Der Vorschlags- und Votier-Abend dieser Reise nüzte mit lauter Entzückungen das Mädgen so ab daß es am andern Tage bleich und müde war.
Bei dieser Bek war nun der geheizte Ofen im grössern Zimmer -- (dan kam ein Transito-Stübgen)*) -- dan das, worin die Geselschaft war;5 aber die 2 Thüren waren offen für den Durchzug der Feuerung. Ich meines Orts begab mich oft ins grössere, dunklere, wärmere Zimmer; und C. kam nach. Hier giengen wir auf und ab, und häufig vor der hellen bevölkerten Oefnung vorbei; aber immer seltener; blieben länger am Ofen -- sie sagte mir ihr Herz und sank mit ihrem Kopf an meines10 und ich gab ihrem Auge den ersten Kus --
Dan must' ich zu Koppenfels -- und den andern Tag auf Herzog- liche Kosten nach Seidenstadt, nachdem ich am Morgen bei dem Prinzenhofmeister Engelhardt aus Anspach (einem festen, redlichen, aber etwas egoistischen und stolzen Man) Malaga quantum satis15 getrunken.
In S. logiert ich im Schlos -- die Herzogin sang so wie man sie besingen solte -- ich las ihr vor (nur machte ein verdamter Kälber- magen und Laab, ein mir verhaster kalter feiner Kammerjunker, der gerade die jour hatte und überal war, den Enthusiasmus gerinnen,20 hätt' ich nicht Zucker bei der Hand gehabt, der das Gerinnen störte) und sah ihr bei ihrem einmal einsamen Singen so freundlich liebend in die Augen als wenn es deine Schwester wäre, und sie machte es wieder so, gleich deiner Schwester. Ich sol ihr ein schriftliches Andenken geben; aber sie hat ja den Traum der 4 Schwestern. Sie und der Man25 nöthigten mich zur 2ten Nacht; und sie fuhr im giessenden Abend mit mir in eine 2 Stunden ferne schöne Gegend. -- Am 2ten Tage bekam ich durch C. Bruder N. 4.; das lese nun.
Weimar d. 15 Oct.
-- Jezt war doch einmal wieder heiteres Wetter für Briefschreiber[262]30 in Hof; sie wusten nämlich, daß ich nicht zu Hause war und konten also ganz geruhig warten. -- Aber zurük!
Den Mitwoch, den 9ten kam ich Vormittags zurük von S. Abends war ich und die Feuchterslebischen zur Bek zum Essen geladen. Wie
*) falsch; es sind nur 2 Zimmer.35
Der Vorſchlags- und Votier-Abend dieſer Reiſe nüzte mit lauter Entzückungen das Mädgen ſo ab daß es am andern Tage bleich und müde war.
Bei dieſer Bek war nun der geheizte Ofen im gröſſern Zimmer — (dan kam ein Tranſito-Stübgen)*) — dan das, worin die Geſelſchaft war;5 aber die 2 Thüren waren offen für den Durchzug der Feuerung. Ich meines Orts begab mich oft ins gröſſere, dunklere, wärmere Zimmer; und C. kam nach. Hier giengen wir auf und ab, und häufig vor der hellen bevölkerten Oefnung vorbei; aber immer ſeltener; blieben länger am Ofen — ſie ſagte mir ihr Herz und ſank mit ihrem Kopf an meines10 und ich gab ihrem Auge den erſten Kus —
Dan muſt’ ich zu Koppenfels — und den andern Tag auf Herzog- liche Koſten nach Seidenstadt, nachdem ich am Morgen bei dem Prinzenhofmeiſter Engelhardt aus Anspach (einem feſten, redlichen, aber etwas egoiſtiſchen und ſtolzen Man) Malaga quantum satis15 getrunken.
