Helikons ist von grössern Alpen und Montsblancs verbauet; seine Seele spiegelt rein, aber klein wieder; der Rosen-Tropfe und das Weltmeer sind Sonnen-Spiegel. Kümmern Sie sich nicht um ihn, aber nehmen Sie alles Positive von ihm an.
Die Kälte von Freitag an bis in die künftige Woche hinein wird alle5 Wettergläser versteinern. Ernstlich man ist des Lebens kaum sicher bei dieser Aussicht.
Meinen Clavis lass' ich vielleicht abgesondert drucken; man rieth es mir der weitern Wirkung halber.
Nent das Gerücht eine aus Eisenach, für die ich auf Freiers Fersen10 auftrete: so lügts.
Vom Titan komt zu Ostern ein dicker Band und ein Bändgen.
-- Schreiben Sie doch einen Roman von einem Virtuosen der ein Jurist wird -- bringen Sie individuelle Züge hinein -- es wird kein individuelles Bild (denn in die Poesie ist kein Wirkliches zu verpflanzen)15 -- mischen Sie ein sentimental[isches] Verhältnis hinein -- fügen Sie Ihre satirischen und humanistischen Fechser bei: -- es wird etwas, (sei es auch nach einigen Jahren) und wenn es so ist, wie Sie es machen [294]können, so schreib' ich eine Vorrede dazu, mein guter Paul! Leben Sie warm und höher-sehnsüchtig in dieser niedrigen Leipziger Zeit! --20
R.
Grüssen Sie die Feinds.
[Beilage]
[Rezension von "Jean Pauls Briefen" in der Erlanger Literaturzeitung, 7. Aug. 1799, Nr. 154]
Auf der Rückreise von der Leipziger Messe nach Weimar, dem jetzigen Wohn- oder Aufenthaltsorte des genialischen und originellen Verf., schrieb er dieses sein letztes Werk in diesem Jahrhundert. Unbefangene und neidlose Leser und Recen- senten werden auch in diesen neuesten Explosionen des reichhaltigen Genies nichts von dem vermissen, was ihn ganz eigentlich und, abgesehen von Annäherungen mit ähnlichen anderer Nationen, charakterisirt. Witz, Gelehrsamkeit, Feinheit der Empfindung und scharfe satirische Züge laufen im leichten Geäder durch diese ganze Dichtung. Unter den Briefen zeichnet sich das Testament für seine künftigen Töchter und der an seinen, auch künftigen, Sohn Hans über die Philosophie aus, welcher letztere mit einer Lobrede auf Herder schließt. Wenn die Einweihung Jean Pauls in den Hutorden und die Beschreibung des Kuhschnappler dejeuner dansant dem Leser das Lächeln der Zufriedenheit und Aufheiterung abzwingt; so entlockt vielleicht, ja sicher eben demselben, hat er Gefühl und Empfänglichkeit, der Schwur der Besserung u. a. Aufsätze ernster Natur, die Thräne der unwillkühr-
Helikons iſt von gröſſern Alpen und Montsblancs verbauet; ſeine Seele ſpiegelt rein, aber klein wieder; der Roſen-Tropfe und das Weltmeer ſind Sonnen-Spiegel. Kümmern Sie ſich nicht um ihn, aber nehmen Sie alles Poſitive von ihm an.
Die Kälte von Freitag an bis in die künftige Woche hinein wird alle5 Wettergläſer verſteinern. Ernſtlich man iſt des Lebens kaum ſicher bei dieſer Ausſicht.
Meinen Clavis laſſ’ ich vielleicht abgeſondert drucken; man rieth es mir der weitern Wirkung halber.
Nent das Gerücht eine aus Eisenach, für die ich auf Freiers Ferſen10 auftrete: ſo lügts.
Vom Titan komt zu Oſtern ein dicker Band und ein Bändgen.
— Schreiben Sie doch einen Roman von einem Virtuoſen der ein Juriſt wird — bringen Sie individuelle Züge hinein — es wird kein individuelles Bild (denn in die Poeſie iſt kein Wirkliches zu verpflanzen)15 — miſchen Sie ein ſentimental[iſches] Verhältnis hinein — fügen Sie Ihre ſatiriſchen und humaniſtiſchen Fechſer bei: — es wird etwas, (ſei es auch nach einigen Jahren) und wenn es ſo iſt, wie Sie es machen [294]können, ſo ſchreib’ ich eine Vorrede dazu, mein guter Paul! Leben Sie warm und höher-ſehnſüchtig in dieſer niedrigen Leipziger Zeit! —20
R.
Grüſſen Sie die Feinds.
