gut, ohne sehr viel zu befolgen. Wo ichs am meisten und mit dem grösten Nuzen that, war bei der über das Erzählungsspiel. Du wagst oft zu wenig und zweitens scheinst du ordentlich eine Abneigung gegen allen Gestank zu haben; schon das Wort Riechen vertreibt dich. Dieser Ekel herscht nicht einmal mehr in den höhern Ständen; und daher folg5 ich lieber meiner Vernunft als deinem -- und meinem -- Gefühl.
Die beiliegenden Briefe schicke mit dem nöthigen Avertissement, das[314] du selber erst bekomst -- weil ich auf morgendliche, und gewis günstige Nachrichten hoffe -- an Oertel; ausgenommen seinen Brief und die der Berlepsch (die er misversteht; und ich habe keine Regel des Brief-10 mittheilens als die, daß sie der andere wie ich nehme)
Die Tagebücher der Berlepsch hab*) ich dir wohl auch nicht ge- schikt. Diese kanst du ihm geben.
Mein Herz schmachtet nach meiner C. und Gott hat uns beide für einander erzogen. Ach wie must' ich Irwege betreten so hart neben15 dem richtigen Weg! Die gute, sich selber nur nicht fassende Charlotte K[alb] hat viel zu verantworten und doch hat sie mehr auf meine Urtheile als Gefühle und Thaten gewirkt. Wie wollen wir ich und C. unsere gegenseitigen Unähnlichkeiten auswechseln und gerade dadurch ähnlich werden! --20
Mit Ch. K[alb] bin ich ausser Verhältnis; aber durch ihre Schuld. Meine Seele sol nie eine Liebe über die höchste vergessen; und eben so wil ich der edeln Emilie B[erlepsch] sein, was ich kan und darf. Ich kan ihr keine heissere und heiligere Freundin geben als meine C.
d. 5. Feb.25
Heute wurde mein Schiksal mit C. entschieden. -- Sie gestand im Dezember ihrer Mutter das Verhältnis; und schrieb mir, sie werde nicht eher schreiben als nach der Entscheidung. -- Auch ich schwieg, um sie keiner kompromittierenden Frage auszusezen. Endlich kam von Kühnert Vid. 1. (Lies aber immer die angezeigten Briefe, weil du30 sonst mich hier nicht verstehst). -- Es kam nichts. -- Ernestine meldete mir die Stürme; die Herzogin nahm die Leidende in Schuz. Vid. 2. 3. Kühnert schrieb wieder vid. 4. Das paste nicht für meinen
*) Apropos! Zieh' doch einmal deine teleologischen Syllogismen aus dem obigen Krüpel-H! Aber ernsthaft! Ich glaube selber an die Mimik der Handschrift.35 Der ganze Böttiger, Lavater, Schiller, Wieland, Richter stekt jeder in seiner.
19 Jean Paul Briefe. III.
gut, ohne ſehr viel zu befolgen. Wo ichs am meiſten und mit dem gröſten Nuzen that, war bei der über das Erzählungsſpiel. Du wagſt oft zu wenig und zweitens ſcheinſt du ordentlich eine Abneigung gegen allen Geſtank zu haben; ſchon das Wort Riechen vertreibt dich. Dieſer Ekel herſcht nicht einmal mehr in den höhern Ständen; und daher folg5 ich lieber meiner Vernunft als deinem — und meinem — Gefühl.
Die beiliegenden Briefe ſchicke mit dem nöthigen Avertiſſement, das[314] du ſelber erſt bekomſt — weil ich auf morgendliche, und gewis günſtige Nachrichten hoffe — an Oertel; ausgenommen ſeinen Brief und die der Berlepsch (die er misverſteht; und ich habe keine Regel des Brief-10 mittheilens als die, daß ſie der andere wie ich nehme)
Die Tagebücher der Berlepsch hab*) ich dir wohl auch nicht ge- ſchikt. Dieſe kanſt du ihm geben.
