Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.200. An Christian Otto. Meiningen d. 10. Okt. 1801.Lieber Stiller! Ich bin nur das Erste; der Hardenb[ergsche] Brief d. 20.[124] Endlich wirds doch Zeit, fortzuschicken, damit du anfängst. Hier30 200. An Chriſtian Otto. Meiningen d. 10. Okt. 1801.Lieber Stiller! Ich bin nur das Erſte; der Hardenb[ergſche] Brief d. 20.[124] Endlich wirds doch Zeit, fortzuſchicken, damit du anfängſt. Hier30 <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0115" n="109"/> <div type="letter" n="1"> <head>200. An <hi rendition="#g">Chriſtian Otto.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Meiningen</hi> d. 10. Okt. 1801.</hi> </dateline><lb/> <p>Lieber Stiller! Ich bin nur das Erſte; der Hardenb[ergſche] Brief<lb/> hätte längſt deine Ratifikazion verdient oder den Einſpruch. Ich bin<lb/> durch meine <hi rendition="#aq">C.</hi> aus den Viſiten- und Briefſchreib-Stuben zugleich<lb n="5"/> heraus. Die Ehe iſt ein Ruhebet; nach Italien höchſtens könt’ ich<lb/> gedenken und auch einſizen. — Ich war in <hi rendition="#aq">Cassel,</hi> meiner <hi rendition="#aq">C.</hi> wegen.<lb/> In Thon-Klumpen wohnen die Bauern; in der Stadt giebts wenige<lb/> Elbogen, die nicht eine bettelnde Hand aufmachen, die 2 langen aus-<lb/> genommen, die ſogar jede Hand ſtehlen, die mit dem Zepter. Über den<lb n="10"/> durchaus reinen und groſſen Sonnenglanz der <hi rendition="#aq">Wilhelmshöhe</hi> ſpreche<lb/> der Teufel, der mehr Zeit hat, zu malen als Leute, die er holt. — Meine<lb/><hi rendition="#aq">C.</hi> iſt ganz geſund und wir beide ſeelig. — Im November beziehen<lb/> wir ein deinem ähnlicheres Quartier. — Mein Bruder <hi rendition="#aq">Samuel</hi> ſol<lb/> dir <hi rendition="#aq">Schukman’s</hi> Antwort auf meine Bitte für ihn ſagen. — Der<lb n="15"/> Herzogin-Mutter Tod ſagte uns das Thor an. Der Herzog war ein<lb/> ächter Sohn von jeher und da ein rechter Betrübter. Mir gefält er<lb/> immer mehr. Er bat mich, ihr Hiſtoriograph zu werden; ich ſagte Ja,<lb/> da ſie moraliſch wie jezt theologiſch volendet iſt; begehrte aber von<lb/> ihm aufgeſezte Notizen. Daher wird es wohl Zeit haben und dan<lb n="20"/> nichts. — Dein und <hi rendition="#aq">Emanuels</hi> Leben könten meines nach <hi rendition="#aq">Bayreuth</hi><lb/> locken, wüchſe nur nicht da auf allen Gaſſen litterariſches Gras und<lb/> in den Häuſern das Vieh dazu. — An deine Amöne denk’ ich mit<lb/> ſchöner Erinnerung und unſere phyſiſche Nähe würde jezt auch eine<lb/> moraliſche bleiben. Nur du, Lieber, ſchieneſt bei mir nicht ganz die<lb n="25"/> gröſte gegen dich vorauszuſezen; und ich war doch ſo lauter und rein. —<lb/> Über dein Verhältnis zum Staat und zur Zukunft mus ich dich tadeln,<lb/> wenn du es einmal leſen und ertragen wilſt.</p><lb/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right">d. 20.</hi> </dateline> <note place="right"> <ref target="1922_Bd4_124">[124]</ref> </note><lb/> <p>Endlich wirds doch Zeit, fortzuſchicken, damit du anfängſt. Hier<lb n="30"/> nim als Couvert meines Schweigens das Paquet von Leuten, die es<lb/> nicht nachahmten wie du. — <hi rendition="#aq">Walther</hi> oder <hi rendition="#aq">Kanne</hi> (wovon nur 1 Brief<lb/> beiliegt, weil die 2 andern mit dem Mſpt giengen) ſchikte mir „Blätter<lb/> von Aleph bis Kuph“ vol Wiz und Laune; aber doch zu ſehr mein<lb/> und <hi rendition="#aq">Schlegels</hi> Urangutang. — <hi rendition="#aq">Göthe</hi> lies mich neulich aus <hi rendition="#aq">Eisenach</hi><lb n="35"/> grüſſen; er pries meine Klotilde gewaltig und ſagte, der <hi rendition="#aq">Schlegel</hi><lb/> Urtheil über mich ſei über alles gemein. — Viehiſchers wurde gegen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [109/0115]
