Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.Natur ist, unser Gefühl für sie gegeben und verewigt. Über alles rein d. 2. Nov.5 Gestern fand ich bei dem Herzog in der Zeitung die Standes- Von meinem Ehe-Empyräum und Glanz schweig' ich ausgenom- *) zumal da ich neulich ausgerechnet, daß ich anstat an einen Ort hinzureisen35 und dan wieder zurük, mit derselben Summe 2 Wagen -- mehr brauch' ich nicht -- bezahlen kan und nur bleiben darf. 8 Jean Paul Briefe. IV.
Natur iſt, unſer Gefühl für ſie gegeben und verewigt. Über alles rein d. 2. Nov.5 Geſtern fand ich bei dem Herzog in der Zeitung die Standes- Von meinem Ehe-Empyräum und Glanz ſchweig’ ich ausgenom- *) zumal da ich neulich ausgerechnet, daß ich anſtat an einen Ort hinzureiſen35 und dan wieder zurük, mit derſelben Summe 2 Wagen — mehr brauch’ ich nicht — bezahlen kan und nur bleiben darf. 8 Jean Paul Briefe. IV.
<TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0119" n="113"/> Natur iſt, unſer Gefühl für ſie gegeben und verewigt. Über alles rein<lb/> und hoch und ſchön iſt der Todtengeſang, der ſich ſelber in Sphären-<lb/> muſik ſezt. Auch meine Frau wurde innig von dieſer Wahr- und<lb/> Schönheit bewegt.</p> </div><lb/> <div> <dateline> <hi rendition="#right"> <hi rendition="#aq">d. 2. Nov.</hi> </hi> </dateline> <lb n="5"/> <p>Geſtern fand ich bei dem Herzog in der Zeitung die Standes-<lb/> erhöhung des über den Stand Erhabnen, der den böſen römiſchen<lb/> Kaiſern gleicht, die keine Götter achteten und zulezt Götter wurden.<lb/> Aber ich errieth den kameraliſtiſchen Anlas, den Sie mir — <hi rendition="#b">heute</hi><lb/> durch <hi rendition="#aq">Knebel</hi> ſchrieben. Meinen Glükwunſch dem Churfürſten und<lb n="10"/> mein Zähnknirſchen der juriſtiſchen Harpye, die Ihren Tiſch beſudeln<lb/> wil! — Goerz und der Churfürſt mögen Sie von dem überzeugen,<lb/> was ich Sie ſo oft verſicherte, daß nämlich ganz Deutſchland ein<lb/> wenig anders urtheile und handle als zuweilen Ihre unnachbarliche<note place="right"><ref target="1922_Bd4_128">[128]</ref></note><lb/> Nachbarſchaft. Und Ihr Mutterherz nehme daran wahr, daß es<lb n="15"/> auſſer dem Vaterherzen in der obern Stube noch ein zweites in der<lb/> oberſten Stube — jenſeits der Höhe — gebe, worauf man bauen<lb/> kan. —</p><lb/> <p>Von meinem Ehe-Empyräum und Glanz ſchweig’ ich ausgenom-<lb/> men gegen meine Frau; wir kennen nur 1 Eden-Augenblik, das iſt<lb n="20"/> der unſers Findens und Habens und dieſer iſt noch nicht aus. Un-<lb/> gebeten geh’ ich jezt ſchwer vom Leſetiſch weg. Die Ehe lehrt Einſam-<lb/> keit. Ich verlange nichts als <hi rendition="#b">B</hi>ücher, <hi rendition="#b">B</hi>erge und <hi rendition="#b">B</hi>ier; das hab’ ich;<lb/> doch ſehn’ ich mich — und dadurch könt’ Ihr Wunſch wahr werden<note place="foot" n="*)">zumal da ich neulich ausgerechnet, daß ich anſtat an einen Ort hinzureiſen<lb n="35"/> und dan wieder zurük, mit derſelben Summe 2 Wagen — mehr brauch’ ich nicht —<lb/> bezahlen kan und nur bleiben darf.</note><lb/> — zuweilen nach einem andern und höhern Geiſt als den gedrukten. —<lb n="25"/> Wenn ich jemand zum Eſſen bei mir bitte — was unendlich ſelten<lb/> geſchieht — ſo bitt’ ich mich auch mit, und erſtaune dan über die<lb/> Ordnung am Tiſch und glaube, auswärts zu ſpeiſen. — Was macht<lb/><hi rendition="#aq">Büri</hi> und die <hi rendition="#aq">Berlepsch?</hi> — Dem D. Maier (der <hi rendition="#g">ſo</hi> malt wie der<lb/> Prof. Maier) meinen Grus und Fluch, daß er mir die in ſeinen<lb n="30"/> Büchern beſtehende Bezahlung meines <hi rendition="#aq">Titans</hi> noch nicht geſchikt.<lb/> Darf ich Sie um das ernſte Mahnen dieſes böſen Schuldners bitten?<lb/> — Jakobi iſt in Aachen und (im Winter) in Paris. — Friede ſei und<lb/> bleibe jezt mit dem Frieden! — Ich ſchreibe und leſe hier viel und bin<lb/> <fw place="bottom" type="sig">8 Jean Paul Briefe. <hi rendition="#aq">IV.</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [113/0119]
Natur iſt, unſer Gefühl für ſie gegeben und verewigt. Über alles rein
und hoch und ſchön iſt der Todtengeſang, der ſich ſelber in Sphären-
muſik ſezt. Auch meine Frau wurde innig von dieſer Wahr- und
Schönheit bewegt.
d. 2. Nov. 5
Geſtern fand ich bei dem Herzog in der Zeitung die Standes-
erhöhung des über den Stand Erhabnen, der den böſen römiſchen
Kaiſern gleicht, die keine Götter achteten und zulezt Götter wurden.
Aber ich errieth den kameraliſtiſchen Anlas, den Sie mir — heute
durch Knebel ſchrieben. Meinen Glükwunſch dem Churfürſten und 10
mein Zähnknirſchen der juriſtiſchen Harpye, die Ihren Tiſch beſudeln
wil! — Goerz und der Churfürſt mögen Sie von dem überzeugen,
was ich Sie ſo oft verſicherte, daß nämlich ganz Deutſchland ein
wenig anders urtheile und handle als zuweilen Ihre unnachbarliche
Nachbarſchaft. Und Ihr Mutterherz nehme daran wahr, daß es 15
auſſer dem Vaterherzen in der obern Stube noch ein zweites in der
oberſten Stube — jenſeits der Höhe — gebe, worauf man bauen
kan. —
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Von meinem Ehe-Empyräum und Glanz ſchweig’ ich ausgenom-
men gegen meine Frau; wir kennen nur 1 Eden-Augenblik, das iſt 20
der unſers Findens und Habens und dieſer iſt noch nicht aus. Un-
gebeten geh’ ich jezt ſchwer vom Leſetiſch weg. Die Ehe lehrt Einſam-
keit. Ich verlange nichts als Bücher, Berge und Bier; das hab’ ich;
doch ſehn’ ich mich — und dadurch könt’ Ihr Wunſch wahr werden *)
— zuweilen nach einem andern und höhern Geiſt als den gedrukten. — 25
Wenn ich jemand zum Eſſen bei mir bitte — was unendlich ſelten
geſchieht — ſo bitt’ ich mich auch mit, und erſtaune dan über die
Ordnung am Tiſch und glaube, auswärts zu ſpeiſen. — Was macht
Büri und die Berlepsch? — Dem D. Maier (der ſo malt wie der
Prof. Maier) meinen Grus und Fluch, daß er mir die in ſeinen 30
Büchern beſtehende Bezahlung meines Titans noch nicht geſchikt.
Darf ich Sie um das ernſte Mahnen dieſes böſen Schuldners bitten?
— Jakobi iſt in Aachen und (im Winter) in Paris. — Friede ſei und
bleibe jezt mit dem Frieden! — Ich ſchreibe und leſe hier viel und bin
*) zumal da ich neulich ausgerechnet, daß ich anſtat an einen Ort hinzureiſen 35
und dan wieder zurük, mit derſelben Summe 2 Wagen — mehr brauch’ ich nicht —
bezahlen kan und nur bleiben darf.
8 Jean Paul Briefe. IV.
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(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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