Mein Herz ſchmachtet nach meiner C. und Gott hat uns beide für einander erzogen. Ach wie muſt’ ich Irwege betreten ſo hart neben15 dem richtigen Weg! Die gute, ſich ſelber nur nicht faſſende Charlotte K[alb] hat viel zu verantworten und doch hat ſie mehr auf meine Urtheile als Gefühle und Thaten gewirkt. Wie wollen wir 〈ich und C.〉 unſere gegenſeitigen Unähnlichkeiten auswechſeln und gerade dadurch ähnlich werden! —20
Mit Ch. K[alb] bin ich auſſer Verhältnis; aber durch ihre Schuld. Meine Seele ſol nie eine Liebe über die höchſte vergeſſen; und eben ſo wil ich der edeln Emilie B[erlepsch] ſein, was ich kan und darf. Ich kan ihr keine heiſſere und heiligere Freundin geben als meine C.
d. 5. Feb.25
Heute wurde mein Schikſal mit C. entſchieden. — Sie geſtand im Dezember ihrer Mutter das Verhältnis; und ſchrieb mir, ſie werde nicht eher ſchreiben als nach der Entſcheidung. — Auch ich ſchwieg, um ſie keiner kompromittierenden Frage auszuſezen. Endlich kam von Kühnert Vid. 1. (Lies aber immer die angezeigten Briefe, weil du30 ſonſt mich hier nicht verſtehſt). — Es kam nichts. — Ernestine meldete mir die Stürme; die Herzogin nahm die Leidende in Schuz. Vid. 2. 3. Kühnert ſchrieb wieder vid. 4. Das paſte nicht für meinen
*) Apropos! Zieh’ doch einmal deine teleologiſchen Syllogiſmen aus dem obigen Krüpel-H! Aber ernſthaft! Ich glaube ſelber an die Mimik der Handſchrift.35 Der ganze Böttiger, Lavater, Schiller, Wieland, Richter ſtekt jeder in ſeiner.
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gut, ohne ſehr viel zu befolgen. Wo ichs am meiſten und mit dem
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oft zu wenig und zweitens ſcheinſt du ordentlich eine Abneigung gegen
allen Geſtank zu haben; ſchon das Wort Riechen vertreibt dich. Dieſer
Ekel herſcht nicht einmal mehr in den höhern Ständen; und daher folg 5
ich lieber meiner Vernunft als deinem — und meinem — Gefühl.
Die beiliegenden Briefe ſchicke mit dem nöthigen Avertiſſement, das
du ſelber erſt bekomſt — weil ich auf morgendliche, und gewis günſtige
Nachrichten hoffe — an Oertel; ausgenommen ſeinen Brief und die
der Berlepsch (die er misverſteht; und ich habe keine Regel des Brief- 10
mittheilens als die, daß ſie der andere wie ich nehme)
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Die Tagebücher der Berlepsch hab *) ich dir wohl auch nicht ge-
ſchikt. Dieſe kanſt du ihm geben.
Mein Herz ſchmachtet nach meiner C. und Gott hat uns beide für
einander erzogen. Ach wie muſt’ ich Irwege betreten ſo hart neben 15
dem richtigen Weg! Die gute, ſich ſelber nur nicht faſſende Charlotte
K[alb] hat viel zu verantworten und doch hat ſie mehr auf meine
Urtheile als Gefühle und Thaten gewirkt. Wie wollen wir 〈ich und
C.〉 unſere gegenſeitigen Unähnlichkeiten auswechſeln und gerade
dadurch ähnlich werden! — 20
Mit Ch. K[alb] bin ich auſſer Verhältnis; aber durch ihre Schuld.
Meine Seele ſol nie eine Liebe über die höchſte vergeſſen; und eben ſo
wil ich der edeln Emilie B[erlepsch] ſein, was ich kan und darf. Ich
kan ihr keine heiſſere und heiligere Freundin geben als meine C.
d. 5. Feb. 25
Heute wurde mein Schikſal mit C. entſchieden. — Sie geſtand im
Dezember ihrer Mutter das Verhältnis; und ſchrieb mir, ſie werde
nicht eher ſchreiben als nach der Entſcheidung. — Auch ich ſchwieg, um
ſie keiner kompromittierenden Frage auszuſezen. Endlich kam von
Kühnert Vid. 1. (Lies aber immer die angezeigten Briefe, weil du 30
ſonſt mich hier nicht verſtehſt). — Es kam nichts. — Ernestine
meldete mir die Stürme; die Herzogin nahm die Leidende in Schuz.
Vid. 2. 3. Kühnert ſchrieb wieder vid. 4. Das paſte nicht für meinen
*) Apropos! Zieh’ doch einmal deine teleologiſchen Syllogiſmen aus dem
obigen Krüpel-H! Aber ernſthaft! Ich glaube ſelber an die Mimik der Handſchrift. 35
Der ganze Böttiger, Lavater, Schiller, Wieland, Richter ſtekt jeder in ſeiner.
19 Jean Paul Briefe. III.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/305>, abgerufen am 28.07.2024.
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