Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.Weimar d. 3. März 1800. Heute erhielt ich deinen Brief. Du lieber Kranker! Gott kent deine Mein guter Heinrich, sage mir doch einmal bei Gelegenheit wieder,[327] Der Archimetra ist wie mir Böttiger gesagt, Thornild [!], ein25 Die Vorrede jage sogleich mit einem Sedez-Briefgen zurük -- Ich schwöre dir, ich schreibe an andere tiefsinnigere Briefe als an dich; Weimar d. 3. März 1800. Heute erhielt ich deinen Brief. Du lieber Kranker! Gott kent deine Mein guter Heinrich, ſage mir doch einmal bei Gelegenheit wieder,[327] Der Archimetra iſt wie mir Böttiger geſagt, Thornild [!], ein25 Die Vorrede jage ſogleich mit einem Sedez-Briefgen zurük — Ich ſchwöre dir, ich ſchreibe an andere tiefſinnigere Briefe als an dich; <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <pb facs="#f0317" n="301"/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Weimar</hi> d. 3. März 1800.</hi> </dateline><lb/> <p>Heute erhielt ich deinen Brief. Du lieber Kranker! Gott kent deine<lb/> diätetiſchen Sünden, aber wahrſcheinlich nicht du und der Arzt. Ich<lb/> weis aus meinem Beiſpiel, wie man dieſen entbehren kan und doch<lb/> zuweilen ſtraflos ſündigen. — Schon in meiner Anfrage lag die Ahnung<lb n="5"/> ihrer Beantwortung. Die hier folgende Vorrede erwartet dein Urtheil<lb/> über mein Rechtmachen. Sage nur blos Nein, — ohne Gründe, ich<lb/> vertraue dem Herzen; denn Gründe ſind für alles zu finden, wie die<lb/> Weiber wiſſen. — Fichte’s Brief hat mir doch durch ſein mir ab-<lb/> geſtohlnes Urtheil über deine ſtraffe Denk-Sehne oder Senne Freude<lb n="10"/> gegeben. — Je näher ſein kalter wiſſenſchaftslehrender Mond zu mir<lb/> niederkomt, deſto mehr wird mir deſſen Licht nur Erde und Gras u. ſ. w.,<lb/> ſo daß ich — wegen der Leichtigkeit der Einwürfe — <hi rendition="#g">befürchte,</hi> ihn<lb/> zu misverſtehen; und daher wend’ es für die Vorrede ab, fals etwas<lb/> davon gegen ſie gälte.<lb n="15"/> </p><lb/> <p>Mein guter Heinrich, ſage mir doch einmal bei Gelegenheit wieder,<note place="right"><ref target="1922_Bd3_327">[327]</ref></note><lb/> daß du mich lieb haſt. Ich wil gleich den Mädgen, daſſelbe wenn nicht<lb/> Trillionen- doch Millionenmal wiederholen hören. Es iſt die ſtumpfeſte<lb/> Unkunde des heiligen Geiſtes der Liebe — der die einzige Ausſöhnung<lb/> mit dem platten dürren Erdenleben iſt —, die ewigen Refrains der<lb n="20"/> Verſicherungen in Briefen der Liebe zu tadeln. Die Worte der Liebe<lb/> ſind Werke der Liebe; ſie ſind nicht Schälle ſondern Töne und die alten<lb/> Töne führen immer die alten Wellen wieder zu. — Über meine <hi rendition="#aq">Caro-<lb/> line</hi> kan ich jezt wieder nicht reden.</p><lb/> <p>Der <hi rendition="#aq">Archimetra</hi> iſt wie mir <hi rendition="#aq">Böttiger</hi> geſagt, <hi rendition="#aq">Thornild</hi> [!], ein<lb n="25"/> Schwede, Bibliothekar in Greifswald. — Über das Beitragen zum<lb/> Taſchenbuch gebieteſt du nicht nur das <hi rendition="#g">Daß</hi> ſondern ſogar das <hi rendition="#g">Das,</hi><lb/> Bruder. Eine meiner beſten Satiren (die aber in <hi rendition="#aq">Berlin</hi> der Zenſur<lb/> zuwider war) Leibgebers Leichenrede auf einen fürſtlichen Magen<lb/> — nebſt noch etwas ſanftern — geb’ ich gern dazu, wenn du jene nicht<lb n="30"/> zu diſſon mit dem Ganzen findeſt.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Die Vorrede jage</hi><hi rendition="#b">ſogleich</hi> mit einem Sedez-Briefgen zurük —<lb/> des Sezers wegen.</p><lb/> <p>Ich ſchwöre dir, ich ſchreibe an andere tiefſinnigere Briefe als an dich;<lb/> aber bei jenen wil ich lehren, bei dir lernen und frage alſo nach nichts.<lb n="35"/> Allein du ſagſt zu ſelten — Nein; Ja ohnehin nicht und ich erwart’ es<lb/> auch nicht. Du ſolteſt nur wiſſen, was täglich und wie eilig; und nicht<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [301/0317]
Weimar d. 3. März 1800.
