Wenn ich in Hof den Gasthof nicht behalten darf, so werd' ich Otto's Gaststube wählen oder höchstens halb in seiner halb in Ihrer wohnen müssen. Ich dank' Ihnen herzlich für die anbietende Liebe. O liebe Amöne, es wird uns beiden, wenigstens Ihnen unbegreiflich sein, -- wenn wir einmal im Frühling vol höchster einiger harmo-5 nischer Liebe den alten Bund erneuern und einen ewigen besiegeln --, wie wir ihn so oft zerreissen konten. Leipzig hat mich vielleicht ver- ändert, nämlich verbessert, aber das ist gewis die Ursache nicht allein -- Heute wiederholt sich gerade jener Aschermitwoch, woran ich einmal an Sie mit so viel scheidender und opfernder Liebe geschrieben10 habe und wo Sie und ich zugleich rechtschaffen handelten.
Bringen Sie in Ihre Briefe bestimtere Fragen, moralische Räthsel, damit wir leichter und nüzlicher an einander schreiben.
Ach du liebe Seele! In der meinigen bleibst du mit einem unver- gänglichen Reize so wie deine Bekantinnen. Du bist ein glänzender15 Theil meiner Jugend und meiner idealischen Träume, worin ich nicht wie Adam schaffen sah, sondern schuf. Du würdest dich über meine ewig lodernde Wärme noch mehr freuen, wenn du alle meine hiesigen aus- wehenden zertheilenden Verhältnisse kentest. Und so werd ich dich fortlieben von einem Jahr ins andre bis ins kalte stille Alter, und20 einmal, wenn du ganz glüklich bist, werd ich dich noch mehr lieben, weil dan mein Freund es auch ist. --
56. An Friedrich von Oertel in Belgershain.[47]
[Leipzig, 21. Febr. 1798]
Mein guter Oertel, ich mag dir und den Deinigen keine falsch25 gehende oder gar nicht aufgezogne Maschine bringen. Ich sas den ganzen Abend einsam im Finstern und wil so bleiben. Was könt' ich zwischen den Tellern und den Unterbrechungen und meiner innern Oede, mit dir heute eigentlich anfangen? Kanst du aber, Geliebtester, morgen früh, ohne deine Opfer, bei mir vorüberfliehen, so thust du30 es ohnehin. Ach ich komme bald zu dir und zu Deiner und mus es bald: ach ich mus dich bald haben. Gute Nacht, gute Nacht, ihr beide! Entschuldige mich bei allen Lieben! Mein ganzer Tag bestand heute im Verlieren.
R.35
Wenn ich in Hof den Gaſthof nicht behalten darf, ſo werd’ ich Otto’s Gaſtſtube wählen oder höchſtens halb in ſeiner halb in Ihrer wohnen müſſen. Ich dank’ Ihnen herzlich für die anbietende Liebe. O liebe Amöne, es wird uns beiden, wenigſtens Ihnen unbegreiflich ſein, — wenn wir einmal im Frühling vol höchſter einiger harmo-5 niſcher Liebe den alten Bund erneuern und einen ewigen beſiegeln —, wie wir ihn ſo oft zerreiſſen konten. Leipzig hat mich vielleicht ver- ändert, nämlich verbeſſert, aber das iſt gewis die Urſache nicht allein — Heute wiederholt ſich gerade jener Aſchermitwoch, woran ich einmal an Sie mit ſo viel ſcheidender und opfernder Liebe geſchrieben10 habe und wo Sie und ich zugleich rechtſchaffen handelten.
Bringen Sie in Ihre Briefe beſtimtere Fragen, moraliſche Räthſel, damit wir leichter und nüzlicher an einander ſchreiben.
