die Träume steht und was du nicht widerlegt oder gesehen hast, noch dieses, daß du ja nicht das Bewustsein bekomst, weil die Objekte es wecken oder bringen, sondern umgekehrt bemerkst du diese durch jenes mir unbegreifliche erwachende Bewustsein. Denn in einem Nu bist du wach -- ohne Sinnen Eindrücke, die ja der Traum selber blos zu5 seinem Wahnsin verarbeitet -- in der Finsternis -- den Wahnsinnigen, diesen Tag-Träumer, ordnet die Aussenwelt auch nicht -- Im tiefen [275]Denken geht diese auch unter, und doch nicht die Vernunft. Wenn du antwortest, nicht blos schreibst, wil ich mehr Gründe bringen.
Das andere betrift Fichtes geschlossene runde logische Welt. (Ich10 lese eben seine Moral mit höchstem Bewundern und Unglauben, und des götlichen Fenelons Leben, dessen Theologie wunderbar in die Fichtische Moral eingreift. Die Guyon las ich vorlängst entzükt, die Bourignon erkältet, schon durch ihr Gesicht.) -- Ich wil das kühne Wort hier entschuldigen, warum ich einmal eine Metapher für den15 Anfang der F. Philosophie ausgegeben -- weil nämlich (du weist alles, aber ich sag es doch) die Philosophie in einer gewissen Höhe, wo der Begrif, die Abstrakzion, Reflexion etc. wieder der Gegenstand des Begrifs etc. ist und die Thätigkeit*) der der Thätigkeit, jede Sprache eine Lügnerin und Verfälscherin ist. Du hast dan nur die Wahl zwischen20 1) Metapher 2) Irthum 3) Nichtsin Oede. Die von dir gerügte Verwandlung der Qualitäten in Quantitäten reicht durch die ganze Sprache und verdirbt alles. Fange gleich vorn bei F. an, dessen logische Algeber ein Sorites aus Wörtern ist (Algeber ist zu gut; denn diese bestimt ihre Beziehungen doch rein; und so solte die ganze Sprache nur25 wie die mathematische der breitere Umris beliebiger Quantitäten sein): ist denn z. B. der Akt des Bewustseins durch das blos gesagte, nöthige, preshafte (mit nichts erwiesene) Zusammenfallen**) des Ob- und Subjekts erklärt? Woher hat er Subjekt, was ist das für ein Ding, wie unterscheidet er das Objekt in ihm Ob- + Subjekt von ihm30 Sub- -- Objekt? Ist Objekt nicht ein weites leeres Quantitäts-
*) wiewohl das Bewustsein nie eine Thätigkeit, nicht einmal die eigne ganz erschöpfen kan, so wenig als das Sehen das Sehen sieht. Das Ob-/Subjekt ist wie die wolfische Einheit des Mannigfaltigen. Man kan keinen einzigen Schlus aus dieser Rechnungsmünze widerlegen; und am Ende hat man doch nichts.35
**) und was heisset wieder das, d. h. welche Anschauung hab ich davon?
die Träume ſteht und was du nicht widerlegt oder geſehen haſt, noch dieſes, daß du ja nicht das Bewuſtſein bekomſt, weil die Objekte es wecken oder bringen, ſondern umgekehrt bemerkſt du dieſe durch jenes mir unbegreifliche erwachende Bewuſtſein. Denn in einem Nu biſt du wach — ohne Sinnen Eindrücke, die ja der Traum ſelber blos zu5 ſeinem Wahnſin verarbeitet — in der Finſternis — den Wahnſinnigen, dieſen Tag-Träumer, ordnet die Auſſenwelt auch nicht — Im tiefen [275]Denken geht dieſe auch unter, und doch nicht die Vernunft. Wenn du antworteſt, nicht blos ſchreibſt, wil ich mehr Gründe bringen.
