Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.Abend, von 6--7 Uhr nicht versagen, wo sie mit mir zu einer Gräfin Richter5 55. An Amöne Herold. Leipzig d. 19. Feb. 98.Endlich, Geliebte, kan ich Sie wieder anreden. Ich war neulich d. 21 Februar [Aschermittwoch]. und beide fürchten nichts auf der Erde als die lezte Trennung. Sie mis-15 In Ihren Briefen find' ich freudig immer tiefere Ruhe und Zurük- Wie stehen Sie und andere mit Wernlein und Renate? -- Ich er- Über Ihre Kopfschmerzen hätt' ich gern hier den D. Kapp gefragt,30 Abend, von 6—7 Uhr nicht verſagen, wo ſie mit mir zu einer Gräfin Richter5 55. An Amöne Herold. Leipzig d. 19. Feb. 98.Endlich, Geliebte, kan ich Sie wieder anreden. Ich war neulich d. 21 Februar [Aſchermittwoch]. und beide fürchten nichts auf der Erde als die lezte Trennung. Sie mis-15 In Ihren Briefen find’ ich freudig immer tiefere Ruhe und Zurük- Wie ſtehen Sie und andere mit Wernlein und Renate? — Ich er- Über Ihre Kopfſchmerzen hätt’ ich gern hier den D. Kapp gefragt,30 <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0049" n="42"/> Abend, von 6—7 Uhr nicht verſagen, wo ſie mit mir zu einer Gräfin<lb/> Münſter gehen wil, die morgen wieder fortreiſet. Bringen Sie in der<lb/> Präliminarſtunde nur den Tonangeber dahin, daß er in den Definitiv-<lb/> ſtunden gehorcht. Adieu, Lieber!</p><lb/> <closer> <salute> <hi rendition="#right">Richter</hi> <lb n="5"/> </salute> </closer> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>55. An <hi rendition="#g">Amöne Herold.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Leipzig</hi> d. 19. Feb. 98.</hi> </dateline><lb/> <p>Endlich, Geliebte, kan ich Sie wieder anreden. Ich war neulich<lb/> mit der Berlepſch in Belgershain einige Tage; und heute kam Oertel<lb/> mit ſeiner Frau — zum erſtenmale ſeit meiner hieſigen Exiſtenz —<lb n="10"/> herein. Beide haben einen warmen Sonnenſchein des Glüks um<lb/> und in ſich, wie er wenigen Menſchen, beſonders verheiratheten<lb/> leuchtet;</p><lb/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right">d. 21 Februar [Aſchermittwoch].</hi> </dateline><lb/> <p>und beide fürchten nichts auf der Erde als die lezte Trennung. Sie mis-<lb n="15"/> verſtehn ihn über ſein Schweigen: er wird es oft unterbrechen und<lb/> Sie werden es auch thun. Es iſt <hi rendition="#g">ſein</hi> Entſchlus — kein <hi rendition="#g">einwirken-<lb/> der</hi> — er ſagt, was könt’ er Ihnen mitten im Königreiche der Liebe<lb/> mit bloſſen papiernen Erſcheinungen ſein und geben. Er liebt Sie ſo<lb/> zart und ſo heis und ſo ſehnſüchtig wie immer. Wir reden oft von<lb n="20"/> Ihnen. Ach es wird Jahre lang werden, bis er in die immergrünenden<lb/> Gegenden ſeiner Erinnerung einmal reiſet zu Ihnen.</p><lb/> <p>In Ihren Briefen find’ ich freudig immer tiefere Ruhe und Zurük-<lb/> ſchauung auf Ihr Herz. Sie werden einmal, wenn das Schikſal Ihre<lb/><note place="left"><ref target="1922_Bd3_46">[46]</ref></note>Räthſel und Sorgen gelöſet hat, leicht alle Ihre ſchönen moraliſchen<lb n="25"/> Kräfte entfalten: ach dem Menſchen fehlen oft weniger die Flügel, als<lb/> die Anhöhe, auf der er den Flug anfängt. —</p><lb/> <p>Wie ſtehen Sie und andere mit Wernlein und Renate? — Ich er-<lb/> fahre faſt nichts von Hof als daß es einen andern König hat.</p><lb/> <p>Über Ihre Kopfſchmerzen hätt’ ich gern hier den <hi rendition="#aq">D.</hi> Kapp gefragt,<lb n="30"/> wenn ich ihn wieder geſehen und wenn Sie mir ſtat des lezten Sym-<lb/> ptoms der Krankheit die vorhergehenden geſchrieben hätten. Joer-<lb/> denſ[iſche] Mittel löſchen im Dache, und laſſen es in den andern Stok-<lb/> werken brennen. Stärkende Mittel ſind die beſten für Sie.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [42/0049]
Abend, von 6—7 Uhr nicht verſagen, wo ſie mit mir zu einer Gräfin
Münſter gehen wil, die morgen wieder fortreiſet. Bringen Sie in der
Präliminarſtunde nur den Tonangeber dahin, daß er in den Definitiv-
ſtunden gehorcht. Adieu, Lieber!
Richter 5
55. An Amöne Herold.
Leipzig d. 19. Feb. 98.
Endlich, Geliebte, kan ich Sie wieder anreden. Ich war neulich
mit der Berlepſch in Belgershain einige Tage; und heute kam Oertel
mit ſeiner Frau — zum erſtenmale ſeit meiner hieſigen Exiſtenz — 10
herein. Beide haben einen warmen Sonnenſchein des Glüks um
und in ſich, wie er wenigen Menſchen, beſonders verheiratheten
leuchtet;
d. 21 Februar [Aſchermittwoch].
und beide fürchten nichts auf der Erde als die lezte Trennung. Sie mis- 15
verſtehn ihn über ſein Schweigen: er wird es oft unterbrechen und
Sie werden es auch thun. Es iſt ſein Entſchlus — kein einwirken-
der — er ſagt, was könt’ er Ihnen mitten im Königreiche der Liebe
mit bloſſen papiernen Erſcheinungen ſein und geben. Er liebt Sie ſo
zart und ſo heis und ſo ſehnſüchtig wie immer. Wir reden oft von 20
Ihnen. Ach es wird Jahre lang werden, bis er in die immergrünenden
Gegenden ſeiner Erinnerung einmal reiſet zu Ihnen.
In Ihren Briefen find’ ich freudig immer tiefere Ruhe und Zurük-
ſchauung auf Ihr Herz. Sie werden einmal, wenn das Schikſal Ihre
Räthſel und Sorgen gelöſet hat, leicht alle Ihre ſchönen moraliſchen 25
Kräfte entfalten: ach dem Menſchen fehlen oft weniger die Flügel, als
die Anhöhe, auf der er den Flug anfängt. —
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Wie ſtehen Sie und andere mit Wernlein und Renate? — Ich er-
fahre faſt nichts von Hof als daß es einen andern König hat.
Über Ihre Kopfſchmerzen hätt’ ich gern hier den D. Kapp gefragt, 30
wenn ich ihn wieder geſehen und wenn Sie mir ſtat des lezten Sym-
ptoms der Krankheit die vorhergehenden geſchrieben hätten. Joer-
denſ[iſche] Mittel löſchen im Dache, und laſſen es in den andern Stok-
werken brennen. Stärkende Mittel ſind die beſten für Sie.
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(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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