Möge der feindselige Genius, der dich begleitet und hinunterzieht, einmal von dir weichen, eh du verloren bist.
357. An Thieriot.[282]5
Weimar d. 7. Dec. 99.
Mein guter Thieriot! Die späte Heimkunft Ihrer Epigrammen ist fast eines auf den guten W[ieland], der sie anfangs beherbergen wolte und dan doch Gott weis warum gehen lies. Ihre Vorrede dazu ist vortreflich.10
Die Aurora geht erst anno 1 auf, was mir in der Werkstat meines Titans lieb ist.
Lesen Sie doch Jacobi an Fichte, was ich im Mspt schon gelesen; und Neeb's "Vernunft gegen Vernunft" die mir Jakobi empfahl und ich andern. Ich size jezt ganz im babylonischen Thurm des Fichtianis-15 mus fest, vol Bewunderung des Architekten und vol Unglauben an die Höhe, wozu er ihn bauen wil. Ich halte jezt die Luftschlösser der philosophischen Lehrgebäude für eigentliche Spizbubenherbergen und Schwefelhütten. Können Sie mir nicht vom philosophischen Magazin das Stük mit dem Aufsaze "Ideen zu einer Apodiktik" bei Beigang20 verschaffen?
Die Reisen unter Sonne etc. hat ein guter Mensch in Erfurt, Borg denk' ich, geschrieben; Spangenberg aber die Zauberlaterne, die sehr gut besser ist.
Wieland macht seine Gespräche unter 4 Augen durch eine neue25 Dezemberblüte seines immer treibenden Geistes wieder gut, "Briefe über Aristip". Ich arbeite am 2ten Band des Titans; Göthe am Vol- tairschen Muhammed; Herder sezt den anti- und metakritischen Kampf fort.
Schreiben Sie mir viel, Lieber, und nehmen ganz schwarze Dinte,30 die ich dan -- das ist meine Sache -- schon vom grauen Papier unter- scheiden wil. Mög' Ihnen der Kaiser Justinian und seine Frau sanfter thun als den Klienten! Schreiben Sie mir noch weit mehr litterarische Novellen als ich!
Richter
Sind meine Briefe etc. irgend wo rezensiert?35
17*
356. An Samuel Richter.
[Kopie][Weimar, Nov. oder Dez. 1799]
Möge der feindſelige Genius, der dich begleitet und hinunterzieht, einmal von dir weichen, eh du verloren biſt.
357. An Thieriot.[282]5
Weimar d. 7. Dec. 99.
Mein guter Thieriot! Die ſpäte Heimkunft Ihrer Epigrammen iſt faſt eines auf den guten W[ieland], der ſie anfangs beherbergen wolte und dan doch Gott weis warum gehen lies. Ihre Vorrede dazu iſt vortreflich.10
Die Aurora geht erſt anno 1 auf, was mir in der Werkſtat meines Titans lieb iſt.
Leſen Sie doch Jacobi an Fichte, was ich im Mſpt ſchon geleſen; und Neeb’s „Vernunft gegen Vernunft“ die mir Jakobi empfahl und ich andern. Ich ſize jezt ganz im babyloniſchen Thurm des Fichtianiſ-15 mus feſt, vol Bewunderung des Architekten und vol Unglauben an die Höhe, wozu er ihn bauen wil. Ich halte jezt die Luftſchlöſſer der philoſophiſchen Lehrgebäude für eigentliche Spizbubenherbergen und Schwefelhütten. Können Sie mir nicht vom philoſophiſchen Magazin das Stük mit dem Aufſaze „Ideen zu einer Apodiktik“ bei Beigang20 verſchaffen?
Die Reiſen unter Sonne ꝛc. hat ein guter Menſch in Erfurt, Borg denk’ ich, geſchrieben; Spangenberg aber die Zauberlaterne, die ſehr gut 〈beſſer〉 iſt.
Wieland macht ſeine Geſpräche unter 4 Augen durch eine neue25 Dezemberblüte ſeines immer treibenden Geiſtes wieder gut, „Briefe über Ariſtip“. Ich arbeite am 2ten Band des Titans; Göthe am Vol- tairſchen Muhammed; Herder ſezt den anti- und metakritiſchen Kampf fort.
Schreiben Sie mir viel, Lieber, und nehmen ganz ſchwarze Dinte,30 die ich dan — das iſt meine Sache — ſchon vom grauen Papier unter- ſcheiden wil. Mög’ Ihnen der Kaiſer Juſtinian und ſeine Frau ſanfter thun als den Klienten! Schreiben Sie mir noch weit mehr litterariſche Novellen als ich!
Richter
Sind meine Briefe ꝛc. irgend wo rezenſiert?35
17*
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356. An Samuel Richter.
[Weimar, Nov. oder Dez. 1799]
Möge der feindſelige Genius, der dich begleitet und hinunterzieht,
einmal von dir weichen, eh du verloren biſt.
357. An Thieriot. 5
Weimar d. 7. Dec. 99.
Mein guter Thieriot! Die ſpäte Heimkunft Ihrer Epigrammen iſt
faſt eines auf den guten W[ieland], der ſie anfangs beherbergen wolte
und dan doch Gott weis warum gehen lies. Ihre Vorrede dazu iſt
vortreflich. 10
Die Aurora geht erſt anno 1 auf, was mir in der Werkſtat meines
Titans lieb iſt.
Leſen Sie doch Jacobi an Fichte, was ich im Mſpt ſchon geleſen;
und Neeb’s „Vernunft gegen Vernunft“ die mir Jakobi empfahl und
ich andern. Ich ſize jezt ganz im babyloniſchen Thurm des Fichtianiſ- 15
mus feſt, vol Bewunderung des Architekten und vol Unglauben an
die Höhe, wozu er ihn bauen wil. Ich halte jezt die Luftſchlöſſer der
philoſophiſchen Lehrgebäude für eigentliche Spizbubenherbergen und
Schwefelhütten. Können Sie mir nicht vom philoſophiſchen Magazin
das Stük mit dem Aufſaze „Ideen zu einer Apodiktik“ bei Beigang 20
verſchaffen?
Die Reiſen unter Sonne ꝛc. hat ein guter Menſch in Erfurt, Borg
denk’ ich, geſchrieben; Spangenberg aber die Zauberlaterne, die
ſehr gut 〈beſſer〉 iſt.
Wieland macht ſeine Geſpräche unter 4 Augen durch eine neue 25
Dezemberblüte ſeines immer treibenden Geiſtes wieder gut, „Briefe
über Ariſtip“. Ich arbeite am 2ten Band des Titans; Göthe am Vol-
tairſchen Muhammed; Herder ſezt den anti- und metakritiſchen Kampf
fort.
Schreiben Sie mir viel, Lieber, und nehmen ganz ſchwarze Dinte, 30
die ich dan — das iſt meine Sache — ſchon vom grauen Papier unter-
ſcheiden wil. Mög’ Ihnen der Kaiſer Juſtinian und ſeine Frau ſanfter
thun als den Klienten! Schreiben Sie mir noch weit mehr litterariſche
Novellen als ich!
Richter
Sind meine Briefe ꝛc. irgend wo rezenſiert? 35
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/275>, abgerufen am 27.07.2024.
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