wart würde diese Stelle entweiht, was wohl niemand zugiebt, der Augen hat für -- ihre. Sie nahm meine Dedikazion und den Brief dabei, mit vieler Freude auf. -- An der Tafel herschte Unbefangenheit und Scherz. --
d. 16 Jun.5
Aber jezt zu Ihren theuern Briefen! Womit, Theuerster, hab' ich diese mehr als väterliche Liebe und Sorge von Ihnen verdient? Und was kan ich Ihnen dafür geben, als was ich Ihnen schon als Ihr Leser früher gab, Achtung und Liebe? --
Allerdings heirath' ich jenes Fräulein nicht, das die Herders viel10 zu partheiisch malen; nicht ihr Stand, sondern moralische Unähnlich- keiten scheiden uns. Aber die Ehe ist meinem Glük und meinem Ge- wissen unentbehrlich. Ausser der Ehe verstrikt man sich durch die Phantasie in so viele Verbindungen mit Weibern, die immer eine oder gar zwei Seelen auf einmal beklemmen und unglüklich machen. Mein15 Herz wil die häusliche Stille meiner Eltern, die nur die Ehe giebt. Es wil keine Heroine -- denn ich bin kein Heros --, sondern nur ein liebendes sorgendes Mädgen; denn ich kenne jezt die Dornen an jenen Pracht- und Fackeldisteln, die man genialische Weiber nent. Ein Wesen wie Ihre Niece war, ist mein Wunsch. -- Ohne Ehe, treib' ich20 mich auf Kosten meiner Gesundheit in Städten und Zirkeln herum, wo ich zuviel spreche und trinke. --
Übrigens verdien' ich immer mehr als ich ausgebe; und ich wäre noch reicher, wäre mir nicht einmal in Leipzig beinahe meine ganze gesammelte Kasse gestohlen worden. Aber gleichwohl würd' ich, wäre25 mein Gleim hier, durch ihn den König um etwas Fixes, z. B. um ein kleines Kanonikat bitten lassen, damit ich nicht meinen Körper durch das ewige Silber-Ausbrennen meines Geistes vor der Zeit einäschere. Wahrscheinlich werd' ich auch bei diesen Anspannungen früher in das kleine Sanssouci unter der Erde gelangen als mein Körper nöthig30 [369]macht; aber ich lege gern die Hände unter dem Sargdeckel zusammen, die den Menschen doch einige Blumen der Freude gegeben haben.
Die Stelle mit "meinem Lebensbächlein" bezog sich auf die ab- gebrochnen Heirathsanstalten.
d. 18 Jun.35
Ich mus mein immer gestörtes Schwazen endigen wie in dieser
wart würde dieſe Stelle entweiht, was wohl niemand zugiebt, der Augen hat für — ihre. Sie nahm meine Dedikazion und den Brief dabei, mit vieler Freude auf. — An der Tafel herſchte Unbefangenheit und Scherz. —
d. 16 Jun.5
Aber jezt zu Ihren theuern Briefen! Womit, Theuerſter, hab’ ich dieſe mehr als väterliche Liebe und Sorge von Ihnen verdient? Und was kan ich Ihnen dafür geben, als was ich Ihnen ſchon als Ihr Leſer früher gab, Achtung und Liebe? —
Allerdings heirath’ ich jenes Fräulein nicht, das die Herders viel10 zu partheiiſch malen; nicht ihr Stand, ſondern moraliſche Unähnlich- keiten ſcheiden uns. Aber die Ehe iſt meinem Glük und meinem Ge- wiſſen unentbehrlich. Auſſer der Ehe verſtrikt man ſich durch die Phantaſie in ſo viele Verbindungen mit Weibern, die immer eine oder gar zwei Seelen auf einmal beklemmen und unglüklich machen. Mein15 Herz wil die häusliche Stille meiner Eltern, die nur die Ehe giebt. Es wil keine Heroine — denn ich bin kein Heros —, ſondern nur ein liebendes ſorgendes Mädgen; denn ich kenne jezt die Dornen an jenen Pracht- und Fackeldiſteln, die man genialiſche Weiber nent. Ein Weſen wie Ihre Niece war, iſt mein Wunſch. — Ohne Ehe, treib’ ich20 mich auf Koſten meiner Geſundheit in Städten und Zirkeln herum, wo ich zuviel ſpreche und trinke. —
Übrigens verdien’ ich immer mehr als ich ausgebe; und ich wäre noch reicher, wäre mir nicht einmal in Leipzig beinahe meine ganze geſammelte Kaſſe geſtohlen worden. Aber gleichwohl würd’ ich, wäre25 mein Gleim hier, durch ihn den König um etwas Fixes, z. B. um ein kleines Kanonikat bitten laſſen, damit ich nicht meinen Körper durch das ewige Silber-Ausbrennen meines Geiſtes vor der Zeit einäſchere. Wahrſcheinlich werd’ ich auch bei dieſen Anſpannungen früher in das kleine Sanssouci unter der Erde gelangen als mein Körper nöthig30 [369]macht; aber ich lege gern die Hände unter dem Sargdeckel zuſammen, die den Menſchen doch einige Blumen der Freude gegeben haben.