[Beilage]
[Rezenſion von „Jean Pauls Briefen“ in der Erlanger Literaturzeitung, 7. Aug. 1799, Nr. 154]
Auf der Rückreiſe von der Leipziger Meſſe nach Weimar, dem jetzigen Wohn- oder Aufenthaltsorte des genialiſchen und originellen Verf., ſchrieb er dieſes ſein letztes Werk in dieſem Jahrhundert. Unbefangene und neidloſe Leſer und Recen- ſenten werden auch in dieſen neueſten Exploſionen des reichhaltigen Genies nichts von dem vermiſſen, was ihn ganz eigentlich und, abgeſehen von Annäherungen mit ähnlichen anderer Nationen, charakteriſirt. Witz, Gelehrſamkeit, Feinheit der Empfindung und ſcharfe ſatiriſche Züge laufen im leichten Geäder durch dieſe ganze Dichtung. Unter den Briefen zeichnet ſich das Teſtament für ſeine künftigen Töchter und der an ſeinen, auch künftigen, Sohn Hans über die Philoſophie aus, welcher letztere mit einer Lobrede auf Herder ſchließt. Wenn die Einweihung Jean Pauls in den Hutorden und die Beſchreibung des Kuhſchnappler dejeuner dansant dem Leſer das Lächeln der Zufriedenheit und Aufheiterung abzwingt; ſo entlockt vielleicht, ja ſicher eben demſelben, hat er Gefühl und Empfänglichkeit, der Schwur der Beſſerung u. a. Aufſätze ernſter Natur, die Thräne der unwillkühr-
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Helikons iſt von gröſſern Alpen und Montsblancs verbauet; ſeine
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Weltmeer ſind Sonnen-Spiegel. Kümmern Sie ſich nicht um ihn,
aber nehmen Sie alles Poſitive von ihm an.
Die Kälte von Freitag an bis in die künftige Woche hinein wird alle 5
Wettergläſer verſteinern. Ernſtlich man iſt des Lebens kaum ſicher
bei dieſer Ausſicht.
Meinen Clavis laſſ’ ich vielleicht abgeſondert drucken; man rieth
es mir der weitern Wirkung halber.
Nent das Gerücht eine aus Eisenach, für die ich auf Freiers Ferſen 10
auftrete: ſo lügts.
Vom Titan komt zu Oſtern ein dicker Band und ein Bändgen.
— Schreiben Sie doch einen Roman von einem Virtuoſen der ein
Juriſt wird — bringen Sie individuelle Züge hinein — es wird kein
individuelles Bild (denn in die Poeſie iſt kein Wirkliches zu verpflanzen) 15
— miſchen Sie ein ſentimental[iſches] Verhältnis hinein — fügen Sie
Ihre ſatiriſchen und humaniſtiſchen Fechſer bei: — es wird etwas, (ſei
es auch nach einigen Jahren) und wenn es ſo iſt, wie Sie es machen
können, ſo ſchreib’ ich eine Vorrede dazu, mein guter Paul! Leben Sie
warm und höher-ſehnſüchtig in dieſer niedrigen Leipziger Zeit! — 20
[294]R.
Grüſſen Sie die Feinds.
[Rezenſion von „Jean Pauls Briefen“ in der Erlanger Literaturzeitung,
7. Aug. 1799, Nr. 154]
Auf der Rückreiſe von der Leipziger Meſſe nach Weimar, dem jetzigen Wohn-
oder Aufenthaltsorte des genialiſchen und originellen Verf., ſchrieb er dieſes ſein
letztes Werk in dieſem Jahrhundert. Unbefangene und neidloſe Leſer und Recen-
ſenten werden auch in dieſen neueſten Exploſionen des reichhaltigen Genies nichts
von dem vermiſſen, was ihn ganz eigentlich und, abgeſehen von Annäherungen mit
ähnlichen anderer Nationen, charakteriſirt. Witz, Gelehrſamkeit, Feinheit der
Empfindung und ſcharfe ſatiriſche Züge laufen im leichten Geäder durch dieſe ganze
Dichtung. Unter den Briefen zeichnet ſich das Teſtament für ſeine künftigen
Töchter und der an ſeinen, auch künftigen, Sohn Hans über die Philoſophie aus,
welcher letztere mit einer Lobrede auf Herder ſchließt. Wenn die Einweihung
Jean Pauls in den Hutorden und die Beſchreibung des Kuhſchnappler dejeuner
dansant dem Leſer das Lächeln der Zufriedenheit und Aufheiterung abzwingt; ſo
entlockt vielleicht, ja ſicher eben demſelben, hat er Gefühl und Empfänglichkeit, der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/286>, abgerufen am 26.06.2024.
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