Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.doch nie, am wenigsten so von ihm träumte) daher ich mit grösserer Jezt bleibt er unabänderlich wo er ist, wenigstens eine Zeitlang. Die Palingenesien werden erst in 8 Wochen fertig, 2 Pressen *) Daher er so lange in L[eipzig] blieb, als er meine Ankunft nicht fürchtete. **) Bei mir hätt' er darum nie eine Strafe, weil er jede Minute, wenn er wolte,35
mit meinem Gelde gehen könte, wenn er wolte. doch nie, am wenigſten ſo von ihm träumte) daher ich mit gröſſerer Jezt bleibt er unabänderlich wo er iſt, wenigſtens eine Zeitlang. Die Palingenesien werden erſt in 8 Wochen fertig, 2 Preſſen *) Daher er ſo lange in L[eipzig] blieb, als er meine Ankunft nicht fürchtete. **) Bei mir hätt’ er darum nie eine Strafe, weil er jede Minute, wenn er wolte,35
mit meinem Gelde gehen könte, wenn er wolte. <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0077" n="69"/> doch nie, am wenigſten ſo von ihm träumte) daher ich mit gröſſerer<lb/> Sehnſucht nach L[eipzig] kam. Auf ſeinen erſten Brief aus Halle hätt<lb/> ich ihn fröhlich zurükgerufen.</p><lb/> <p>Jezt bleibt er unabänderlich wo er iſt, wenigſtens eine Zeitlang.<lb/> Ich geſtehe, die Lüge mit Halberſtadt — und ich armer Nar wolte<lb n="5"/> ſogar an Gleim Requiſitoriales ſenden — (<hi rendition="#g">wenn’s</hi> eine iſt, da er ſogar<note place="right"><ref target="1922_Bd3_75">[75]</ref></note><lb/> meinen Reichardt für Reiſende zu meinem Wehe mitgenommen) und<lb/> die Kälte bei einer ſolchen Lüge ſind meinem Innern bitterer als ſein<lb/> neufränkiſcher Grif, beſonders wenn er ſo viel Geld (ich fand es bei<lb/> einem Nachzählen über 150 ſächſ. rtl.) nicht zur Wieder[er]oberung<lb n="10"/> des andern ſondern nur zum Etabliſſement<note place="foot" n="*)">Daher er ſo lange in L[eipzig] blieb, als er meine Ankunft nicht fürchtete.</note> genommen hätte. Mit<lb/> welchem Vertrauen nach dem Misbrauche eines überſchwenglichen<lb/> tugendhaften, könt ich ihn nur einen Tag unter meinen Büchern und<lb/> Geldern laſſen? Meine Nähe kan ſo wenig ſeine Beſſerung machen, als<lb/> ſie ſeine Verſchlimmerung verhütete. Ausgehen mus er und ich, und<lb n="15"/> ſpielen kan er alſo wenn er wil. Überhaupt mus er einmal Freiheit<lb/> ertragen lernen, die er doch bekäme, da ich mit meinem Heirathen nicht<lb/> auf ſein Ausſtudieren harren würde. Er mag jezt am dünnen Zweige<lb/> der Noth zu Lehre<note place="foot" n="**)">Bei mir hätt’ er darum nie eine Strafe, weil er jede Minute, wenn er wolte,<lb n="35"/> mit meinem Gelde gehen könte, wenn er wolte.</note> eine Zeitlang zappeln und hängen; ich weis<lb/> doch, wo er iſt und bin allemal da. Ohne eigne Briefe von ihm thu<lb n="20"/> ich keinen Schrit. — Was mich ſtuzig gegen ihn machte, war die<lb/> Spielerkraft ſeiner Verſtellung, da er an demſelben Morgen, wo er,<lb/> wie er ſchreibt, mir alles entdecken wolte, freudig und ſpashaft war<lb/> und mir <hi rendition="#g">ſogar als ich hinaus war</hi> einen ſtarken Spas nachrief, der<lb/> ſich erſt auf der Gaſſe entwickelte. Die ihm aufgetragnen Sachen hatt<lb n="25"/> er beſorgt, ſogar einen Wäſchzettel dagelaſſen — nur meinen Roſen-<lb/> ſtok nicht begoſſen, deſſen Tod ich in der häslichen Minute mit allem<lb/> Schmerz der Aehnlichkeiten fühlte. Ach mein Bruder mit dem weichſten<lb/> Herzen und dem beſten Kopfe liegt unter der Erde neben dem Waſſer!<lb/> Die andern alle ſind nicht ſo. Der Rendant hat einen mich ausholen<lb n="30"/> ſollenden Brief an mich geſchrieben; ich komme aber mit nichts zuvor.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#aq">Palingenesien</hi> werden erſt in 8 Wochen fertig, 2 Preſſen<lb/> drucken daran. Klinger ſolſt du mit den Büchern haben, ſogar viel iſt<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [69/0077]
doch nie, am wenigſten ſo von ihm träumte) daher ich mit gröſſerer
Sehnſucht nach L[eipzig] kam. Auf ſeinen erſten Brief aus Halle hätt
ich ihn fröhlich zurükgerufen.