Die Stelle mit „meinem Lebensbächlein“ bezog ſich auf die ab- gebrochnen Heirathsanſtalten.
d. 18 Jun.35
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wart würde dieſe Stelle entweiht, was wohl niemand zugiebt, der
Augen hat für — ihre. Sie nahm meine Dedikazion und den Brief
dabei, mit vieler Freude auf. — An der Tafel herſchte Unbefangenheit
und Scherz. —
d. 16 Jun. 5
Aber jezt zu Ihren theuern Briefen! Womit, Theuerſter, hab’ ich
dieſe mehr als väterliche Liebe und Sorge von Ihnen verdient? Und
was kan ich Ihnen dafür geben, als was ich Ihnen ſchon als Ihr
Leſer früher gab, Achtung und Liebe? —
Allerdings heirath’ ich jenes Fräulein nicht, das die Herders viel 10
zu partheiiſch malen; nicht ihr Stand, ſondern moraliſche Unähnlich-
keiten ſcheiden uns. Aber die Ehe iſt meinem Glük und meinem Ge-
wiſſen unentbehrlich. Auſſer der Ehe verſtrikt man ſich durch die
Phantaſie in ſo viele Verbindungen mit Weibern, die immer eine oder
gar zwei Seelen auf einmal beklemmen und unglüklich machen. Mein 15
Herz wil die häusliche Stille meiner Eltern, die nur die Ehe giebt. Es
wil keine Heroine — denn ich bin kein Heros —, ſondern nur ein
liebendes ſorgendes Mädgen; denn ich kenne jezt die Dornen an jenen
Pracht- und Fackeldiſteln, die man genialiſche Weiber nent. Ein
Weſen wie Ihre Niece war, iſt mein Wunſch. — Ohne Ehe, treib’ ich 20
mich auf Koſten meiner Geſundheit in Städten und Zirkeln herum,
wo ich zuviel ſpreche und trinke. —
Übrigens verdien’ ich immer mehr als ich ausgebe; und ich wäre
noch reicher, wäre mir nicht einmal in Leipzig beinahe meine ganze
geſammelte Kaſſe geſtohlen worden. Aber gleichwohl würd’ ich, wäre 25
mein Gleim hier, durch ihn den König um etwas Fixes, z. B. um ein
kleines Kanonikat bitten laſſen, damit ich nicht meinen Körper durch
das ewige Silber-Ausbrennen meines Geiſtes vor der Zeit einäſchere.
Wahrſcheinlich werd’ ich auch bei dieſen Anſpannungen früher in das
kleine Sanssouci unter der Erde gelangen als mein Körper nöthig 30
macht; aber ich lege gern die Hände unter dem Sargdeckel zuſammen,
die den Menſchen doch einige Blumen der Freude gegeben haben.
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Die Stelle mit „meinem Lebensbächlein“ bezog ſich auf die ab-
gebrochnen Heirathsanſtalten.
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/362>, abgerufen am 16.06.2024.
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