Wirf doch die Philosophie deiner Gesundheit wegen eine Zeitlang weg und athme nicht immer in diesem Giftfang. Hast du nicht Dicht- kunst und alles andere vor dir? --
Jezt zum grünen Brief. Studiert hab' ich eigentlich Fichte nicht -- und keinen Philosophen ausser dich, der du mir anfangs klar und doch5 jährlich klärer vorkamst --; da ich den Schlüssel d. i. die Prinzipien hatte, kont' ich blättern --; mein Körper leidet seine mir süsse Lektüre nicht lange --; mit dem Schlüssel giebt sich alles und man könte in seine Seele hinein seine künftige Ästhetik deduzieren. -- Deine Rügen, wofür ich dir innig danke, sollen Früchte tragen und haben schon10 Blüten. -- Gieb mir doch an, wo Gerstenbergs Kategorien-Versuch und dessen Brief über deinen stehen. -- Habe Dank für die ersparte Sünde gegen den treflichen Bader; ich kante Bruchstücke seiner Systeme nur aus Hardenbergs Schilderung und -- Lob. -- Dein Wille über Neeb geschieht. -- Bouterweks vortrefliche Apodiktik in 2 Bänden,15 worin ich erst geblättert, ist wieder ein haltbarer Fels unter dem philosophischen Schaum. -- Schad's Darstellung der Leibge[be]rei, die ich eben bekommen, ist sehr hel. -- So hat mich der Teufel jezt in die Philosophie hineingeholet. --
Das Taschenbuch, (das Böttiger im Merkur sehr pries) wie mir20 der Buchhändler hier sagte, "gieng stark", was viel im kargen dürftigen Weimar ist, wo man nur Bücher macht und nicht kauft. Das sei dir genug. -- Wenn du mich zwingst, geb' ich freilich wieder etwas dazu; aber etwas anders als eine Satire begehre nicht. -- Fichte und Fried. Schlegel sind seit langen in Jena. Was hältst du von Tiek? --25
d. 4. Febr.
Heute schliess ich den Clavis, den ich erstlich umgearbeitet zweitens fast gerade verdoppelt habe. Ich wolte, du erlaubtest mir, ihn dir zu dedizieren und deine Beistimmung zu offenbaren, wodurch ich frei- lich mehr mir als dir dediziere. Es mus dir aber nicht im Geringsten[308]30 enge machen; entscheid' es daher nicht gefällig, sondern vertrauend.
Der voltairische göthische Mahomet wurde hier gegeben und hat Herder und mich u. a. durch alle Fehler der gallischen Bühne auf einmal -- die nicht die Kulisse der shakesp[earschen] oder griechischen zu sein verdient -- erzürnt und gepeinigt. Mich erfaste noch der Grol35 gegen die grosse Welt, die ewig der kalten und doch grausamen un-
Wirf doch die Philoſophie deiner Geſundheit wegen eine Zeitlang weg und athme nicht immer in dieſem Giftfang. Haſt du nicht Dicht- kunſt und alles andere vor dir? —
Jezt zum grünen Brief. Studiert hab’ ich eigentlich Fichte nicht — und keinen Philoſophen auſſer dich, der du mir anfangs klar und doch5 jährlich klärer vorkamſt —; da ich den Schlüſſel d. i. die Prinzipien hatte, kont’ ich blättern —; mein Körper leidet ſeine mir ſüſſe Lektüre nicht lange —; mit dem Schlüſſel giebt ſich alles und man könte in ſeine Seele hinein ſeine künftige Äſthetik deduzieren. — Deine Rügen, wofür ich dir innig danke, ſollen Früchte tragen und haben ſchon10 Blüten. — Gieb mir doch an, wo Gerſtenbergs Kategorien-Verſuch und deſſen Brief über deinen ſtehen. — Habe Dank für die erſparte Sünde gegen den treflichen Bader; ich kante Bruchſtücke ſeiner Syſteme nur aus Hardenbergs Schilderung und — Lob. — Dein Wille über Neeb geſchieht. — Bouterweks vortrefliche Apodiktik in 2 Bänden,15 worin ich erſt geblättert, iſt wieder ein haltbarer Fels unter dem philoſophiſchen Schaum. — Schad’s Darſtellung der Leibge[be]rei, die ich eben bekommen, iſt ſehr hel. — So hat mich der Teufel jezt in die Philoſophie hineingeholet. —
Das Taſchenbuch, (das Böttiger im Merkur ſehr pries) wie mir20 der Buchhändler hier ſagte, „gieng ſtark“, was viel im kargen dürftigen Weimar iſt, wo man nur Bücher macht und nicht kauft. Das ſei dir genug. — Wenn du mich zwingſt, geb’ ich freilich wieder etwas dazu; aber etwas anders als eine Satire begehre nicht. — Fichte und Fried. Schlegel ſind ſeit langen in Jena. Was hältſt du von Tiek? —25
d. 4. Febr.
Heute ſchlieſſ ich den Clavis, den ich erſtlich umgearbeitet zweitens faſt gerade verdoppelt habe. Ich wolte, du erlaubteſt mir, ihn dir zu dedizieren und deine Beiſtimmung zu offenbaren, wodurch ich frei- lich mehr mir als dir dediziere. Es mus dir aber nicht im Geringſten[308]30 enge machen; entſcheid’ es daher nicht gefällig, ſondern vertrauend.
Der voltairiſche göthiſche Mahomet wurde hier gegeben und hat Herder und mich u. a. durch alle Fehler der galliſchen Bühne auf einmal — die nicht die Kuliſſe der ſhakeſp[earſchen] oder griechiſchen zu ſein verdient — erzürnt und gepeinigt. Mich erfaſte noch der Grol35 gegen die groſſe Welt, die ewig der kalten und doch grauſamen un-
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Wirf doch die Philoſophie deiner Geſundheit wegen eine Zeitlang
weg und athme nicht immer in dieſem Giftfang. Haſt du nicht Dicht-
kunſt und alles andere vor dir? —
Jezt zum grünen Brief. Studiert hab’ ich eigentlich Fichte nicht —
und keinen Philoſophen auſſer dich, der du mir anfangs klar und doch 5
jährlich klärer vorkamſt —; da ich den Schlüſſel d. i. die Prinzipien
hatte, kont’ ich blättern —; mein Körper leidet ſeine mir ſüſſe Lektüre
nicht lange —; mit dem Schlüſſel giebt ſich alles und man könte in
ſeine Seele hinein ſeine künftige Äſthetik deduzieren. — Deine Rügen,
wofür ich dir innig danke, ſollen Früchte tragen und haben ſchon 10
Blüten. — Gieb mir doch an, wo Gerſtenbergs Kategorien-Verſuch
und deſſen Brief über deinen ſtehen. — Habe Dank für die erſparte
Sünde gegen den treflichen Bader; ich kante Bruchſtücke ſeiner Syſteme
nur aus Hardenbergs Schilderung und — Lob. — Dein Wille über
Neeb geſchieht. — Bouterweks vortrefliche Apodiktik in 2 Bänden, 15
worin ich erſt geblättert, iſt wieder ein haltbarer Fels unter dem
philoſophiſchen Schaum. — Schad’s Darſtellung der Leibge[be]rei,
die ich eben bekommen, iſt ſehr hel. — So hat mich der Teufel jezt
in die Philoſophie hineingeholet. —
Das Taſchenbuch, (das Böttiger im Merkur ſehr pries) wie mir 20
der Buchhändler hier ſagte, „gieng ſtark“, was viel im kargen dürftigen
Weimar iſt, wo man nur Bücher macht und nicht kauft. Das ſei dir
genug. — Wenn du mich zwingſt, geb’ ich freilich wieder etwas dazu;
aber etwas anders als eine Satire begehre nicht. — Fichte und Fried.
Schlegel ſind ſeit langen in Jena. Was hältſt du von Tiek? — 25
d. 4. Febr.
Heute ſchlieſſ ich den Clavis, den ich erſtlich umgearbeitet zweitens
faſt gerade verdoppelt habe. Ich wolte, du erlaubteſt mir, ihn dir
zu dedizieren und deine Beiſtimmung zu offenbaren, wodurch ich frei-
lich mehr mir als dir dediziere. Es mus dir aber nicht im Geringſten 30
enge machen; entſcheid’ es daher nicht gefällig, ſondern vertrauend.
[308]
Der voltairiſche göthiſche Mahomet wurde hier gegeben und hat
Herder und mich u. a. durch alle Fehler der galliſchen Bühne auf
einmal — die nicht die Kuliſſe der ſhakeſp[earſchen] oder griechiſchen
zu ſein verdient — erzürnt und gepeinigt. Mich erfaſte noch der Grol 35
gegen die groſſe Welt, die ewig der kalten und doch grauſamen un-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/299>, abgerufen am 27.07.2024.
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