Ach du liebe Seele! In der meinigen bleibſt du mit einem unver- gänglichen Reize ſo wie deine Bekantinnen. Du biſt ein glänzender15 Theil meiner Jugend und meiner idealiſchen Träume, worin ich nicht wie Adam ſchaffen ſah, ſondern ſchuf. Du würdeſt dich über meine ewig lodernde Wärme noch mehr freuen, wenn du alle meine hieſigen aus- wehenden zertheilenden Verhältniſſe kenteſt. Und ſo werd ich dich fortlieben von einem Jahr ins andre bis ins kalte ſtille Alter, und20 einmal, wenn du ganz glüklich biſt, werd ich dich noch mehr lieben, weil dan mein Freund es auch iſt. —
56. An Friedrich von Oertel in Belgershain.[47]
[Leipzig, 21. Febr. 1798]
Mein guter Oertel, ich mag dir und den Deinigen keine falſch25 gehende oder gar nicht aufgezogne Maſchine bringen. Ich ſas den ganzen Abend einſam im Finſtern und wil ſo bleiben. Was könt’ ich zwiſchen den Tellern und den Unterbrechungen und meiner innern Oede, mit dir heute eigentlich anfangen? Kanſt du aber, Geliebteſter, morgen früh, ohne deine Opfer, bei mir vorüberfliehen, ſo thuſt du30 es ohnehin. Ach ich komme bald zu dir und zu Deiner und mus es bald: ach ich mus dich bald haben. Gute Nacht, gute Nacht, ihr beide! Entſchuldige mich bei allen Lieben! Mein ganzer Tag beſtand heute im Verlieren.
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Wenn ich in Hof den Gaſthof nicht behalten darf, ſo werd’ ich
Otto’s Gaſtſtube wählen oder höchſtens halb in ſeiner halb in Ihrer
wohnen müſſen. Ich dank’ Ihnen herzlich für die anbietende Liebe.
O liebe Amöne, es wird uns beiden, wenigſtens Ihnen unbegreiflich
ſein, — wenn wir einmal im Frühling vol höchſter einiger harmo- 5
niſcher Liebe den alten Bund erneuern und einen ewigen beſiegeln —,
wie wir ihn ſo oft zerreiſſen konten. Leipzig hat mich vielleicht ver-
ändert, nämlich verbeſſert, aber das iſt gewis die Urſache nicht allein
— Heute wiederholt ſich gerade jener Aſchermitwoch, woran ich
einmal an Sie mit ſo viel ſcheidender und opfernder Liebe geſchrieben 10
habe und wo Sie und ich zugleich rechtſchaffen handelten.
Bringen Sie in Ihre Briefe beſtimtere Fragen, moraliſche Räthſel,
damit wir leichter und nüzlicher an einander ſchreiben.
Ach du liebe Seele! In der meinigen bleibſt du mit einem unver-
gänglichen Reize ſo wie deine Bekantinnen. Du biſt ein glänzender 15
Theil meiner Jugend und meiner idealiſchen Träume, worin ich nicht
wie Adam ſchaffen ſah, ſondern ſchuf. Du würdeſt dich über meine ewig
lodernde Wärme noch mehr freuen, wenn du alle meine hieſigen aus-
wehenden zertheilenden Verhältniſſe kenteſt. Und ſo werd ich dich
fortlieben von einem Jahr ins andre bis ins kalte ſtille Alter, und 20
einmal, wenn du ganz glüklich biſt, werd ich dich noch mehr lieben,
weil dan mein Freund es auch iſt. —
56. An Friedrich von Oertel in Belgershain.
[Leipzig, 21. Febr. 1798]
Mein guter Oertel, ich mag dir und den Deinigen keine falſch 25
gehende oder gar nicht aufgezogne Maſchine bringen. Ich ſas den
ganzen Abend einſam im Finſtern und wil ſo bleiben. Was könt’ ich
zwiſchen den Tellern und den Unterbrechungen und meiner innern
Oede, mit dir heute eigentlich anfangen? Kanſt du aber, Geliebteſter,
morgen früh, ohne deine Opfer, bei mir vorüberfliehen, ſo thuſt du 30
es ohnehin. Ach ich komme bald zu dir und zu Deiner und mus es bald:
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/50>, abgerufen am 21.11.2024.
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