Jezt bleibt er unabänderlich wo er iſt, wenigſtens eine Zeitlang.
Ich geſtehe, die Lüge mit Halberſtadt — und ich armer Nar wolte 5
ſogar an Gleim Requiſitoriales ſenden — (wenn’s eine iſt, da er ſogar
meinen Reichardt für Reiſende zu meinem Wehe mitgenommen) und
die Kälte bei einer ſolchen Lüge ſind meinem Innern bitterer als ſein
neufränkiſcher Grif, beſonders wenn er ſo viel Geld (ich fand es bei
einem Nachzählen über 150 ſächſ. rtl.) nicht zur Wieder[er]oberung 10
des andern ſondern nur zum Etabliſſement *) genommen hätte. Mit
welchem Vertrauen nach dem Misbrauche eines überſchwenglichen
tugendhaften, könt ich ihn nur einen Tag unter meinen Büchern und
Geldern laſſen? Meine Nähe kan ſo wenig ſeine Beſſerung machen, als
ſie ſeine Verſchlimmerung verhütete. Ausgehen mus er und ich, und 15
ſpielen kan er alſo wenn er wil. Überhaupt mus er einmal Freiheit
ertragen lernen, die er doch bekäme, da ich mit meinem Heirathen nicht
auf ſein Ausſtudieren harren würde. Er mag jezt am dünnen Zweige
der Noth zu Lehre **) eine Zeitlang zappeln und hängen; ich weis
doch, wo er iſt und bin allemal da. Ohne eigne Briefe von ihm thu 20
ich keinen Schrit. — Was mich ſtuzig gegen ihn machte, war die
Spielerkraft ſeiner Verſtellung, da er an demſelben Morgen, wo er,
wie er ſchreibt, mir alles entdecken wolte, freudig und ſpashaft war
und mir ſogar als ich hinaus war einen ſtarken Spas nachrief, der
ſich erſt auf der Gaſſe entwickelte. Die ihm aufgetragnen Sachen hatt 25
er beſorgt, ſogar einen Wäſchzettel dagelaſſen — nur meinen Roſen-
ſtok nicht begoſſen, deſſen Tod ich in der häslichen Minute mit allem
Schmerz der Aehnlichkeiten fühlte. Ach mein Bruder mit dem weichſten
Herzen und dem beſten Kopfe liegt unter der Erde neben dem Waſſer!
Die andern alle ſind nicht ſo. Der Rendant hat einen mich ausholen 30
ſollenden Brief an mich geſchrieben; ich komme aber mit nichts zuvor.
[75]
Die Palingenesien werden erſt in 8 Wochen fertig, 2 Preſſen
drucken daran. Klinger ſolſt du mit den Büchern haben, ſogar viel iſt
*) Daher er ſo lange in L[eipzig] blieb, als er meine Ankunft nicht fürchtete.
**) Bei mir hätt’ er darum nie eine Strafe, weil er jede Minute, wenn er wolte, 35
mit meinem Gelde gehen könte, wenn er wolte.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |