Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.Wirf doch die Philosophie deiner Gesundheit wegen eine Zeitlang Jezt zum grünen Brief. Studiert hab' ich eigentlich Fichte nicht -- Das Taschenbuch, (das Böttiger im Merkur sehr pries) wie mir20 d. 4. Febr. Heute schliess ich den Clavis, den ich erstlich umgearbeitet zweitens Der voltairische göthische Mahomet wurde hier gegeben und hat Wirf doch die Philoſophie deiner Geſundheit wegen eine Zeitlang Jezt zum grünen Brief. Studiert hab’ ich eigentlich Fichte nicht — Das Taſchenbuch, (das Böttiger im Merkur ſehr pries) wie mir20 d. 4. Febr. Heute ſchlieſſ ich den Clavis, den ich erſtlich umgearbeitet zweitens Der voltairiſche göthiſche Mahomet wurde hier gegeben und hat <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0299" n="283"/> <p>Wirf doch die Philoſophie deiner Geſundheit wegen eine Zeitlang<lb/> weg und athme nicht immer in dieſem Giftfang. Haſt du nicht Dicht-<lb/> kunſt und alles andere vor dir? —</p><lb/> <p>Jezt zum grünen Brief. Studiert hab’ ich eigentlich Fichte nicht —<lb/> und keinen Philoſophen auſſer dich, der du mir anfangs klar und doch<lb n="5"/> jährlich klärer vorkamſt —; da ich den Schlüſſel d. i. die Prinzipien<lb/> hatte, kont’ ich blättern —; mein Körper leidet ſeine mir ſüſſe Lektüre<lb/> nicht lange —; mit dem Schlüſſel giebt ſich alles und man könte in<lb/> ſeine Seele hinein ſeine künftige Äſthetik deduzieren. — Deine Rügen,<lb/> wofür ich dir innig danke, ſollen Früchte tragen und haben ſchon<lb n="10"/> Blüten. — Gieb mir doch an, wo Gerſtenbergs Kategorien-Verſuch<lb/> und deſſen Brief über deinen ſtehen. — Habe Dank für die erſparte<lb/> Sünde gegen den treflichen <hi rendition="#aq">Bader;</hi> ich kante Bruchſtücke ſeiner Syſteme<lb/> nur aus <hi rendition="#aq">Hardenbergs</hi> Schilderung und — Lob. — Dein Wille über<lb/><hi rendition="#aq">Neeb</hi> geſchieht. — Bouterweks vortrefliche Apodiktik in 2 Bänden,<lb n="15"/> worin ich erſt geblättert, iſt wieder ein haltbarer Fels unter dem<lb/> philoſophiſchen Schaum. — <hi rendition="#aq">Schad’s</hi> Darſtellung der Leibge[be]rei,<lb/> die ich eben bekommen, iſt ſehr hel. — So hat mich der Teufel jezt<lb/> in die Philoſophie hineingeholet. —</p><lb/> <p>Das Taſchenbuch, (das Böttiger im Merkur ſehr pries) wie mir<lb n="20"/> der Buchhändler hier ſagte, „gieng ſtark“, was viel im kargen dürftigen<lb/><hi rendition="#aq">Weimar</hi> iſt, wo man nur Bücher macht und nicht kauft. Das ſei dir<lb/> genug. — Wenn du mich zwingſt, geb’ ich freilich wieder etwas dazu;<lb/> aber etwas anders als eine Satire begehre nicht. — <hi rendition="#aq">Fichte</hi> und Fried.<lb/><hi rendition="#aq">Schlegel</hi> ſind ſeit langen in <hi rendition="#aq">Jena.</hi> Was hältſt du von <hi rendition="#aq">Tiek?</hi> —<lb n="25"/> </p> </div><lb/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right">d. 4. Febr.</hi> </dateline><lb/> <p>Heute ſchlieſſ ich den <hi rendition="#aq">Clavis,</hi> den ich erſtlich umgearbeitet zweitens<lb/> faſt gerade <hi rendition="#g">verdoppelt</hi> habe. Ich wolte, du erlaubteſt mir, ihn dir<lb/> zu dedizieren und deine Beiſtimmung zu offenbaren, wodurch ich frei-<lb/> lich mehr mir als dir dediziere. Es mus dir aber nicht im Geringſten<note place="right"><ref target="1922_Bd3_308">[308]</ref></note><lb n="30"/> <hi rendition="#g">enge</hi> machen; entſcheid’ es daher nicht gefällig, ſondern vertrauend.