kam er auf ein herzogliches Gut in Oberweimar; wo er einem Schleicher und Tropfen, dem Oekonomen des dasigen Viehstandes, subordiniert war, indes er als 2ter Oekonom alles Andere und Weitläuftige zu regieren hatte. Schon dieses Leben unter einer rohen Unterordnung und die Einschränkung seiner Talente und die Verkennung derselben --[244]5 da der Schleicher erschlich -- quälte einen Abkömling so zarter Eltern und diese am meisten. Jezt -- vergeben Sie mir die Sprünge! -- sol er (das wil der Herzog, um vielleicht seiner Zusage der Unterstüzung leichter los zu werden) die junge Pächterswitwe heirathen, die leicht- sinnig ist und die ihren Man beerbet hätte, wäre sie schwanger nach-10 geblieben; was aber ausblieb. Sohn und Eltern verachten die Ver- bindung; der Herzog macht diese zur Bedingung der Zusage und -- Herder nimt den Sohn zurük. Herder schrieb nach Sachsen um Ver- waltersstellen für ihn, die er aber jezt gerade nahe am Ende der ökonomischen Geschäfte schwerer finden wird. Nun hat er unter den15 Hofnungen auf die sächsischen Antworten noch eine andere Hofnung nöthig, die auf Ihre Antwort bauet. Den Sohn ins Haus zu nehmen, säh einer Absezung gleich -- da der Herzog nie die wahre Ursache errathen lassen würde -- und überhaupt, mein Emanuel, die Bitte ist diese: können Sie ihn nicht auf einige Monate (bis er in Sachsen an-20 gestellet ist als Oekonomieverwalter, oder was noch besser wäre, im Bayreuth[ischen] und durch Sie) nach Bayreuth oder und zu sich nehmen und ihn als Geselschafter und Schüler Ihrer Güter-Zer- schlagungen erwählen? Der Rest gäbe sich; er ist hungrig und durstig auch nach diesem ökonomischen Zweige. Ach ich nahm heute von den25 Eltern, die so viel Vertrauen auf, und so viel herzliche Liebe für Sie haben, einen scharfen Höllenstein vom nakten Herzen weg, da ich ihnen in Ihre menschenfreundliche Seele hinein die günstige Aufnahme der Bitte vereidete. Sie konten noch mit keiner Handlung 4 Menschen (mich eingerechnet) auf einmal schöner beglücken als mit dieser. Der30 metallene Thron ruht wie immer auf rothen Herzen und hier liegt ge- rade das gros schlagende meines Herders unter den scharfen Zacken. Ach mein Emanuel! wenn Sie es thäten! d. h. wenn Sie es könten! --
Schreiben Sie, da ich vielleicht bald in Hof bin, den Brief an Herder und den an mich abgesondert und ohne Einschlus.35
Ich bin von dieser Sache zu vol, um von einer andern zu reden. Das[245] nasse bewegte Auge solcher Eltern macht meines dunkel. -- Ich sehe
kam er auf ein herzogliches Gut in Oberweimar; wo er einem Schleicher und Tropfen, dem Oekonomen des daſigen Viehſtandes, ſubordiniert war, indes er als 2ter Oekonom alles Andere und Weitläuftige zu regieren hatte. Schon dieſes Leben unter einer rohen Unterordnung und die Einſchränkung ſeiner Talente und die Verkennung derſelben —[244]5 da der Schleicher erſchlich — quälte einen Abkömling ſo zarter Eltern und dieſe am meiſten. Jezt — vergeben Sie mir die Sprünge! — ſol er (das wil der Herzog, um vielleicht ſeiner Zuſage der Unterſtüzung leichter los zu werden) die junge Pächterswitwe heirathen, die leicht- ſinnig iſt und die ihren Man beerbet hätte, wäre ſie ſchwanger nach-10 geblieben; was aber ausblieb. Sohn und Eltern verachten die Ver- bindung; der Herzog macht dieſe zur Bedingung der Zuſage und — Herder nimt den Sohn zurük. Herder ſchrieb nach Sachſen um Ver- waltersſtellen für ihn, die er aber jezt gerade nahe am Ende der ökonomiſchen Geſchäfte ſchwerer finden wird. Nun hat er unter den15 Hofnungen auf die ſächſiſchen Antworten noch eine andere Hofnung nöthig, die auf Ihre Antwort bauet. Den Sohn ins Haus zu nehmen, ſäh einer Abſezung gleich — da der Herzog nie die wahre Urſache errathen laſſen würde — und überhaupt, mein Emanuel, die