[260]als ich noch gesehen, kan sie ihre Schmerzen und Empfindungen -- bei der grösten Enthüllung ihrer Meinungen --
d. 10 Oct.
dicht verhüllen. -- -- Aber ich mus historisch zu Werke gehen.
Den ersten Tag kam ich hier an und gieng unangemeldet zu ihr. Das5 Zimmer war leer; sie wurde aus dem Garten von der Magd geholt. Sie kam fast sprachlos, und schrieb es dem -- Laufen zu, welches glaublich genug ist. Wie ihr war, siehst du in einem beil[iegenden] Briefe; gleichwohl nahm sie einem den schönen Taumel des Wieder- sehens. Ich wurde zur Herzogin geholt; kam zurük und hatte blos10 einen Abend aus der vorigen Pönitenz-Aera.
Der Donnerstag kam vom Gotte Thor -- alles fatal -- Koppen- fels und der Regierungsrath Wagner waren nicht zu Hause. Jezt lies von ihren Briefen Nro. 1.
Am Freitag den 4 Okt. war ein Gewitter am ordentlichen Himmel.15 -- lies N. 2.
Die darin mir versagte Bitte betraf das Schreiben an mich im Gasthof. -- Übrigens arbeitete ich noch an keinem fremden Orte so viel an Briefen und Büchern als hier und dasmal.
Vom Sonnabend ist mir nichts geblieben als Koppenfels und der20 Herzog bei ihm und der baiersche fatale Minister in Nürnberg. Der erste lud mich auf den Sontag abend zu sich. V[ide] N. 3. (Mit allen Gängen und Menschen quääl' ich dich nicht)
Am Sontag kam ich zum Thee-Soupee des K. gegen 8 Uhr von den F. her. Der Teufel, (dacht' ich anfangs, aber, der Engel, nachher)25 führte zu den F. eine dicke hohle Fr. v. Beulwiz. Wir zogen sämtlich ein Stokwerk hinauf zur verwitt[ibten] Schwester von C., Fr. v. Bek. Diese gutmüthige rasche Frau hält mit ihrem und C. Mute das Gleich- gewicht gegen die siech-bängliche Mutter und 3te moralisch-rigo- ristische Schwester. Nur einen Zug von dieser mich unendlich liebenden30 Frau: sie giebt mir allein morgen, wo ich abreise, ihre einzige sehr schöne, naive, weiche, ofne, reine, kindlich an mir hängende Tochter Auguste von 15 Jahren nach Weimar mit, damit ich sie bei einer treflichen Mädgen-La Bonne in Pension gebe auf 1 Jahr. Wir [261]wagen beide; die La Bonne weis noch nichts; ich mache erst die Be-35 dingungen -- Aber im Falle des Neins bring ich sie auf 14 etc. Tage zum Verhehlen der Absicht zu Herder und dan selber wieder hieher.
[260]als ich noch geſehen, kan ſie ihre Schmerzen und Empfindungen — bei der gröſten Enthüllung ihrer Meinungen —
d. 10 Oct.
dicht verhüllen. — — Aber ich mus hiſtoriſch zu Werke gehen.
Den erſten Tag kam ich hier an und gieng unangemeldet zu ihr. Das5 Zimmer war leer; ſie wurde aus dem Garten von der Magd geholt. Sie kam faſt ſprachlos, und ſchrieb es dem — Laufen zu, welches glaublich genug iſt. Wie ihr war, ſiehſt du in einem beil[iegenden] Briefe; gleichwohl nahm ſie einem den ſchönen Taumel des Wieder- ſehens. Ich wurde zur Herzogin geholt; kam zurük und hatte blos10 einen Abend aus der vorigen Pönitenz-Aera.
Der Donnerſtag kam vom Gotte Thor — alles fatal — Koppen- fels und der Regierungsrath Wagner waren nicht zu Hauſe. Jezt lies von ihren Briefen Nro. 1.
Am Freitag den 4 Okt. war ein Gewitter am ordentlichen Himmel.15 — lies N. 2.
Die darin mir verſagte Bitte betraf das Schreiben an mich im Gaſthof. — Übrigens arbeitete ich noch an keinem fremden Orte ſo viel an Briefen und Büchern als hier und dasmal.
