poetischen Zeremonial-Bühne der Gallier anhieng und anhängt, weil sie selber auf einer frappant ähnlichen agiert.
Mit Herder leb' ich, wiewohl immer in philosophischen Kriegen, im alten Seelenbunde und noch enger fort; fast einen Tag über den andern sehen wir uns. Blutig werd' ich aus dieser liebenden Familie5 scheiden. Denn ich hasse Weimar und räum' es, wenn ich meine Caro- line habe. Von dieser wil ich dir in einem andern Briefe schreiben, und über manches andere in deinem.
Die Apodiktik bezaubert mich durch den Scharfsin und die herliche Entwiklung; ich kan kaum los. -- Wieland kan man lieben, wie man10 ein schönes Kind liebt; man erwartet nicht, daß es einen wieder liebe. Das Gleichnis gehört deiner Sülli.
Leb wohl, mein Theuerer! Mit Sehnsucht und Liebe grüss' ich deine Schwestern. Lebe wohl!
Richter
Sende deine Briefe auf dem alten Wege. Meiner geht erst über-15 morgen ab.
392. An Emilie von Berlepsch in Edinburg.
[Kopie][Weimar, 5. Febr. 1800]
Seelentros -- wir werden in der Freundschaft nicht die Mistöne der Gasse hören. -- Möge kein neuer Schmerz in die so oft getheilte20 Seele greifen.
393. An Christian Otto.
Weimar d. 20 Jenn. 1800.
Lieber Otto! Denk' aber nicht, daß du den Brief schon hast; der [309]Himmel und die arbeits-schwangere Zukunft wissen, wie lang' er25 liegen bleibt. Heute sandt' ich den Postpferden einstweilen 6 Briefe. An dich und Jakobi erlass' ich die längsten; an diesen keine Fakta sondern Betrachtungen. So wie jezt thut es einem wohl, wo man frei in seinen epistolarischen Wellen treibt und plätschert und keinen Post- bericht als Lettre de cachet befürchtet.30
Heute wil ich dir noch nichts beantworten, sondern nur erzählen. -- Ein kantianischer Tropf lies an mich und Herder ein dummes Send- schreiben drucken; die Palingenesien betreffend; er heisset D. Erhard. Er sol nie merken, daß ich den Narren gelesen. Ein edler Ungenanter
poetiſchen Zeremonial-Bühne der Gallier anhieng und anhängt, weil ſie ſelber auf einer frappant ähnlichen agiert.
Mit Herder leb’ ich, wiewohl immer in philoſophiſchen Kriegen, im alten Seelenbunde und noch enger fort; faſt einen Tag über den andern ſehen wir uns. Blutig werd’ ich aus dieſer liebenden Familie5 ſcheiden. Denn ich haſſe Weimar und räum’ es, wenn ich meine Caro- line habe. Von dieſer wil ich dir in einem andern Briefe ſchreiben, und über manches andere in deinem.
Die Apodiktik bezaubert mich durch den Scharfſin und die herliche Entwiklung; ich kan kaum los. — Wieland kan man lieben, wie man10 ein ſchönes Kind liebt; man erwartet nicht, daß es einen wieder liebe. Das Gleichnis gehört deiner Sülli.
Leb wohl, mein Theuerer! Mit Sehnſucht und Liebe grüſſ’ ich deine Schweſtern. Lebe wohl!
Richter
Sende deine Briefe auf dem alten Wege. Meiner geht erſt über-15 morgen ab.
392. An Emilie von Berlepſch in Edinburg.
[Kopie][Weimar, 5. Febr. 1800]
Seelentros — wir werden in der Freundſchaft nicht die Mistöne der Gaſſe hören. — Möge kein neuer Schmerz in die ſo oft getheilte20 Seele greifen.
393. An Chriſtian Otto.
Weimar d. 20 Jenn. 1800.
Lieber Otto! Denk’ aber nicht, daß du den Brief ſchon haſt; der [309]Himmel und die arbeits-ſchwangere Zukunft wiſſen, wie lang’ er25 liegen bleibt. Heute ſandt’ ich den Poſtpferden einſtweilen 6 Briefe. An dich und Jakobi erlaſſ’ ich die längſten; an dieſen keine Fakta ſondern Betrachtungen. So wie jezt thut es einem wohl, wo man frei in ſeinen epiſtolariſchen Wellen treibt und plätſchert und keinen Poſt- bericht als Lettre de cachet befürchtet.30
Heute wil ich dir noch nichts beantworten, ſondern nur erzählen. — Ein kantianiſcher Tropf lies an mich und Herder ein dummes Send- ſchreiben drucken; die Palingenesien betreffend; er heiſſet D. Erhard. Er ſol nie merken, daß ich den Narren geleſen. Ein edler Ungenanter
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poetiſchen Zeremonial-Bühne der Gallier anhieng und anhängt, weil
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Mit Herder leb’ ich, wiewohl immer in philoſophiſchen Kriegen,
im alten Seelenbunde und noch enger fort; faſt einen Tag über den
andern ſehen wir uns. Blutig werd’ ich aus dieſer liebenden Familie 5
ſcheiden. Denn ich haſſe Weimar und räum’ es, wenn ich meine Caro-
line habe. Von dieſer wil ich dir in einem andern Briefe ſchreiben, und
über manches andere in deinem.
Die Apodiktik bezaubert mich durch den Scharfſin und die herliche
Entwiklung; ich kan kaum los. — Wieland kan man lieben, wie man 10
ein ſchönes Kind liebt; man erwartet nicht, daß es einen wieder liebe.
Das Gleichnis gehört deiner Sülli.
Leb wohl, mein Theuerer! Mit Sehnſucht und Liebe grüſſ’ ich deine
Schweſtern. Lebe wohl!
Richter
Sende deine Briefe auf dem alten Wege. Meiner geht erſt über- 15
morgen ab.
392. An Emilie von Berlepſch in Edinburg.
[Weimar, 5. Febr. 1800]
Seelentros — wir werden in der Freundſchaft nicht die Mistöne
der Gaſſe hören. — Möge kein neuer Schmerz in die ſo oft getheilte 20
Seele greifen.
393. An Chriſtian Otto.
Weimar d. 20 Jenn. 1800.
Lieber Otto! Denk’ aber nicht, daß du den Brief ſchon haſt; der
Himmel und die arbeits-ſchwangere Zukunft wiſſen, wie lang’ er 25
liegen bleibt. Heute ſandt’ ich den Poſtpferden einſtweilen 6 Briefe.
An dich und Jakobi erlaſſ’ ich die längſten; an dieſen keine Fakta
ſondern Betrachtungen. So wie jezt thut es einem wohl, wo man frei
in ſeinen epiſtolariſchen Wellen treibt und plätſchert und keinen Poſt-
bericht als Lettre de cachet befürchtet. 30
[309]Heute wil ich dir noch nichts beantworten, ſondern nur erzählen. —
Ein kantianiſcher Tropf lies an mich und Herder ein dummes Send-
ſchreiben drucken; die Palingenesien betreffend; er heiſſet D. Erhard.
Er ſol nie merken, daß ich den Narren geleſen. Ein edler Ungenanter
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/300>, abgerufen am 26.06.2024.
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