Das andere betrift Fichtes geſchloſſene runde logiſche Welt. (Ich10 leſe eben ſeine Moral mit höchſtem Bewundern und Unglauben, und des götlichen Fenelons Leben, deſſen Theologie wunderbar in die Fichtiſche Moral eingreift. Die Guyon las ich vorlängſt entzükt, die Bourignon erkältet, ſchon durch ihr Geſicht.) — Ich wil das kühne Wort hier entſchuldigen, warum ich einmal eine Metapher für den15 Anfang der F. Philoſophie ausgegeben — weil nämlich (du weiſt alles, aber ich ſag es doch) die Philoſophie in einer gewiſſen Höhe, wo der Begrif, die Abſtrakzion, Reflexion ꝛc. wieder der Gegenſtand des Begrifs ꝛc. iſt und die Thätigkeit*) der der Thätigkeit, jede Sprache eine Lügnerin und Verfälſcherin iſt. Du haſt dan nur die Wahl zwiſchen20 1) Metapher 2) Irthum 3) Nichtſin 〈Oede〉. Die von dir gerügte Verwandlung der Qualitäten in Quantitäten reicht durch die ganze Sprache und verdirbt alles. Fange gleich vorn bei F. an, deſſen logiſche Algeber ein Sorites aus Wörtern iſt (Algeber iſt zu gut; denn dieſe beſtimt ihre Beziehungen doch rein; und ſo ſolte die ganze Sprache nur25 wie die mathematiſche der breitere Umris beliebiger Quantitäten ſein): iſt denn z. B. der Akt des Bewuſtſeins durch das blos geſagte, nöthige, preshafte (mit nichts erwieſene) Zuſammenfallen**) des Ob- und Subjekts erklärt? Woher hat er Subjekt, was iſt das für ein Ding, wie unterſcheidet er das Objekt in ihm 〈Ob- + Subjekt〉 von ihm30 〈Sub- — Objekt〉? Iſt Objekt nicht ein weites leeres Quantitäts-
*) wiewohl das Bewuſtſein nie eine Thätigkeit, nicht einmal die eigne ganz erſchöpfen kan, ſo wenig als das Sehen das Sehen ſieht. Das Ob-/Subjekt iſt wie die wolfiſche Einheit des Mannigfaltigen. Man kan keinen einzigen Schlus aus dieſer Rechnungsmünze widerlegen; und am Ende hat man doch nichts.35
**) und was heiſſet wieder das, d. h. welche Anſchauung hab ich davon?
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die Träume ſteht und was du nicht widerlegt oder geſehen haſt, noch
dieſes, daß du ja nicht das Bewuſtſein bekomſt, weil die Objekte es
wecken oder bringen, ſondern umgekehrt bemerkſt du dieſe durch jenes
mir unbegreifliche erwachende Bewuſtſein. Denn in einem Nu biſt du
wach — ohne Sinnen Eindrücke, die ja der Traum ſelber blos zu 5
ſeinem Wahnſin verarbeitet — in der Finſternis — den Wahnſinnigen,
dieſen Tag-Träumer, ordnet die Auſſenwelt auch nicht — Im tiefen
Denken geht dieſe auch unter, und doch nicht die Vernunft. Wenn du
antworteſt, nicht blos ſchreibſt, wil ich mehr Gründe bringen.
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Das andere betrift Fichtes geſchloſſene runde logiſche Welt. (Ich 10
leſe eben ſeine Moral mit höchſtem Bewundern und Unglauben, und
des götlichen Fenelons Leben, deſſen Theologie wunderbar in die
Fichtiſche Moral eingreift. Die Guyon las ich vorlängſt entzükt, die
Bourignon erkältet, ſchon durch ihr Geſicht.) — Ich wil das kühne
Wort hier entſchuldigen, warum ich einmal eine Metapher für den 15
Anfang der F. Philoſophie ausgegeben — weil nämlich (du weiſt
alles, aber ich ſag es doch) die Philoſophie in einer gewiſſen Höhe,
wo der Begrif, die Abſtrakzion, Reflexion ꝛc. wieder der Gegenſtand
des Begrifs ꝛc. iſt und die Thätigkeit *) der der Thätigkeit, jede Sprache
eine Lügnerin und Verfälſcherin iſt. Du haſt dan nur die Wahl zwiſchen 20
1) Metapher 2) Irthum 3) Nichtſin 〈Oede〉. Die von dir gerügte
Verwandlung der Qualitäten in Quantitäten reicht durch die ganze
Sprache und verdirbt alles. Fange gleich vorn bei F. an, deſſen logiſche
Algeber ein Sorites aus Wörtern iſt (Algeber iſt zu gut; denn dieſe
beſtimt ihre Beziehungen doch rein; und ſo ſolte die ganze Sprache nur 25
wie die mathematiſche der breitere Umris beliebiger Quantitäten
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nöthige, preshafte (mit nichts erwieſene) Zuſammenfallen **) des Ob-
und Subjekts erklärt? Woher hat er Subjekt, was iſt das für ein Ding,
wie unterſcheidet er das Objekt in ihm 〈Ob- + Subjekt〉 von ihm 30
〈Sub- — Objekt〉? Iſt Objekt nicht ein weites leeres Quantitäts-
*) wiewohl das Bewuſtſein nie eine Thätigkeit, nicht einmal die eigne ganz
erſchöpfen kan, ſo wenig als das Sehen das Sehen ſieht. Das Ob-/Subjekt iſt wie
die wolfiſche Einheit des Mannigfaltigen. Man kan keinen einzigen Schlus aus
dieſer Rechnungsmünze widerlegen; und am Ende hat man doch nichts. 35
**) und was heiſſet wieder das, d. h. welche Anſchauung hab ich davon?
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/268>, abgerufen am 29.06.2024.
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