Vom Sonnabend iſt mir nichts geblieben als Koppenfels und der20 Herzog bei ihm und der baierſche fatale Miniſter in Nürnberg. Der erſte lud mich auf den Sontag abend zu ſich. V[ide] N. 3. (Mit allen Gängen und Menſchen quääl’ ich dich nicht)
Am Sontag kam ich zum Thée-Soupée des K. gegen 8 Uhr von den F. her. Der Teufel, (dacht’ ich anfangs, aber, der Engel, nachher)25 führte zu den F. eine dicke hohle Fr. v. Beulwiz. Wir zogen ſämtlich ein Stokwerk hinauf zur verwitt[ibten] Schweſter von C., Fr. v. Bek. Dieſe gutmüthige raſche Frau hält mit ihrem und C. Mute das Gleich- gewicht gegen die ſiech-bängliche Mutter und 3te moraliſch-rigo- riſtiſche Schweſter. Nur einen Zug von dieſer mich unendlich liebenden30 Frau: ſie giebt mir allein morgen, wo ich abreiſe, ihre einzige ſehr ſchöne, naive, weiche, ofne, reine, kindlich an mir hängende Tochter Auguste von 15 Jahren nach Weimar mit, damit ich ſie bei einer treflichen Mädgen-La Bonne in Penſion gebe auf 1 Jahr. Wir [261]wagen beide; die La Bonne weis noch nichts; ich mache erſt die Be-35 dingungen — Aber im Falle des Neins bring ich ſie auf 14 ꝛc. Tage zum Verhehlen der Abſicht zu Herder und dan ſelber wieder hieher.
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als ich noch geſehen, kan ſie ihre Schmerzen und Empfindungen — bei
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d. 10 Oct.
dicht verhüllen. — — Aber ich mus hiſtoriſch zu Werke gehen.
Den erſten Tag kam ich hier an und gieng unangemeldet zu ihr. Das 5
Zimmer war leer; ſie wurde aus dem Garten von der Magd geholt.
Sie kam faſt ſprachlos, und ſchrieb es dem — Laufen zu, welches
glaublich genug iſt. Wie ihr war, ſiehſt du in einem beil[iegenden]
Briefe; gleichwohl nahm ſie einem den ſchönen Taumel des Wieder-
ſehens. Ich wurde zur Herzogin geholt; kam zurük und hatte blos 10
einen Abend aus der vorigen Pönitenz-Aera.
Der Donnerſtag kam vom Gotte Thor — alles fatal — Koppen-
fels und der Regierungsrath Wagner waren nicht zu Hauſe. Jezt lies
von ihren Briefen Nro. 1.
Am Freitag den 4 Okt. war ein Gewitter am ordentlichen Himmel. 15
— lies N. 2.
Die darin mir verſagte Bitte betraf das Schreiben an mich im
Gaſthof. — Übrigens arbeitete ich noch an keinem fremden Orte ſo
viel an Briefen und Büchern als hier und dasmal.
Vom Sonnabend iſt mir nichts geblieben als Koppenfels und der 20
Herzog bei ihm und der baierſche fatale Miniſter in Nürnberg. Der
erſte lud mich auf den Sontag abend zu ſich. V[ide] N. 3. (Mit allen
Gängen und Menſchen quääl’ ich dich nicht)
Am Sontag kam ich zum Thée-Soupée des K. gegen 8 Uhr von
den F. her. Der Teufel, (dacht’ ich anfangs, aber, der Engel, nachher) 25
führte zu den F. eine dicke hohle Fr. v. Beulwiz. Wir zogen ſämtlich
ein Stokwerk hinauf zur verwitt[ibten] Schweſter von C., Fr. v. Bek.
Dieſe gutmüthige raſche Frau hält mit ihrem und C. Mute das Gleich-
gewicht gegen die ſiech-bängliche Mutter und 3te moraliſch-rigo-
riſtiſche Schweſter. Nur einen Zug von dieſer mich unendlich liebenden 30
Frau: ſie giebt mir allein morgen, wo ich abreiſe, ihre einzige ſehr
ſchöne, naive, weiche, ofne, reine, kindlich an mir hängende Tochter
Auguste von 15 Jahren nach Weimar mit, damit ich ſie bei einer
treflichen Mädgen-La Bonne in Penſion gebe auf 1 Jahr. Wir
wagen beide; die La Bonne weis noch nichts; ich mache erſt die Be- 35
dingungen — Aber im Falle des Neins bring ich ſie auf 14 ꝛc. Tage
zum Verhehlen der Abſicht zu Herder und dan ſelber wieder hieher.
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/253>, abgerufen am 26.06.2024.
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