Heute erhielt ich deinen Brief. Du lieber Kranker! Gott kent deine
diätetiſchen Sünden, aber wahrſcheinlich nicht du und der Arzt. Ich
weis aus meinem Beiſpiel, wie man dieſen entbehren kan und doch
zuweilen ſtraflos ſündigen. — Schon in meiner Anfrage lag die Ahnung 5
ihrer Beantwortung. Die hier folgende Vorrede erwartet dein Urtheil
über mein Rechtmachen. Sage nur blos Nein, — ohne Gründe, ich
vertraue dem Herzen; denn Gründe ſind für alles zu finden, wie die
Weiber wiſſen. — Fichte’s Brief hat mir doch durch ſein mir ab-
geſtohlnes Urtheil über deine ſtraffe Denk-Sehne oder Senne Freude 10
gegeben. — Je näher ſein kalter wiſſenſchaftslehrender Mond zu mir
niederkomt, deſto mehr wird mir deſſen Licht nur Erde und Gras u. ſ. w.,
ſo daß ich — wegen der Leichtigkeit der Einwürfe — befürchte, ihn
zu misverſtehen; und daher wend’ es für die Vorrede ab, fals etwas
davon gegen ſie gälte. 15
Mein guter Heinrich, ſage mir doch einmal bei Gelegenheit wieder,
daß du mich lieb haſt. Ich wil gleich den Mädgen, daſſelbe wenn nicht
Trillionen- doch Millionenmal wiederholen hören. Es iſt die ſtumpfeſte
Unkunde des heiligen Geiſtes der Liebe — der die einzige Ausſöhnung
mit dem platten dürren Erdenleben iſt —, die ewigen Refrains der 20
Verſicherungen in Briefen der Liebe zu tadeln. Die Worte der Liebe
ſind Werke der Liebe; ſie ſind nicht Schälle ſondern Töne und die alten
Töne führen immer die alten Wellen wieder zu. — Über meine Caro-
line kan ich jezt wieder nicht reden.
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Der Archimetra iſt wie mir Böttiger geſagt, Thornild [!], ein 25
Schwede, Bibliothekar in Greifswald. — Über das Beitragen zum
Taſchenbuch gebieteſt du nicht nur das Daß ſondern ſogar das Das,
Bruder. Eine meiner beſten Satiren (die aber in Berlin der Zenſur
zuwider war) Leibgebers Leichenrede auf einen fürſtlichen Magen
— nebſt noch etwas ſanftern — geb’ ich gern dazu, wenn du jene nicht 30
zu diſſon mit dem Ganzen findeſt.
Die Vorrede jage ſogleich mit einem Sedez-Briefgen zurük —
des Sezers wegen.
Ich ſchwöre dir, ich ſchreibe an andere tiefſinnigere Briefe als an dich;
aber bei jenen wil ich lehren, bei dir lernen und frage alſo nach nichts. 35
Allein du ſagſt zu ſelten — Nein; Ja ohnehin nicht und ich erwart’ es
auch nicht. Du ſolteſt nur wiſſen, was täglich und wie eilig; und nicht
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(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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