wort? "Trennung des Sub- vom Objekt"*) Welches sinliche Wort, nicht besser als Abspaltung, Losreissung, Kluft, Graben! Er wende die leztern doch auf sein x -- x + x = x = x an! Tödtlich hass'[276] ich diese 5. Akte eines konsequenten Wörterschauspiels. Zugeben mus man alle seine Schlüsse, wenn man ihm die Sprache zugiebt. O belehre5 mich! -- Das innige dunkle, nicht einmal dem Begrif und dem An- schauen unterworfne Sein in Spiel-Wörter-marken die aus jenen geformt sind, wieder zu zerschneiden (d. h. zu erklären) in Spiel- marken! -- Für die Sinnen sei die Sprache! Bei ihnen schliesset man aus dieser mit weniger Gefahr, d. h. blos aus dem Blat, (dem kleinern10 Baum) auf den grössern. Aber weiter hinaus sind Wörter nicht einmal Schattenbilder, nicht 5. Punkte davon (denn diese geben doch etwas von der Sache, und sind kein Zeichen des Zeichens) sondern Schnupf- tuchsknoten der Erinnerung, die nichts malen -- und nicht einmal das, denn alles sinliche ist malend, weil alles ähnlich und verbunden ist15 -- kurz es komt dabei eine 3fache hin- und herspielende hexende a) Sub- b) Inkuben- und c) Menschen-Ehe zwischen a) leeren, b) vollen Zeichen und c) zwischen dem Gegenstande heraus. -- Und so entsteht die desertio malitiosa, nämlich man verlässet böslich die Schlüsse aus der Anschauung gegen die Schlüsse aus den unreinen und doch öden20 Zeichen der Anschauung. -- Sage ein Wort, Heinrich! --
Seit dem 13 Jahr trieb ich Philosophie -- warf sie im 25 weit weg von mir aus Skepsis und holte sie wieder zur Satire -- und später näherte mich ihr, aber blöde, das Herz. --
d. 11. Nov.25
Siehe meiner durch passive und aktive Bücher verarmten Zeit das Durchstrichne nach; ich widerruf' es nicht, aber vor dein Auge gehöret etwas besseres. Ich seze mirs vor, aber vergeblich, langsam an dich zu schreiben; -- daher ich, um mir eine Wollust daraus zu machen, mir nicht wie du einen bestimten Posttag als ein Fatale anstreiche, sondern30 ich schreibe wie man spricht, ohne Scheu des Ziels, d. h. ich athme geistig, was doch das Sprechen ist.
Deine beiden Satiren im Taschenbuch sind schön und sogar -- keine, sondern deductiones ad abs[urdum]; gegen manches hätt' ich aber
*) Seze doch dafür: Maler und Gemälde und schliesse einmal fort und sieh den35 konsequenten Un- oder Leersin.
wort? „Trennung des Sub- vom Objekt“*) Welches ſinliche Wort, nicht beſſer als Abſpaltung, Losreiſſung, Kluft, Graben! Er wende die leztern doch auf ſein x — x + x = x 〈 = x〉 an! Tödtlich haſſ’[276] ich dieſe 5. Akte eines konſequenten Wörterſchauſpiels. Zugeben mus man alle ſeine Schlüſſe, wenn man ihm die Sprache zugiebt. O belehre5 mich! — Das innige dunkle, nicht einmal dem Begrif und dem An- ſchauen unterworfne Sein in Spiel-〈Wörter-〉marken die aus jenen geformt ſind, wieder zu zerſchneiden (d. h. zu erklären) in Spiel- marken! — Für die Sinnen ſei die Sprache! Bei ihnen ſchlieſſet man aus dieſer mit weniger Gefahr, d. h. blos aus dem Blat, (dem kleinern10 Baum) auf den gröſſern. Aber weiter hinaus ſind Wörter nicht einmal Schattenbilder, nicht 5. Punkte davon (denn dieſe geben doch etwas von der Sache, und ſind kein Zeichen des Zeichens) ſondern Schnupf- tuchsknoten der Erinnerung, die nichts malen — und nicht einmal das, denn alles ſinliche iſt malend, weil alles ähnlich und verbunden iſt15 — kurz es komt dabei eine 3fache hin- und herſpielende hexende a) Sub- b) Inkuben- und c) Menſchen-Ehe zwiſchen a) leeren, b) vollen Zeichen und c) zwiſchen dem Gegenſtande heraus. — Und ſo entſteht die desertio malitiosa, nämlich man verläſſet böslich die Schlüſſe aus der Anſchauung gegen die Schlüſſe aus den unreinen und doch öden20 Zeichen der Anſchauung. — Sage ein Wort, Heinrich! —
Seit dem 13 Jahr trieb ich Philoſophie — warf ſie im 25 weit weg von mir aus Skepſis und holte ſie wieder zur Satire — und ſpäter näherte mich ihr, aber blöde, das Herz. —
d. 11. Nov.25
Siehe meiner durch paſſive und aktive Bücher verarmten Zeit das Durchſtrichne nach; ich widerruf’ es nicht, aber vor dein Auge gehöret etwas beſſeres. Ich ſeze mirs vor, aber vergeblich, langſam an dich zu ſchreiben; — daher ich, um mir eine Wolluſt daraus zu machen, mir nicht wie du einen beſtimten Poſttag als ein Fatale anſtreiche, ſondern30 ich ſchreibe wie man ſpricht, ohne Scheu des Ziels, d. h. ich athme geiſtig, was doch das Sprechen iſt.
