heute nicht.) Weiße suchte mich im Konzert (er wolte mich anfangs besuchen, aber ich besuchte ihn und sah Frau und Kinder) und richtete mir ein Versprechen von Thümmel aus: "ich solle sehen, in den künftigen Theilen der Mitt[äglichen] Reis. sei er besser keuscher." Aber Weisse der den 6ten im Mspt hat (und der 7. komt noch) sagt, er merke wenig5 davon. Er ist ein ehrwürdiger verbindlicher freundlicher Greis aber ohne viel Mark. -- Mich mus hier jeder lesen, und wenn es ihm auch Qualen macht, mus er mich doch wenigstens vom Verleiher holen lassen und durchstöbern. -- Die 2 Töchter der Feind frappieren durch ihre unschuldige, frohe, freie Naivetät: die Mutter gewöhnte sie10 immer unter Manspersonen und dadurch sind sie kalt und lustig; und werden schwerlich bis zum Unsin verliebt. -- Melzer ist ein kraft- voller Weltkenner und ältlich: vielleicht beredet er mich im Winter nach Berlin. -- Ich hätte jezt beinahe auf 3 Wochen jeden Abend ein anderes Absteigequart[i]er. Ich poliere mich unsäglich, ganze Stücken15 fallen ab. -- Es gehören viele Siege über den Sieger dazu, sich zwischen den ziehenden Reizen der 1) Bücher 2) der Schreibereien 3) der Bekantschaften abgewogen einzutheilen. -- Ausser der Berlepsch hab ich noch nirgends hingeschrieben als nach Hof. Aber kein Mensch bedenket meine Lasten: ich habe jezt eine neue Hevristik zu Planen oder20 Geschichtgen erfunden und bekomme so viel Stof, daß ich viel zu bald sterbe. -- Thyiriot (er hat einen humoristischen Bruder) ist besser als ich dachte: meine Kälte nahm seine erkünstelte Sonderbarkeit weg; er ist ein reiner unschuldiger Jüngling, wird aber nie glüklich werden, weil er zu viel Ehrdurst hat. -- Der Kaiser in Rusland lässet alle25 Bücher eh sie erlaubt werden, ins Russische übersezen und dan ver- brennen: der Senat sol ihn für tol erklärt haben, nach andern wurd er vergiftet. -- En face hat mich Pfenni[n]ger gezeichnet: es ist dem [25]Kupferstich nicht im mindesten ähnlich und mir auch nicht -- der Spizbube sieht mir aus den Augen. Das Publikum wird sich in diese30 2 Werke von 1 Meister nicht zu finden wissen. -- Hier ist schwüles Wetter wie im Juny: jede Woche 3 blaue Tage, dan Regen. -- Kausch in Schlesien wurde durch ein Handbillet von Wilhelm III los. -- -- Dieser Brief enthält fast blos die Kapitel-Überschriften meiner Biographien: spänn' ich sie nun so aus wie in diesen und35 wie du haben woltest, so könt' ich keine andern Bücher weiter machen.
heute nicht.) Weiße ſuchte mich im Konzert (er wolte mich anfangs beſuchen, aber ich beſuchte ihn und ſah Frau und Kinder) und richtete mir ein Verſprechen von Thümmel aus: „ich ſolle ſehen, in den künftigen Theilen der Mitt[äglichen] Reiſ. ſei er beſſer 〈keuſcher〉.“ Aber Weiſſe der den 6ten im Mſpt hat (und der 7. komt noch) ſagt, er merke wenig5 davon. Er iſt ein ehrwürdiger verbindlicher freundlicher Greis aber ohne viel Mark. — Mich mus hier jeder leſen, und wenn es ihm auch Qualen macht, mus er mich doch wenigſtens vom Verleiher holen laſſen und durchſtöbern. — Die 2 Töchter der Feind frappieren durch ihre unſchuldige, frohe, freie Naivetät: die Mutter gewöhnte ſie10 immer unter Mansperſonen und dadurch ſind ſie kalt und luſtig; und werden ſchwerlich bis zum Unſin verliebt. — Melzer iſt ein kraft- voller Weltkenner und ältlich: vielleicht beredet er mich im Winter nach Berlin. — Ich hätte jezt beinahe auf 3 Wochen jeden Abend ein anderes Abſteigequart[i]er. Ich poliere mich unſäglich, ganze Stücken15 fallen ab. — Es gehören viele Siege über den Sieger dazu, ſich zwiſchen den ziehenden Reizen der 1) Bücher 2) der Schreibereien 3) der Bekantſchaften abgewogen einzutheilen. — Auſſer der Berlepsch hab ich noch nirgends