vorigen zu hart malte. Sie gefiel mir sehr ihres Ernstes wegen. Wahrhaftig wir stritten lange über die Unsterblichkeit, über die sie einmal einen langen Weg mit dem Herzog von Weimar strit, der sie auch glaubte, und mit dem sie seit 22 J[ahren] korrespondiert (aber, wie sie versichert, unter Irthümern der öffentlichen Meinung) und5 den Lerse (Göthes ältester Freund) ihren intellektuellen Liebhaber nent. Denk an nichts. Sie hat keine Zeile von mir gelesen, weil ihr Deutsch zu schwer ist. Auch sagte sie mir Meinungen, die sie gewis nicht für meine halten konte. Ach gerade die kräftigsten Weiber vol Aether werden durch falsche erste Liebe aus Morgenwolken zu kriechenden10 Märznebeln. -- "Der König in Preussen, (erzählte sie mir aus, ihr nächsten Quellen) sagte zu Kobenzel: er bleibe so neutral gegen die Franzosen, aber bei der ersten Erdscholle, die sie vom rechten Rheinufer nehmen, brech' er durchaus auf." -- Hirt aus Rom machte daß auf die pr. Ld'or ein römischer Adler ohne Krone mit hängenden Flügeln15 kam; das Volk sagte etwas über die Selbst-Entthronung -- jezt sind die Stempel auf höhern Befehl zerschlagen. -- Als ich immer fort-[93] wolte (nämlich von der Grey), weil Spielgeselschaft kam, -- 3 Män- ner, die sie die 3 Höllenrichter nante -- und sie sagte nach dem nächsten Gespräch, daß die Liebe mich etwan lokte und ich sagte: ausser der zu20 den Musen wärs keine -- so sagte sie in Beziehung aufs Vorige: "das ist sinlich genug, neun Musen." --
Schicke mir bald meine Briefe -- Ich erhielt alles. Wie ists mit deiner Gesundheit und deinem Baden, nach Weikard? -- Ich weis nicht ob ich dirs schon erzählt, daß mein Blähungspulver im Hesperus25 -- ich hab' es von K[ommissions] R[ath] Vogel, dieser von Doppel- maier -- nicht nur sonst von der Berlepsch sondern auch wie mir Graf Moltke sagte, im Holsteinischen von den Lesern und dadurch von den Lehnsleuten derselben genommen wird. O lieber Gott! was kan die beste epische und transßendentale Feder höheres begehren als die30 Blähungen und Winde Europas allen Winden Preis zu geben? Das Pulver erhebt mich mehr als alles Dintenpulver. Sie heissens das Hesperus Pulver.
Mein Kommen nach Hof ist -- durch meine schwelgerische, un- mässige Sehnsucht und durch noch eine andere Ursache -- wahrschein-35 licher als unwahrscheinlicher; indes aber doch von meiner nahen Reise nach Weimar und Gotha abhängig.
vorigen zu hart malte. Sie gefiel mir ſehr ihres Ernſtes wegen. Wahrhaftig wir ſtritten lange über die Unſterblichkeit, über die ſie einmal einen langen Weg mit dem Herzog von Weimar ſtrit, der ſie auch glaubte, und mit dem ſie ſeit 22 J[ahren] korreſpondiert (aber, wie ſie verſichert, unter Irthümern der öffentlichen Meinung) und5 den Lerſe (Göthes älteſter Freund) ihren intellektuellen Liebhaber nent. Denk an nichts. Sie hat keine Zeile von mir geleſen, weil ihr Deutſch zu ſchwer iſt. Auch ſagte ſie mir Meinungen, die ſie gewis nicht für meine halten konte. Ach gerade die kräftigſten Weiber vol Aether werden durch falſche erſte Liebe aus Morgenwolken zu kriechenden10 Märznebeln. — „Der König in Preuſſen, (erzählte ſie mir aus, ihr nächſten Quellen) ſagte zu Kobenzel: er bleibe ſo neutral gegen die Franzoſen, aber bei der erſten Erdſcholle, die ſie vom rechten Rheinufer nehmen, brech’ er durchaus auf.“ — Hirt aus Rom machte daß auf die pr. Ld’or ein römiſcher Adler ohne Krone mit hängenden Flügeln15 kam; das Volk ſagte etwas über die Selbſt-Entthronung — jezt ſind die Stempel auf höhern Befehl zerſchlagen. — Als ich immer fort-[93] wolte (nämlich von der Grey), weil Spielgeſelſchaft kam, — 3 Män- ner, die ſie die 3 Höllenrichter nante — und ſie ſagte nach dem nächſten Geſpräch, daß die Liebe mich etwan lokte und ich ſagte: auſſer der zu20 den Muſen wärs keine — ſo ſagte ſie in Beziehung aufs Vorige: „das iſt ſinlich genug, neun Muſen.“ —
Schicke mir bald meine Briefe — Ich erhielt alles. Wie iſts mit deiner Geſundheit und deinem Baden, nach Weikard? — Ich weis nicht ob ich dirs ſchon erzählt, daß mein Blähungspulver im Hesperus25 — ich hab’ es von K[ommiſſions] R[ath] Vogel, dieſer von Doppel- maier — nicht nur ſonſt von der Berlepsch ſondern auch wie mir Graf Moltke ſagte, im Holſteiniſchen von den Leſern und dadurch von den Lehnsleuten derſelben genommen wird. O lieber Gott! was kan die beſte epiſche und transſzendentale Feder höheres begehren als die30 Blähungen und Winde Europas allen Winden Preis zu geben? Das Pulver erhebt mich mehr als alles Dintenpulver. Sie heiſſens das Hesperus Pulver.
