Exzerpte, und Reminißenzen, und Apologen. -- Mein Titan wird 24 Bogen, der Anhang 2 oder 3.; noch 1 teufelmässig dicker Band schliesset ihn ab. -- Eh ich hieher zog, wolt' ich zu -- Kramer, den ich noch nicht gesehen, ziehen (und schikte meine Frau fragend hin), [um] eine lange Antithese zu machen. -- Schreibe mir über das5 Taschenbuch. Mein poetischer Geschmak fi[ndet] täglich weniger Poeten. Wie verabscheu ich darin Baggesen, Voß, Klopstok und ohnehin den meisten Rest. -- Mit welcher alten Seele ich in dein Geburtsfest hineinsehe, mus dir deine sagen. Du bleibst mein ewiger Otto. Du bist meine schönste Vergangenheit, die in die Gegenwart10 fest hereinwurzelt. O ich weis niemand auf der Erde, dem ich lieber und wilder eine Freude gäbe und gönte als dir.
Dein Richter
215. An Amöne Otto.
Meiningen d. 27. Nov. 1801.15
Vorholz von mir.
Meine theuere Freundin! Jezt zum Antworten las ich Ihren Brief wieder und mir war so warm als hätt' ich Sie umarmt. Du meine gute Amöne! Du fortschimmernder Morgen- und Abendstern aus meinen Jugendtagen, wie gern und weich seh ich dich an, geistig und20 leiblich! Gewis leben wir alle -- du, O., E., C. und ich -- einmal nahe an unsern Armen; ich habe so viel aus der Zukunft herausgegriffen und glaube auch an diese Beute. Dan verwirret uns nichts mehr. Das Lebewohl klingt in das schönere, das du meinem Freunde heute -- am Tage des Empfangs -- bei seinem Feste zurufst!25
N. S. Schreiben Sie das Tagebuch mit losgelassenem Feuer,[137] aber auch ohne den geringsten Wunsch irgend einer historischen Aehnlichkeit. Für seine übrige litterarische Bahn wil ich Bürge und Zeremonienmeister sein.
R.
216. An Emanuel.30
Meiningen d. 27. Nov. 1801.
Mein Alter und Blühender! Das Übrige sol meine Frau sagen. -- Meinem Bruder geben Sie die Prinzensteuer oder Apanage fort*),35
*) Vom dummen And. ists aber sündlich, aus Privatrache einem armen Teufel seinen Lohn und seine Rettung zu nehmen.
Exzerpte, und Reminiſzenzen, und Apologen. — Mein Titan wird 24 Bogen, der Anhang 2 oder 3.; noch 1 teufelmäſſig dicker Band ſchlieſſet ihn ab. — Eh ich hieher zog, wolt’ ich zu — Kramer, den ich noch nicht geſehen, ziehen (und ſchikte meine Frau fragend hin), [um] eine lange Antitheſe zu machen. — Schreibe mir über das5 Taſchenbuch. Mein poetiſcher Geſchmak fi[ndet] täglich weniger Poeten. Wie verabſcheu ich darin Baggesen, Voß, Klopstok und ohnehin den meiſten Reſt. — Mit welcher alten Seele ich in dein Geburtsfeſt hineinſehe, mus dir deine ſagen. Du bleibſt mein ewiger Otto. Du biſt meine ſchönſte Vergangenheit, die in die Gegenwart10 feſt hereinwurzelt. O ich weis niemand auf der Erde, dem ich lieber und wilder eine Freude gäbe und gönte als dir.
Dein Richter
215. An Amöne Otto.
Meiningen d. 27. Nov. 1801.15
Vorholz von mir.
Meine theuere Freundin! Jezt zum Antworten las ich Ihren Brief wieder und mir war ſo warm als hätt’ ich Sie umarmt. Du meine gute Amöne! Du fortſchimmernder Morgen- und Abendſtern aus meinen Jugendtagen, wie gern und weich ſeh ich dich an, geiſtig und20 leiblich! Gewis leben wir alle — du, O., E., C. und ich — einmal nahe an unſern Armen; ich habe ſo viel aus der Zukunft herausgegriffen und glaube auch an dieſe Beute. Dan verwirret uns nichts mehr. Das Lebewohl klingt in das ſchönere, das du meinem Freunde heute — am Tage des Empfangs — bei ſeinem Feſte zurufſt!25
N. S. Schreiben Sie das Tagebuch mit losgelaſſenem Feuer,[137] aber auch ohne den geringſten Wunſch irgend einer hiſtoriſchen Aehnlichkeit. Für ſeine übrige litterariſche Bahn wil ich Bürge und Zeremonienmeiſter ſein.
R.
216. An Emanuel.30
Meiningen d. 27. Nov. 1801.
Mein Alter und Blühender! Das Übrige ſol meine Frau ſagen. — Meinem Bruder geben Sie die Prinzenſteuer oder Apanage fort*),35
*) Vom dummen And. iſts aber ſündlich, aus Privatrache einem armen Teufel ſeinen Lohn und ſeine Rettung zu nehmen.
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24 Bogen, der Anhang 2 oder 3.; noch 1 teufelmäſſig dicker Band
ſchlieſſet ihn ab. — Eh ich hieher zog, wolt’ ich zu — Kramer, den
ich noch nicht geſehen, ziehen (und ſchikte meine Frau fragend hin),
[um] eine lange Antitheſe zu machen. — Schreibe mir über das 5
Taſchenbuch. Mein poetiſcher Geſchmak fi[ndet] täglich weniger
Poeten. Wie verabſcheu ich darin Baggesen, Voß, Klopstok und
ohnehin den meiſten Reſt. — Mit welcher alten Seele ich in dein
Geburtsfeſt hineinſehe, mus dir deine ſagen. Du bleibſt mein ewiger
Otto. Du biſt meine ſchönſte Vergangenheit, die in die Gegenwart 10
feſt hereinwurzelt. O ich weis niemand auf der Erde, dem ich lieber und
wilder eine Freude gäbe und gönte als dir.
Dein Richter
215. An Amöne Otto.
Meiningen d. 27. Nov. 1801. 15
Vorholz von mir.
Meine theuere Freundin! Jezt zum Antworten las ich Ihren Brief
wieder und mir war ſo warm als hätt’ ich Sie umarmt. Du meine
gute Amöne! Du fortſchimmernder Morgen- und Abendſtern aus
meinen Jugendtagen, wie gern und weich ſeh ich dich an, geiſtig und 20
leiblich! Gewis leben wir alle — du, O., E., C. und ich — einmal nahe
an unſern Armen; ich habe ſo viel aus der Zukunft herausgegriffen
und glaube auch an dieſe Beute. Dan verwirret uns nichts mehr. Das
Lebewohl klingt in das ſchönere, das du meinem Freunde heute — am
Tage des Empfangs — bei ſeinem Feſte zurufſt! 25
N. S. Schreiben Sie das Tagebuch mit losgelaſſenem Feuer,
aber auch ohne den geringſten Wunſch irgend einer hiſtoriſchen
Aehnlichkeit. Für ſeine übrige litterariſche Bahn wil ich Bürge und
Zeremonienmeiſter ſein.
[137]R.
216. An Emanuel. 30
Meiningen d. 27. Nov. 1801.
Mein Alter und Blühender! Das Übrige ſol meine Frau ſagen. —
Meinem Bruder geben Sie die Prinzenſteuer oder Apanage fort *), 35
*) Vom dummen And. iſts aber ſündlich, aus Privatrache einem armen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/127>, abgerufen am 22.07.2024.
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