meinem hieſigen frohen Leben kan ich nichts erzählen — weil<lb/> ichs ſchon <hi rendition="#aq">Otto</hi> erzählt habe und ich ungern meine Perſonalien einmal<lb/> zeichne, geſchweige 2mal. Ich lebe in den ſonderbarſten und wichtigſten<lb/> Erfahrungen; das Verhängnis iſt mein Präzeptor und Rabbi. In<lb/><hi rendition="#aq">Hof</hi> ſah ich in 6 Jahren nicht ſo viel von der Menſchen ꝛc.-natur als<lb n="25"/> hier in 6 Monaten. Ach uns bricht das Schikſal wie ein Anfänger oder<lb/> ich das Couvert ſo oftmals bis es die rechte Geſtalt heraushat! Ich<lb/> könte uns aber eher mit Servietten vergleichen, die man ſonſt in alle<lb/> Formen knülte. —</p><lb/> <p>Schreiben Sie mir Bayreuther Zeitungen d. i. von <hi rendition="#aq">Bayreuth.</hi> —<lb n="30"/> </p><lb/> <p>Herzlich ſei gegrüſſet Schäfer, Ihr Bruder und Elrod und in etwas<lb/> die F. <hi rendition="#aq">v. Kropf.</hi> Leben Sie wohl, unvergeſſener und unvergeslicher<lb/> Geliebter, und gedenken Sie meiner in Frieden!</p><lb/> <closer> <salute> <hi rendition="#right">Richter</hi> </salute> </closer><lb/> <postscript> <p>Auch an meine gute biedere feurige <hi rendition="#aq">Voigt</hi> und an ihren freundlichen<lb n="35"/> Man den wärmſten Grus des Herzens! —</p> </postscript> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [159/0169]
216. An Emanuel.
Weimar d. 28 Febr. 99.
Mein guter Emanuel! Ich bin Ihnen jezt vielerlei ſchuldig, Ant-
wort, Geld und ſogar — Entſchuldigungen; Dank ohnehin. Hier
haben Sie alles aufeinmal, ausgenommen das Geld, das ich Ihnen 5
ſamt fremden Briefen in Bayreuth einmal ſelber geben wil.
Der Friede und der Frühling, die jezt Hand in Hand zu uns kommen,
ziehen das Herz aus dem Eiſe des Winters. Mein phyſiſches fiel der
Jenner häslich an; aber in meinem moraliſchen ſizt jezt der Mai und
der Junius und viel vom July. Ach Geliebter! welche Roſen und 10
Lilien und Vergismeinnicht hat die Frühlingszukunft in Hof und Bay-
reuth für mich und — ich hoffe — auch für Sie!
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v. Zanthier (mit einem ((matten)) Stolberg) war bei mir, ein
kräftiger, klarer, biederer, weicher Man; wir ſchieden mit innigſter
Rührung. Was hab’ ich nicht ſchon geſehen und verloren? Bei mir 15
iſt jezt jede Gegenwart eine Hülle und eine Pränumerazion der Ab-
weſenheit. — Zanthier that meinem Herzen auch durch die achtende
Liebe wohl, womit er von Ihnen erzählte. Er verwünſchte ſein Ge-
dächtnis, daß er durch Hof ohne einen Beſuch bei Otto gegangen
war. — 20
Von meinem hieſigen frohen Leben kan ich nichts erzählen — weil
ichs ſchon Otto erzählt habe und ich ungern meine Perſonalien einmal
zeichne, geſchweige 2mal. Ich lebe in den ſonderbarſten und wichtigſten
Erfahrungen; das Verhängnis iſt mein Präzeptor und Rabbi. In
Hof ſah ich in 6 Jahren nicht ſo viel von der Menſchen ꝛc.-natur als 25
hier in 6 Monaten. Ach uns bricht das Schikſal wie ein Anfänger oder
ich das Couvert ſo oftmals bis es die rechte Geſtalt heraushat! Ich
könte uns aber eher mit Servietten vergleichen, die man ſonſt in alle
Formen knülte. —
Schreiben Sie mir Bayreuther Zeitungen d. i. von Bayreuth. — 30
Herzlich ſei gegrüſſet Schäfer, Ihr Bruder und Elrod und in etwas
die F. v. Kropf. Leben Sie wohl, unvergeſſener und unvergeslicher
Geliebter, und gedenken Sie meiner in Frieden!
Richter
Auch an meine gute biedere feurige Voigt und an ihren freundlichen 35
Man den wärmſten Grus des Herzens! —
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(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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