hingeſchrieben als nach Hof. Aber kein Menſch bedenket meine Laſten: ich habe jezt eine neue Hevriſtik zu Planen oder20 Geſchichtgen erfunden und bekomme ſo viel Stof, daß ich viel zu bald ſterbe. — Thyiriot (er hat einen humoriſtiſchen Bruder) iſt beſſer als ich dachte: meine Kälte nahm ſeine erkünſtelte Sonderbarkeit weg; er iſt ein reiner unſchuldiger Jüngling, wird aber nie glüklich werden, weil er zu viel Ehrdurſt hat. — Der Kaiſer in Rusland läſſet alle25 Bücher eh ſie erlaubt werden, ins Ruſſiſche überſezen und dan ver- brennen: der Senat ſol ihn für tol erklärt haben, nach andern wurd er vergiftet. — En face hat mich Pfenni[n]ger gezeichnet: es iſt dem [25]Kupferſtich nicht im mindeſten ähnlich und mir auch nicht — der Spizbube ſieht mir aus den Augen. Das Publikum wird ſich in dieſe30 2 Werke von 1 Meiſter nicht zu finden wiſſen. — Hier iſt ſchwüles Wetter wie im Juny: jede Woche 3 blaue Tage, dan Regen. — Kauſch in Schleſien wurde durch ein Handbillet von Wilhelm III los. — — Dieſer Brief enthält faſt blos die Kapitel-Überſchriften meiner Biographien: ſpänn’ ich ſie nun ſo aus wie in dieſen und35 wie du haben wolteſt, ſo könt’ ich keine andern Bücher weiter machen.
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mir ein Verſprechen von Thümmel aus: „ich ſolle ſehen, in den künftigen
Theilen der Mitt[äglichen] Reiſ. ſei er beſſer 〈keuſcher〉.“ Aber Weiſſe
der den 6ten im Mſpt hat (und der 7. komt noch) ſagt, er merke wenig 5
davon. Er iſt ein ehrwürdiger verbindlicher freundlicher Greis aber
ohne viel Mark. — Mich mus hier jeder leſen, und wenn es ihm auch
Qualen macht, mus er mich doch wenigſtens vom Verleiher holen
laſſen und durchſtöbern. — Die 2 Töchter der Feind frappieren durch
ihre unſchuldige, frohe, freie Naivetät: die Mutter gewöhnte ſie 10
immer unter Mansperſonen und dadurch ſind ſie kalt und luſtig; und
werden ſchwerlich bis zum Unſin verliebt. — Melzer iſt ein kraft-
voller Weltkenner und ältlich: vielleicht beredet er mich im Winter
nach Berlin. — Ich hätte jezt beinahe auf 3 Wochen jeden Abend ein
anderes Abſteigequart[i]er. Ich poliere mich unſäglich, ganze Stücken 15
fallen ab. — Es gehören viele Siege über den Sieger dazu, ſich
zwiſchen den ziehenden Reizen der 1) Bücher 2) der Schreibereien
3) der Bekantſchaften abgewogen einzutheilen. — Auſſer der Berlepsch
hab ich noch nirgends hingeſchrieben als nach Hof. Aber kein Menſch
bedenket meine Laſten: ich habe jezt eine neue Hevriſtik zu Planen oder 20
Geſchichtgen erfunden und bekomme ſo viel Stof, daß ich viel zu bald
ſterbe. — Thyiriot (er hat einen humoriſtiſchen Bruder) iſt beſſer als
ich dachte: meine Kälte nahm ſeine erkünſtelte Sonderbarkeit weg; er
iſt ein reiner unſchuldiger Jüngling, wird aber nie glüklich werden,
weil er zu viel Ehrdurſt hat. — Der Kaiſer in Rusland läſſet alle 25
Bücher eh ſie erlaubt werden, ins Ruſſiſche überſezen und dan ver-
brennen: der Senat ſol ihn für tol erklärt haben, nach andern wurd er
vergiftet. — En face hat mich Pfenni[n]ger gezeichnet: es iſt dem
Kupferſtich nicht im mindeſten ähnlich und mir auch nicht — der
Spizbube ſieht mir aus den Augen. Das Publikum wird ſich in dieſe 30
2 Werke von 1 Meiſter nicht zu finden wiſſen. — Hier iſt ſchwüles
Wetter wie im Juny: jede Woche 3 blaue Tage, dan Regen. —
Kauſch in Schleſien wurde durch ein Handbillet von Wilhelm III
los. — — Dieſer Brief enthält faſt blos die Kapitel-Überſchriften
meiner Biographien: ſpänn’ ich ſie nun ſo aus wie in dieſen und 35
wie du haben wolteſt, ſo könt’ ich keine andern Bücher weiter
machen.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/28>, abgerufen am 21.11.2024.
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