In S. logiert ich im Schlos — die Herzogin ſang ſo wie man ſie beſingen ſolte — ich las ihr vor (nur machte ein verdamter Kälber- magen und Laab, ein mir verhaſter kalter feiner Kammerjunker, der gerade die jour hatte und überal war, den Enthuſiaſmus gerinnen,20 hätt’ ich nicht Zucker bei der Hand gehabt, der das Gerinnen ſtörte) und ſah ihr bei ihrem einmal einſamen Singen ſo freundlich liebend in die Augen als wenn es deine Schweſter wäre, und ſie machte es wieder ſo, gleich deiner Schweſter. Ich ſol ihr ein ſchriftliches Andenken geben; aber ſie hat ja den Traum der 4 Schweſtern. Sie und der Man25 nöthigten mich zur 2ten Nacht; und ſie fuhr im gieſſenden Abend mit mir in eine 2 Stunden ferne ſchöne Gegend. — Am 2ten Tage bekam ich durch C. Bruder N. 4.; das leſe nun.
Weimar d. 15 Oct.
— Jezt war doch einmal wieder heiteres Wetter für Briefſchreiber[262]30 in Hof; ſie wuſten nämlich, daß ich nicht zu Hauſe war und konten alſo ganz geruhig warten. — Aber zurük!
Den Mitwoch, den 9ten kam ich Vormittags zurük von S. Abends war ich und die Feuchterslebischen zur Bek zum Eſſen geladen. Wie
*) falſch; es ſind nur 2 Zimmer.35
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Der Vorſchlags- und Votier-Abend dieſer Reiſe nüzte mit lauter
Entzückungen das Mädgen ſo ab daß es am andern Tage bleich und
müde war.
Bei dieſer Bek war nun der geheizte Ofen im gröſſern Zimmer — (dan
kam ein Tranſito-Stübgen) *) — dan das, worin die Geſelſchaft war; 5
aber die 2 Thüren waren offen für den Durchzug der Feuerung. Ich
meines Orts begab mich oft ins gröſſere, dunklere, wärmere Zimmer;
und C. kam nach. Hier giengen wir auf und ab, und häufig vor der hellen
bevölkerten Oefnung vorbei; aber immer ſeltener; blieben länger am
Ofen — ſie ſagte mir ihr Herz und ſank mit ihrem Kopf an meines 10
und ich gab ihrem Auge den erſten Kus —
Dan muſt’ ich zu Koppenfels — und den andern Tag auf Herzog-
liche Koſten nach Seidenstadt, nachdem ich am Morgen bei dem
Prinzenhofmeiſter Engelhardt aus Anspach (einem feſten, redlichen,
aber etwas egoiſtiſchen und ſtolzen Man) Malaga quantum satis 15
getrunken.
In S. logiert ich im Schlos — die Herzogin ſang ſo wie man ſie
beſingen ſolte — ich las ihr vor (nur machte ein verdamter Kälber-
magen und Laab, ein mir verhaſter kalter feiner Kammerjunker, der
gerade die jour hatte und überal war, den Enthuſiaſmus gerinnen, 20
hätt’ ich nicht Zucker bei der Hand gehabt, der das Gerinnen ſtörte)
und ſah ihr bei ihrem einmal einſamen Singen ſo freundlich liebend
in die Augen als wenn es deine Schweſter wäre, und ſie machte es
wieder ſo, gleich deiner Schweſter. Ich ſol ihr ein ſchriftliches Andenken
geben; aber ſie hat ja den Traum der 4 Schweſtern. Sie und der Man 25
nöthigten mich zur 2ten Nacht; und ſie fuhr im gieſſenden Abend mit
mir in eine 2 Stunden ferne ſchöne Gegend. — Am 2ten Tage bekam
ich durch C. Bruder N. 4.; das leſe nun.
Weimar d. 15 Oct.
— Jezt war doch einmal wieder heiteres Wetter für Briefſchreiber 30
in Hof; ſie wuſten nämlich, daß ich nicht zu Hauſe war und konten
alſo ganz geruhig warten. — Aber zurük!
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Den Mitwoch, den 9ten kam ich Vormittags zurük von S. Abends
war ich und die Feuchterslebischen zur Bek zum Eſſen geladen. Wie
*) falſch; es ſind nur 2 Zimmer. 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/254>, abgerufen am 18.06.2024.
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