Mein Kommen nach Hof iſt — durch meine ſchwelgeriſche, un- mäſſige Sehnſucht und durch noch eine andere Urſache — wahrſchein-35 licher als unwahrſcheinlicher; indes aber doch von meiner nahen Reiſe nach Weimar und Gotha abhängig.
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auch glaubte, und mit dem ſie ſeit 22 J[ahren] korreſpondiert (aber,
wie ſie verſichert, unter Irthümern der öffentlichen Meinung) und 5
den Lerſe (Göthes älteſter Freund) ihren intellektuellen Liebhaber nent.
Denk an nichts. Sie hat keine Zeile von mir geleſen, weil ihr Deutſch
zu ſchwer iſt. Auch ſagte ſie mir Meinungen, die ſie gewis nicht für
meine halten konte. Ach gerade die kräftigſten Weiber vol Aether
werden durch falſche erſte Liebe aus Morgenwolken zu kriechenden 10
Märznebeln. — „Der König in Preuſſen, (erzählte ſie mir aus, ihr
nächſten Quellen) ſagte zu Kobenzel: er bleibe ſo neutral gegen die
Franzoſen, aber bei der erſten Erdſcholle, die ſie vom rechten Rheinufer
nehmen, brech’ er durchaus auf.“ — Hirt aus Rom machte daß auf
die pr. Ld’or ein römiſcher Adler ohne Krone mit hängenden Flügeln 15
kam; das Volk ſagte etwas über die Selbſt-Entthronung — jezt ſind
die Stempel auf höhern Befehl zerſchlagen. — Als ich immer fort-
wolte (nämlich von der Grey), weil Spielgeſelſchaft kam, — 3 Män-
ner, die ſie die 3 Höllenrichter nante — und ſie ſagte nach dem nächſten
Geſpräch, daß die Liebe mich etwan lokte und ich ſagte: auſſer der zu 20
den Muſen wärs keine — ſo ſagte ſie in Beziehung aufs Vorige:
„das iſt ſinlich genug, neun Muſen.“ —
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Schicke mir bald meine Briefe — Ich erhielt alles. Wie iſts mit
deiner Geſundheit und deinem Baden, nach Weikard? — Ich weis
nicht ob ich dirs ſchon erzählt, daß mein Blähungspulver im Hesperus 25
— ich hab’ es von K[ommiſſions] R[ath] Vogel, dieſer von Doppel-
maier — nicht nur ſonſt von der Berlepsch ſondern auch wie mir Graf
Moltke ſagte, im Holſteiniſchen von den Leſern und dadurch von den
Lehnsleuten derſelben genommen wird. O lieber Gott! was kan die
beſte epiſche und transſzendentale Feder höheres begehren als die 30
Blähungen und Winde Europas allen Winden Preis zu geben? Das
Pulver erhebt mich mehr als alles Dintenpulver. Sie heiſſens das
Hesperus Pulver.
Mein Kommen nach Hof iſt — durch meine ſchwelgeriſche, un-
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licher als unwahrſcheinlicher; indes aber doch von meiner nahen Reiſe
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/94>, abgerufen am 09.11.2024.
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