Mein lieber Tiek! Zuerst meine Bitte, welche die eines Andern ist. Ein anderer wünschte die grössere Büste Bonapartes, die man in Berlin verkauft und welche die H. Schlegel haben sollen. Er bittet also5 durch mich Sie und durch Sie diese, ob sie ihm die ihrige, die sie doch nur die Transportkosten nach Berlin zum zweiten male kosten würde, nicht überlassen wolten. --
Neulich wolt' ich Sie besuchen; da ich aber alles leichter finde als Wege und Häuser: so fand ich Sie nicht. Ich wolte Ihnen danken für10 Ihre Phantasien über die Kunst, die selber Spröslinge der Kunst sind. So viele Stellen darin wie überhaupt Ihre Prose scheinen mir poe- tischer als Ihre andere Poesie, und jene hat stat jedes fehlenden pes einen Flügel. Ich lies mir sie, wie die Alten die Geseze, unter Musik promulgieren; ich meine, ich spielte sie im eigentlichen Sinne auf mei-15 nem Klaviere vom Blatte. Die Musik -- besonders die unbestimte -- ist ein Sensorium für alles Schöne; ja unter Tönen fass' ich sogar Gemälde leichter. --
Leben Sie gesund! Diesen nöthigen Wunsch thu' ich aus innigster Seele!
J. P. F. Richter20
426. An Karoline Herder.
[Weimar, 20. März 1800]
Da dieser gebakne Honig mehr für die weiblichen Bienen als für die mänlichen Drohnen ist: so sollen Sie den Überflus mit tragen helfen, der durch Ihr Beispiel zu mir kam. Es ist von meiner guten Hausfrau,25 deren mänliche und weibliche Geburtstage ich auch nie vergas. -- Eben schikte mir die Herzogin Mutter einen blühenden Rosenstok zum Ge- schenk. -- Nicht wahr, ich mus ihr heute wieder schreiben? Und wie viel schick' ich dem Bedienten?
R.
427. An Herzogin Anna Amalie von Weimar.30
Gnädigste Herzogin,
[335]Die blühende Rose als Geschenk von Ihro Durchlaucht war mir so viel als ein Abend bei der Geberin, nur noch überraschender. Sie ist für mich die Aurora des so lange wie der Friede ziehenden Früh-
[334]425. An Ludwig Tieck in Jena.
Weimar d. 19. März 1800.
Mein lieber Tiek! Zuerſt meine Bitte, welche die eines Andern iſt. Ein anderer wünſchte die gröſſere Büſte Bonapartes, die man in Berlin verkauft und welche die H. Schlegel haben ſollen. Er bittet alſo5 durch mich Sie und durch Sie dieſe, ob ſie ihm die ihrige, die ſie doch nur die Transportkoſten nach Berlin zum zweiten male koſten würde, nicht überlaſſen wolten. —
Neulich wolt’ ich Sie beſuchen; da ich aber alles leichter finde als Wege und Häuſer: ſo fand ich Sie nicht. Ich wolte Ihnen danken für10 Ihre Phantaſien über die Kunſt, die ſelber Spröslinge der Kunſt ſind. So viele Stellen darin wie überhaupt Ihre Proſe ſcheinen mir poe- tiſcher als Ihre andere Poeſie, und jene hat ſtat jedes fehlenden pes einen Flügel. Ich lies mir ſie, wie die Alten die Geſeze, unter Muſik promulgieren; ich meine, ich ſpielte ſie im eigentlichen Sinne auf mei-15 nem Klaviere vom Blatte. Die Muſik — beſonders die unbeſtimte — iſt ein Sensorium für alles Schöne; ja unter Tönen faſſ’ ich ſogar Gemälde leichter. —
Leben Sie geſund! Dieſen nöthigen Wunſch thu’ ich aus innigſter Seele!
J. P. F. Richter20
426. An Karoline Herder.
[Weimar, 20. März 1800]
Da dieſer gebakne Honig mehr für die weiblichen Bienen als für die mänlichen Drohnen iſt: ſo ſollen Sie den Überflus mit tragen helfen, der durch Ihr Beiſpiel zu mir kam. Es iſt von meiner guten Hausfrau,25 deren mänliche und weibliche Geburtstage ich auch nie vergas. — Eben ſchikte mir die Herzogin Mutter einen blühenden Roſenſtok zum Ge- ſchenk. — Nicht wahr, ich mus ihr heute wieder ſchreiben? Und wie viel ſchick’ ich dem Bedienten?
R.
427. An Herzogin Anna Amalie von Weimar.30
Gnädigſte Herzogin,
[335]Die blühende Roſe als Geſchenk von Ihro Durchlaucht war mir ſo viel als ein Abend bei der Geberin, nur noch überraſchender. Sie iſt für mich die Aurora des ſo lange wie der Friede ziehenden Früh-
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425. An Ludwig Tieck in Jena.
Weimar d. 19. März 1800.
Mein lieber Tiek! Zuerſt meine Bitte, welche die eines Andern iſt.
Ein anderer wünſchte die gröſſere Büſte Bonapartes, die man in
Berlin verkauft und welche die H. Schlegel haben ſollen. Er bittet alſo 5
durch mich Sie und durch Sie dieſe, ob ſie ihm die ihrige, die ſie doch
nur die Transportkoſten nach Berlin zum zweiten male koſten würde,
nicht überlaſſen wolten. —
Neulich wolt’ ich Sie beſuchen; da ich aber alles leichter finde als
Wege und Häuſer: ſo fand ich Sie nicht. Ich wolte Ihnen danken für 10
Ihre Phantaſien über die Kunſt, die ſelber Spröslinge der Kunſt ſind.
So viele Stellen darin wie überhaupt Ihre Proſe ſcheinen mir poe-
tiſcher als Ihre andere Poeſie, und jene hat ſtat jedes fehlenden pes
einen Flügel. Ich lies mir ſie, wie die Alten die Geſeze, unter Muſik
promulgieren; ich meine, ich ſpielte ſie im eigentlichen Sinne auf mei- 15
nem Klaviere vom Blatte. Die Muſik — beſonders die unbeſtimte —
iſt ein Sensorium für alles Schöne; ja unter Tönen faſſ’ ich ſogar
Gemälde leichter. —
Leben Sie geſund! Dieſen nöthigen Wunſch thu’ ich aus innigſter
Seele!
J. P. F. Richter 20
426. An Karoline Herder.
[Weimar, 20. März 1800]
Da dieſer gebakne Honig mehr für die weiblichen Bienen als für die
mänlichen Drohnen iſt: ſo ſollen Sie den Überflus mit tragen helfen,
der durch Ihr Beiſpiel zu mir kam. Es iſt von meiner guten Hausfrau, 25
deren mänliche und weibliche Geburtstage ich auch nie vergas. — Eben
ſchikte mir die Herzogin Mutter einen blühenden Roſenſtok zum Ge-
ſchenk. — Nicht wahr, ich mus ihr heute wieder ſchreiben? Und wie
viel ſchick’ ich dem Bedienten?
R.
427. An Herzogin Anna Amalie von Weimar. 30
Gnädigſte Herzogin,
Die blühende Roſe als Geſchenk von Ihro Durchlaucht war mir
ſo viel als ein Abend bei der Geberin, nur noch überraſchender. Sie
iſt für mich die Aurora des ſo lange wie der Friede ziehenden Früh-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/328>, abgerufen am 17.06.2024.
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