bilde, ist schwer zu prophezeien, da zu dieser Bildung immer eine äussere Form -- die der Regierung, der Religion etc. -- gehört. Die jezige ist die ungünstigste, die des kleinen Handels. Unser ganzes Jahrhundert, zumal in England, trinkt aus dem merkantilischen Giftbecher; was aber Ihr Volk am tiefsten zerrüttet hat, war die Nothwendigkeit5 weniger des Handels als des kleinen, und die eines gegen Feinde.
Ich habe einen Freund unter Ihrer Nazion "Emanuel in Bay- reuth", mit dem ich wenige Freunde aus der meinigen vergleichen kan -- moralisch-volendet, stark und weich, thätig und denkend, un- erschütterlich und tolerant, für die Erde und den Himmel gemacht.10 Seine Liebe für sein Volk hatte, da er Ihre lieben Briefe sah, viel Antheil an der zweiten Antwort darauf. -- --
Leben Sie getröstet vor dem dunkeln Anblik der Zeit und stellen Sie sich vor -- um es zu werden --, daß das Jahrhundert nur eine Stunde in der Erdenzukunft macht; und dan wird Sie eine flüchtige Wolke,15 die über die Erde wegweht, weniger irren. Antworten Sie mir wieder! -- Und lieben Sie einander unverändert fort; dan brauchen Sie keinen Wunsch im neuen Jahrhundert! --
J. P. F. Richter
[Adr.] Herrn Samuel W. Friedländer, Königsberg in Preussen.
20
372. An Thieriot.[293]
W[eimar] d. lezten v. 1799 [Dienstag].
Eh' ich zur Herzogin Amalie gehe, wo man den lezten Akt des Säkuls mit einigen andern -- von Kotzebue gemachten und von Liebhaber Akteurs gespielten -- Akten feiern und schliessen wil, kan ich25 noch ein Paar Endreime vor meinem lieben Thieriot machen.
Ich dank' Ihnen für die Rezension, die für mich wie alle über mich -- die von Jacobs ausgenommen -- eine zarte vis comica hat, besonders im Loben und Zitieren. Was mein Herz daran erfrischte, war die Theilnahme des seinigen; daher Sie die Beilage nur linde30 nehmen müssen. --
Dem einen Herman sagen Sie, daß ich zu Taschenbüchern nichts geben könte als eines (und also ihm nichts) -- nur meinem geliebten Jacobi kont' ich die Bitte um einen Beitrag nicht versagen. -- Der andere kan sich nie ändern; aber sein Stand auf Einem Hügel des35
bilde, iſt ſchwer zu prophezeien, da zu dieſer Bildung immer eine äuſſere Form — die der Regierung, der Religion ꝛc. — gehört. Die jezige iſt die ungünſtigſte, die des kleinen Handels. Unſer ganzes Jahrhundert, zumal in England, trinkt aus dem merkantiliſchen Giftbecher; was aber Ihr Volk am tiefſten zerrüttet hat, war die Nothwendigkeit5 weniger des Handels als des kleinen, und die eines gegen Feinde.
Ich habe einen Freund unter Ihrer Nazion „Emanuel in Bay- reuth“, mit dem ich wenige Freunde aus der meinigen vergleichen kan — moraliſch-volendet, ſtark und weich, thätig und denkend, un- erſchütterlich und tolerant, für die Erde und den Himmel gemacht.10 Seine Liebe für ſein Volk hatte, da er Ihre lieben Briefe ſah, viel Antheil an der zweiten Antwort darauf. — —
Leben Sie getröſtet vor dem dunkeln Anblik der Zeit und ſtellen Sie ſich vor — um es zu werden —, daß das Jahrhundert nur eine Stunde in der Erdenzukunft macht; und dan wird Sie eine flüchtige Wolke,15 die über die Erde wegweht, weniger irren. Antworten Sie mir wieder! — Und lieben Sie einander unverändert fort; dan brauchen Sie keinen Wunſch im neuen Jahrhundert! —
J. P. F. Richter
[Adr.] Herrn Samuel W. Friedländer, Königsberg in Preuſſen.
20
372. An Thieriot.[293]
W[eimar] d. lezten v. 1799 [Dienstag].
Eh’ ich zur Herzogin Amalie gehe, wo man den lezten Akt des Säkuls mit einigen andern — von Kotzebue gemachten und von Liebhaber Akteurs geſpielten — Akten feiern und ſchlieſſen wil, kan ich25 noch ein Paar Endreime vor meinem lieben Thieriot machen.
Ich dank’ Ihnen für die Rezenſion, die für mich wie alle über mich — die von Jacobs ausgenommen — eine zarte vis comica hat, beſonders im Loben und Zitieren. Was mein Herz daran erfriſchte, war die Theilnahme des ſeinigen; daher Sie die Beilage nur linde30 nehmen müſſen. —
Dem einen Herman ſagen Sie, daß ich zu Taſchenbüchern nichts geben könte als eines (und alſo ihm nichts) — nur meinem geliebten Jacobi kont’ ich die Bitte um einen Beitrag nicht verſagen. — Der andere kan ſich nie ändern; aber ſein Stand auf Einem Hügel des35
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zumal in England, trinkt aus dem merkantiliſchen Giftbecher; was
aber Ihr Volk am tiefſten zerrüttet hat, war die Nothwendigkeit 5
weniger des Handels als des kleinen, und die eines gegen Feinde.
Ich habe einen Freund unter Ihrer Nazion „Emanuel in Bay-
reuth“, mit dem ich wenige Freunde aus der meinigen vergleichen
kan — moraliſch-volendet, ſtark und weich, thätig und denkend, un-
erſchütterlich und tolerant, für die Erde und den Himmel gemacht. 10
Seine Liebe für ſein Volk hatte, da er Ihre lieben Briefe ſah, viel
Antheil an der zweiten Antwort darauf. — —
Leben Sie getröſtet vor dem dunkeln Anblik der Zeit und ſtellen Sie
ſich vor — um es zu werden —, daß das Jahrhundert nur eine Stunde
in der Erdenzukunft macht; und dan wird Sie eine flüchtige Wolke, 15
die über die Erde wegweht, weniger irren. Antworten Sie mir wieder!
— Und lieben Sie einander unverändert fort; dan brauchen Sie keinen
Wunſch im neuen Jahrhundert! —
J. P. F. Richter
[Adr.] Herrn Samuel W. Friedländer, Königsberg in Preuſſen. 20
372. An Thieriot.
W[eimar] d. lezten v. 1799 [Dienstag].
Eh’ ich zur Herzogin Amalie gehe, wo man den lezten Akt des
Säkuls mit einigen andern — von Kotzebue gemachten und von
Liebhaber Akteurs geſpielten — Akten feiern und ſchlieſſen wil, kan ich 25
noch ein Paar Endreime vor meinem lieben Thieriot machen.
Ich dank’ Ihnen für die Rezenſion, die für mich wie alle über mich
— die von Jacobs ausgenommen — eine zarte vis comica hat,
beſonders im Loben und Zitieren. Was mein Herz daran erfriſchte,
war die Theilnahme des ſeinigen; daher Sie die Beilage nur linde 30
nehmen müſſen. —
Dem einen Herman ſagen Sie, daß ich zu Taſchenbüchern nichts
geben könte als eines (und alſo ihm nichts) — nur meinem geliebten
Jacobi kont’ ich die Bitte um einen Beitrag nicht verſagen. — Der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/285>, abgerufen am 26.06.2024.
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