Deine beiden Satiren im Taſchenbuch ſind ſchön und ſogar — keine, ſondern deductiones ad abs[urdum]; gegen manches hätt’ ich aber
*) Seze doch dafür: Maler und Gemälde und ſchlieſſe einmal fort und ſieh den35 konſequenten Un- oder Leerſin.
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ich dieſe 5. Akte eines konſequenten Wörterſchauſpiels. Zugeben mus
man alle ſeine Schlüſſe, wenn man ihm die Sprache zugiebt. O belehre 5
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ſchauen unterworfne Sein in Spiel-〈Wörter-〉marken die aus jenen
geformt ſind, wieder zu zerſchneiden (d. h. zu erklären) in Spiel-
marken! — Für die Sinnen ſei die Sprache! Bei ihnen ſchlieſſet man
aus dieſer mit weniger Gefahr, d. h. blos aus dem Blat, (dem kleinern 10
Baum) auf den gröſſern. Aber weiter hinaus ſind Wörter nicht einmal
Schattenbilder, nicht 5. Punkte davon (denn dieſe geben doch etwas
von der Sache, und ſind kein Zeichen des Zeichens) ſondern Schnupf-
tuchsknoten der Erinnerung, die nichts malen — und nicht einmal
das, denn alles ſinliche iſt malend, weil alles ähnlich und verbunden iſt 15
— kurz es komt dabei eine 3fache hin- und herſpielende hexende a) Sub-
b) Inkuben- und c) Menſchen-Ehe zwiſchen a) leeren, b) vollen Zeichen
und c) zwiſchen dem Gegenſtande heraus. — Und ſo entſteht die
desertio malitiosa, nämlich man verläſſet böslich die Schlüſſe aus
der Anſchauung gegen die Schlüſſe aus den unreinen und doch öden 20
Zeichen der Anſchauung. — Sage ein Wort, Heinrich! —
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Seit dem 13 Jahr trieb ich Philoſophie — warf ſie im 25 weit weg
von mir aus Skepſis und holte ſie wieder zur Satire — und ſpäter
näherte mich ihr, aber blöde, das Herz. —
d. 11. Nov. 25
Siehe meiner durch paſſive und aktive Bücher verarmten Zeit das
Durchſtrichne nach; ich widerruf’ es nicht, aber vor dein Auge gehöret
etwas beſſeres. Ich ſeze mirs vor, aber vergeblich, langſam an dich
zu ſchreiben; — daher ich, um mir eine Wolluſt daraus zu machen, mir
nicht wie du einen beſtimten Poſttag als ein Fatale anſtreiche, ſondern 30
ich ſchreibe wie man ſpricht, ohne Scheu des Ziels, d. h. ich athme
geiſtig, was doch das Sprechen iſt.
Deine beiden Satiren im Taſchenbuch ſind ſchön und ſogar — keine,
ſondern deductiones ad abs[urdum]; gegen manches hätt’ ich aber
*) Seze doch dafür: Maler und Gemälde und ſchlieſſe einmal fort und ſieh den 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/269>, abgerufen am 01.07.2024.
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