200. An Chriſtian Otto.
Meiningen d. 10. Okt. 1801.
Lieber Stiller! Ich bin nur das Erſte; der Hardenb[ergſche] Brief
hätte längſt deine Ratifikazion verdient oder den Einſpruch. Ich bin
durch meine C. aus den Viſiten- und Briefſchreib-Stuben zugleich 5
heraus. Die Ehe iſt ein Ruhebet; nach Italien höchſtens könt’ ich
gedenken und auch einſizen. — Ich war in Cassel, meiner C. wegen.
In Thon-Klumpen wohnen die Bauern; in der Stadt giebts wenige
Elbogen, die nicht eine bettelnde Hand aufmachen, die 2 langen aus-
genommen, die ſogar jede Hand ſtehlen, die mit dem Zepter. Über den 10
durchaus reinen und groſſen Sonnenglanz der Wilhelmshöhe ſpreche
der Teufel, der mehr Zeit hat, zu malen als Leute, die er holt. — Meine
C. iſt ganz geſund und wir beide ſeelig. — Im November beziehen
wir ein deinem ähnlicheres Quartier. — Mein Bruder Samuel ſol
dir Schukman’s Antwort auf meine Bitte für ihn ſagen. — Der 15
Herzogin-Mutter Tod ſagte uns das Thor an. Der Herzog war ein
ächter Sohn von jeher und da ein rechter Betrübter. Mir gefält er
immer mehr. Er bat mich, ihr Hiſtoriograph zu werden; ich ſagte Ja,
da ſie moraliſch wie jezt theologiſch volendet iſt; begehrte aber von
ihm aufgeſezte Notizen. Daher wird es wohl Zeit haben und dan 20
nichts. — Dein und Emanuels Leben könten meines nach Bayreuth
locken, wüchſe nur nicht da auf allen Gaſſen litterariſches Gras und
in den Häuſern das Vieh dazu. — An deine Amöne denk’ ich mit
ſchöner Erinnerung und unſere phyſiſche Nähe würde jezt auch eine
moraliſche bleiben. Nur du, Lieber, ſchieneſt bei mir nicht ganz die 25
gröſte gegen dich vorauszuſezen; und ich war doch ſo lauter und rein. —
Über dein Verhältnis zum Staat und zur Zukunft mus ich dich tadeln,
wenn du es einmal leſen und ertragen wilſt.
d. 20.
Endlich wirds doch Zeit, fortzuſchicken, damit du anfängſt. Hier 30
nim als Couvert meines Schweigens das Paquet von Leuten, die es
nicht nachahmten wie du. — Walther oder Kanne (wovon nur 1 Brief
beiliegt, weil die 2 andern mit dem Mſpt giengen) ſchikte mir „Blätter
von Aleph bis Kuph“ vol Wiz und Laune; aber doch zu ſehr mein
und Schlegels Urangutang. — Göthe lies mich neulich aus Eisenach 35
grüſſen; er pries meine Klotilde gewaltig und ſagte, der Schlegel
Urtheil über mich ſei über alles gemein. — Viehiſchers wurde gegen
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(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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