Städte belohnen, so verwunden mich Universitäten und mein Ekel vor den rezensierenden Gelehrten geht bis zur Verachtung. Warum sollen denn immer nur Zungen sprechen, und nicht irgend einmal Köpfe? --
Leben Sie wohl, Theuerer, in Ihrer kurzen Einsamkeit -- ich freue mich auf ihr Ende -- und glauben Sie an Unveränderlichkeit!5
J. P. F. Richter
489. An Karoline Herder.
[Weimar, Juli 1800]
Das Projekt der guten Kalb ist so unbestimt und der französische Aufsaz so vol Sprachfehler, daß sie wahrscheinlich keinen Genus davon10 haben wird als den der Hofnung. Geben Sie sich keine lange Mühe mit dem Abrathen des Erziehens -- die Zöglinge werden fehlen.
Caroline -- von der ich mich zwar für die Welt geschieden, deren edle Seele aber mit mir in der alten innern Verbindung der Briefe zusammenleben wil -- sagt und erlaubt mir, ihr Wachsbild, gegen15 dessen Austauschung ich unserem Herder das Pastelgemälde gegeben, von Ihnen zu erbitten und es ewig zu behalten. Sie brauchen es aber [381]nicht gerade in dieser Minute mitzugeben. -- Da ich einmal im Trauer- zimmer bin: so wil ich Ihnen auch gar den Schmerz bekennen, der mir Weimar so verödet -- o womit hab' ich es verdient, daß Ihr Herder20 sein grosses Herz von mir wenden wil? -- Ich bin unschuldig; aber meines wird ewig, ewig an ihm hängen. -- Leben Sie wohl!
Richter
490. An Karoline von Feuchtersleben.
[Kopie][Weimar, 23. Juli 1800]25
Deine Wachsbüste sol wie ein Heiligenbild meines Lebens mich durch dasselbe begleiten und wenn ich weinen wil, wil ich sie ansehen. -- Eine liebende Entfernung ist dem Herzen lieber als eine kalte Nähe. -- Wenn das Schiksal mein armes Herz mit einem ewigen Felsen zer- schmettern und es in langsamer Quaal todtquetschen wil: so lässet es30 dich sterben. O lebe für mich! Sol ich ohne dich mit ewigen Thränen durch das lange Leben gehen? Lieb' ich dich denn nicht? -- Durch Poesie wird der Schmerz dreischneidig und zerfrisset das Leben.
Städte belohnen, ſo verwunden mich Univerſitäten und mein Ekel vor den rezenſierenden Gelehrten geht bis zur Verachtung. Warum ſollen denn immer nur Zungen ſprechen, und nicht irgend einmal Köpfe? —
Leben Sie wohl, Theuerer, in Ihrer kurzen Einſamkeit — ich freue mich auf ihr Ende — und glauben Sie an Unveränderlichkeit!5
J. P. F. Richter
489. An Karoline Herder.
[Weimar, Juli 1800]
Das Projekt der guten Kalb iſt ſo unbeſtimt und der franzöſiſche Aufſaz ſo vol Sprachfehler, daß ſie wahrſcheinlich keinen Genus davon10 haben wird als den der Hofnung. Geben Sie ſich keine lange Mühe mit dem Abrathen des Erziehens — die Zöglinge werden fehlen.
Caroline — von der ich mich zwar für die Welt geſchieden, deren edle Seele aber mit mir in der alten innern Verbindung der Briefe zuſammenleben wil — ſagt und erlaubt mir, ihr Wachsbild, gegen15 deſſen Austauſchung ich unſerem Herder das Paſtelgemälde gegeben, von Ihnen zu erbitten und es ewig zu behalten. Sie brauchen es aber [381]nicht gerade in dieſer Minute mitzugeben. — Da ich einmal im Trauer- zimmer bin: ſo wil ich Ihnen auch gar den Schmerz bekennen, der mir Weimar ſo verödet — o womit hab’ ich es verdient, daß Ihr Herder20 ſein groſſes Herz von mir wenden wil? — Ich bin unſchuldig; aber meines wird ewig, ewig an ihm hängen. — Leben Sie wohl!
Richter
490. An Karoline von Feuchtersleben.
[Kopie][Weimar, 23. Juli 1800]25
Deine Wachsbüſte ſol wie ein Heiligenbild meines Lebens mich durch daſſelbe begleiten und wenn ich weinen wil, wil ich ſie anſehen. — Eine liebende Entfernung iſt dem Herzen lieber als eine kalte Nähe. — Wenn das Schikſal mein armes Herz mit einem ewigen Felſen zer- ſchmettern und es in langſamer Quaal todtquetſchen wil: ſo läſſet es30 dich ſterben. O lebe für mich! Sol ich ohne dich mit ewigen Thränen durch das lange Leben gehen? Lieb’ ich dich denn nicht? — Durch Poeſie wird der Schmerz dreiſchneidig und zerfriſſet das Leben.
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Städte belohnen, ſo verwunden mich Univerſitäten und mein Ekel vor
den rezenſierenden Gelehrten geht bis zur Verachtung. Warum ſollen
denn immer nur Zungen ſprechen, und nicht irgend einmal Köpfe? —
Leben Sie wohl, Theuerer, in Ihrer kurzen Einſamkeit — ich freue
mich auf ihr Ende — und glauben Sie an Unveränderlichkeit! 5
J. P. F. Richter
489. An Karoline Herder.
[Weimar, Juli 1800]
Das Projekt der guten Kalb iſt ſo unbeſtimt und der franzöſiſche
Aufſaz ſo vol Sprachfehler, daß ſie wahrſcheinlich keinen Genus davon 10
haben wird als den der Hofnung. Geben Sie ſich keine lange Mühe mit
dem Abrathen des Erziehens — die Zöglinge werden fehlen.
Caroline — von der ich mich zwar für die Welt geſchieden, deren
edle Seele aber mit mir in der alten innern Verbindung der Briefe
zuſammenleben wil — ſagt und erlaubt mir, ihr Wachsbild, gegen 15
deſſen Austauſchung ich unſerem Herder das Paſtelgemälde gegeben,
von Ihnen zu erbitten und es ewig zu behalten. Sie brauchen es aber
nicht gerade in dieſer Minute mitzugeben. — Da ich einmal im Trauer-
zimmer bin: ſo wil ich Ihnen auch gar den Schmerz bekennen, der mir
Weimar ſo verödet — o womit hab’ ich es verdient, daß Ihr Herder 20
ſein groſſes Herz von mir wenden wil? — Ich bin unſchuldig; aber
meines wird ewig, ewig an ihm hängen. — Leben Sie wohl!
[381]
Richter
490. An Karoline von Feuchtersleben.
[Weimar, 23. Juli 1800] 25
Deine Wachsbüſte ſol wie ein Heiligenbild meines Lebens mich
durch daſſelbe begleiten und wenn ich weinen wil, wil ich ſie anſehen.
— Eine liebende Entfernung iſt dem Herzen lieber als eine kalte Nähe.
— Wenn das Schikſal mein armes Herz mit einem ewigen Felſen zer-
ſchmettern und es in langſamer Quaal todtquetſchen wil: ſo läſſet es 30
dich ſterben. O lebe für mich! Sol ich ohne dich mit ewigen Thränen
durch das lange Leben gehen? Lieb’ ich dich denn nicht? — Durch Poeſie
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/374>, abgerufen am 16.06.2024.
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