Bitte iſt dieſe: können Sie ihn nicht auf einige Monate (bis er in Sachſen an-20 geſtellet iſt als Oekonomieverwalter, oder was noch beſſer wäre, im Bayreuth[iſchen] und durch Sie) nach Bayreuth oder 〈und〉 zu ſich nehmen und ihn als Geſelſchafter und Schüler Ihrer Güter-Zer- ſchlagungen erwählen? Der Reſt gäbe ſich; er iſt hungrig und durſtig auch nach dieſem ökonomiſchen Zweige. Ach ich nahm heute von den25 Eltern, die ſo viel Vertrauen auf, und ſo viel herzliche Liebe für Sie haben, einen ſcharfen Höllenſtein vom nakten Herzen weg, da ich ihnen in Ihre menſchenfreundliche Seele hinein die günſtige Aufnahme der Bitte vereidete. Sie konten noch mit keiner Handlung 4 Menſchen (mich eingerechnet) auf einmal ſchöner beglücken als mit dieſer. Der30 metallene Thron ruht wie immer auf rothen Herzen und hier liegt ge- rade das gros ſchlagende meines Herders unter den ſcharfen Zacken. Ach mein Emanuel! wenn Sie es thäten! d. h. wenn Sie es könten! —
Schreiben Sie, da ich vielleicht bald in Hof bin, den Brief an Herder und den an mich abgeſondert und ohne Einſchlus.35
Ich bin von dieſer Sache zu vol, um von einer andern zu reden. Das[245] naſſe bewegte Auge ſolcher Eltern macht meines dunkel. — Ich ſehe
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kam er auf ein herzogliches Gut in Oberweimar; wo er einem Schleicher
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und die Einſchränkung ſeiner Talente und die Verkennung derſelben — 5
da der Schleicher erſchlich — quälte einen Abkömling ſo zarter Eltern
und dieſe am meiſten. Jezt — vergeben Sie mir die Sprünge! — ſol
er (das wil der Herzog, um vielleicht ſeiner Zuſage der Unterſtüzung
leichter los zu werden) die junge Pächterswitwe heirathen, die leicht-
ſinnig iſt und die ihren Man beerbet hätte, wäre ſie ſchwanger nach- 10
geblieben; was aber ausblieb. Sohn und Eltern verachten die Ver-
bindung; der Herzog macht dieſe zur Bedingung der Zuſage und —
Herder nimt den Sohn zurük. Herder ſchrieb nach Sachſen um Ver-
waltersſtellen für ihn, die er aber jezt gerade nahe am Ende der
ökonomiſchen Geſchäfte ſchwerer finden wird. Nun hat er unter den 15
Hofnungen auf die ſächſiſchen Antworten noch eine andere Hofnung
nöthig, die auf Ihre Antwort bauet. Den Sohn ins Haus zu nehmen,
ſäh einer Abſezung gleich — da der Herzog nie die wahre Urſache
errathen laſſen würde — und überhaupt, mein Emanuel, die Bitte iſt
dieſe: können Sie ihn nicht auf einige Monate (bis er in Sachſen an- 20
geſtellet iſt als Oekonomieverwalter, oder was noch beſſer wäre, im
Bayreuth[iſchen] und durch Sie) nach Bayreuth oder 〈und〉 zu ſich
nehmen und ihn als Geſelſchafter und Schüler Ihrer Güter-Zer-
ſchlagungen erwählen? Der Reſt gäbe ſich; er iſt hungrig und durſtig
auch nach dieſem ökonomiſchen Zweige. Ach ich nahm heute von den 25
Eltern, die ſo viel Vertrauen auf, und ſo viel herzliche Liebe für Sie
haben, einen ſcharfen Höllenſtein vom nakten Herzen weg, da ich
ihnen in Ihre menſchenfreundliche Seele hinein die günſtige Aufnahme
der Bitte vereidete. Sie konten noch mit keiner Handlung 4 Menſchen
(mich eingerechnet) auf einmal ſchöner beglücken als mit dieſer. Der 30
metallene Thron ruht wie immer auf rothen Herzen und hier liegt ge-
rade das gros ſchlagende meines Herders unter den ſcharfen Zacken. Ach
mein Emanuel! wenn Sie es thäten! d. h. wenn Sie es könten! —
[244]
Schreiben Sie, da ich vielleicht bald in Hof bin, den Brief an
Herder und den an mich abgeſondert und ohne Einſchlus. 35
Ich bin von dieſer Sache zu vol, um von einer andern zu reden. Das
naſſe bewegte Auge ſolcher Eltern macht meines dunkel. — Ich ſehe
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/238>, abgerufen am 22.11.2024.
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