</p><lb/> <p>Der voltairiſche göthiſche <hi rendition="#aq">Mahomet</hi> wurde hier gegeben und hat<lb/><hi rendition="#aq">Herder</hi> und mich u. a. durch alle Fehler der galliſchen Bühne auf<lb/> einmal — die nicht die Kuliſſe der ſhakeſp[earſchen] oder griechiſchen<lb/> zu ſein verdient — erzürnt und gepeinigt. Mich erfaſte noch der Grol<lb n="35"/> gegen die groſſe Welt, die ewig der kalten und doch grauſamen un-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [283/0299]
Wirf doch die Philoſophie deiner Geſundheit wegen eine Zeitlang
weg und athme nicht immer in dieſem Giftfang. Haſt du nicht Dicht-
kunſt und alles andere vor dir? —
Jezt zum grünen Brief. Studiert hab’ ich eigentlich Fichte nicht —
und keinen Philoſophen auſſer dich, der du mir anfangs klar und doch 5
jährlich klärer vorkamſt —; da ich den Schlüſſel d. i. die Prinzipien
hatte, kont’ ich blättern —; mein Körper leidet ſeine mir ſüſſe Lektüre
nicht lange —; mit dem Schlüſſel giebt ſich alles und man könte in
ſeine Seele hinein ſeine künftige Äſthetik deduzieren. — Deine Rügen,
wofür ich dir innig danke, ſollen Früchte tragen und haben ſchon 10
Blüten. — Gieb mir doch an, wo Gerſtenbergs Kategorien-Verſuch
und deſſen Brief über deinen ſtehen. — Habe Dank für die erſparte
Sünde gegen den treflichen Bader; ich kante Bruchſtücke ſeiner Syſteme
nur aus Hardenbergs Schilderung und — Lob. — Dein Wille über
Neeb geſchieht. — Bouterweks vortrefliche Apodiktik in 2 Bänden, 15
worin ich erſt geblättert, iſt wieder ein haltbarer Fels unter dem
philoſophiſchen Schaum. — Schad’s Darſtellung der Leibge[be]rei,
die ich eben bekommen, iſt ſehr hel. — So hat mich der Teufel jezt
in die Philoſophie hineingeholet. —
Das Taſchenbuch, (das Böttiger im Merkur ſehr pries) wie mir 20
der Buchhändler hier ſagte, „gieng ſtark“, was viel im kargen dürftigen
Weimar iſt, wo man nur Bücher macht und nicht kauft. Das ſei dir
genug. — Wenn du mich zwingſt, geb’ ich freilich wieder etwas dazu;
aber etwas anders als eine Satire begehre nicht. — Fichte und Fried.
Schlegel ſind ſeit langen in Jena. Was hältſt du von Tiek? — 25
d. 4. Febr.
Heute ſchlieſſ ich den Clavis, den ich erſtlich umgearbeitet zweitens
faſt gerade verdoppelt habe. Ich wolte, du erlaubteſt mir, ihn dir
zu dedizieren und deine Beiſtimmung zu offenbaren, wodurch ich frei-
lich mehr mir als dir dediziere. Es mus dir aber nicht im Geringſten 30
enge machen; entſcheid’ es daher nicht gefällig, ſondern vertrauend.
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Der voltairiſche göthiſche Mahomet wurde hier gegeben und hat
Herder und mich u. a. durch alle Fehler der galliſchen Bühne auf
einmal — die nicht die Kuliſſe der ſhakeſp[earſchen] oder griechiſchen
zu ſein verdient — erzürnt und gepeinigt. Mich erfaſte noch der Grol 35
gegen die groſſe Welt, die ewig der kalten und doch grauſamen un-
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(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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