Wollen Sie H. Gerning sagen, daß ich seines v. 17tenao 1801 heute erst erhalten, aber jezt, da ich Wiesen zu besäen habe, schwer daran kan, in ein Blumentöpflein ein Reis zu stecken? Den Erfurtern hab' ich noch nicht geantwortet; werde aber doch zuweilen ein rezensierendes Wort in der Zeitung für das Sündengeld hören lassen, das sie an-5 bieten.
Ich und meine Gattin sind fort-seelig und werden immer jünger, zumal der Gatte. -- Der hiesige Herzog hat durch den Erbprinzen von Meklenburg, der bei mir war, und durch dessen Schwester in Hild- burghausen von einer für uns beide vorsorgenden Anstalt erfahren,10 die er noch verschweigt; sie erlaubt uns, überal zu leben, wird aber erst in einem 1/2 Jahre kräftig.
d. 12. J.
Vorgestern erhielt ich Ihre Loose, wovon ich bisher 4. angebracht, eines an mich, 1. Herzog, 1. Graf Türkheim, 1. H. v. Donop. In15 Ihrem Briefe standen 20 Loose, aber nur 10 lagen darin ..... Apropos! eben las ich Ihren Brief richtiger, er ist richtig. -- Schicken[143] Sie mir immer alles, was Sie erleichtert; ich nehm' alles gern ent- weder in das Herz oder auf die Schulter. Nichts ist schmerzlicher und mistönender -- sag' ich in Rüksicht Emanuels*) -- als wenn zwei20 gleich reine Melodien zugleich rein gesungen werden, nur aber jede aus einem andern Ton. Aber unter reinen Menschen löset die Zeit den Krieg; und aus dem Waffentanz wird ein hübscher Grosvater- und Sphärentanz.
Mein ewiger grosser Herder empfange hier seinen Grus und Dank!25 Sein lebendiges Seelenwort hat mich mehr als er weis, auf den rechten Fuspfad am Musenberg empor geleitet, wie er aus dem 3. Ti- tan noch mehr sehen sol. Sein Geist ist eine schöne Anthologie der Menschheit und besonders eine hübsche griechische. Bekränzt und leicht gehe die Zeit vor seiner innern Ewigkeit vorüber! --30
Sehr, sehr freu' ich mich der Adrastea entgegen!
Der guten Herzogin Mutter und dem Zirkel dieses schimmernden Mittelpunktes möcht' ich gern hier durch Sie ein Grüslein schicken -- auch Ihren Kindern und besonders dem schönen. --
*) Von dessen Behauptungen ich noch nichts weis.35
Wollen Sie H. Gerning ſagen, daß ich ſeines v. 17tenao 1801 heute erſt erhalten, aber jezt, da ich Wieſen zu beſäen habe, ſchwer daran kan, in ein Blumentöpflein ein Reis zu ſtecken? Den Erfurtern hab’ ich noch nicht geantwortet; werde aber doch zuweilen ein rezenſierendes Wort in der Zeitung für das Sündengeld hören laſſen, das ſie an-5 bieten.
Ich und meine Gattin ſind fort-ſeelig und werden immer jünger, zumal der Gatte. — Der hieſige Herzog hat durch den Erbprinzen von Meklenburg, der bei mir war, und durch deſſen Schweſter in Hild- burghausen von einer für uns beide vorſorgenden Anſtalt erfahren,10 die er noch verſchweigt; ſie erlaubt uns, überal zu leben, wird aber erſt in einem ½ Jahre kräftig.
d. 12. J.
Vorgeſtern erhielt ich Ihre Looſe, wovon ich bisher 4. angebracht, eines an mich, 1. Herzog, 1. Graf Türkheim, 1. H. v. Donop. In15 Ihrem Briefe ſtanden 20 Looſe, aber nur 10 lagen darin ..... Apropos! eben las ich Ihren Brief richtiger, er iſt richtig. — Schicken[143] Sie mir immer alles, was Sie erleichtert; ich nehm’ alles gern ent- weder in das Herz oder auf die Schulter. Nichts iſt ſchmerzlicher und mistönender — ſag’ ich in Rükſicht Emanuels*) — als wenn zwei20 gleich reine Melodien zugleich rein geſungen werden, nur aber jede aus einem andern Ton. Aber unter reinen Menſchen löſet die Zeit den Krieg; und aus dem Waffentanz wird ein hübſcher Grosvater- und Sphärentanz.
Mein ewiger groſſer Herder empfange hier ſeinen Grus und Dank!25 Sein lebendiges Seelenwort hat mich mehr als er weis, auf den rechten Fuspfad am Muſenberg empor geleitet, wie er aus dem 3. Ti- tan noch mehr ſehen ſol. Sein Geiſt iſt eine ſchöne Anthologie der Menſchheit und beſonders eine hübſche griechiſche. Bekränzt und leicht gehe die Zeit vor ſeiner innern Ewigkeit vorüber! —30
Sehr, ſehr freu’ ich mich der Adrastea entgegen!
Der guten Herzogin Mutter und dem Zirkel dieſes ſchimmernden Mittelpunktes möcht’ ich gern hier durch Sie ein Grüslein ſchicken — auch Ihren Kindern und beſonders dem ſchönen. —
*) Von deſſen Behauptungen ich noch nichts weis.35
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Wollen Sie H. Gerning ſagen, daß ich ſeines v. 17ten ao 1801 heute
erſt erhalten, aber jezt, da ich Wieſen zu beſäen habe, ſchwer daran
kan, in ein Blumentöpflein ein Reis zu ſtecken? Den Erfurtern hab’
ich noch nicht geantwortet; werde aber doch zuweilen ein rezenſierendes
Wort in der Zeitung für das Sündengeld hören laſſen, das ſie an- 5
bieten.
Ich und meine Gattin ſind fort-ſeelig und werden immer jünger,
zumal der Gatte. — Der hieſige Herzog hat durch den Erbprinzen von
Meklenburg, der bei mir war, und durch deſſen Schweſter in Hild-
burghausen von einer für uns beide vorſorgenden Anſtalt erfahren, 10
die er noch verſchweigt; ſie erlaubt uns, überal zu leben, wird aber erſt
in einem ½ Jahre kräftig.
d. 12. J.
Vorgeſtern erhielt ich Ihre Looſe, wovon ich bisher 4. angebracht,
eines an mich, 1. Herzog, 1. Graf Türkheim, 1. H. v. Donop. In 15
Ihrem Briefe ſtanden 20 Looſe, aber nur 10 lagen darin .....
Apropos! eben las ich Ihren Brief richtiger, er iſt richtig. — Schicken
Sie mir immer alles, was Sie erleichtert; ich nehm’ alles gern ent-
weder in das Herz oder auf die Schulter. Nichts iſt ſchmerzlicher und
mistönender — ſag’ ich in Rükſicht Emanuels *) — als wenn zwei 20
gleich reine Melodien zugleich rein geſungen werden, nur aber jede
aus einem andern Ton. Aber unter reinen Menſchen löſet die Zeit den
Krieg; und aus dem Waffentanz wird ein hübſcher Grosvater- und
Sphärentanz.
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Mein ewiger groſſer Herder empfange hier ſeinen Grus und Dank! 25
Sein lebendiges Seelenwort hat mich mehr als er weis, auf den
rechten Fuspfad am Muſenberg empor geleitet, wie er aus dem 3. Ti-
tan noch mehr ſehen ſol. Sein Geiſt iſt eine ſchöne Anthologie der
Menſchheit und beſonders eine hübſche griechiſche. Bekränzt und leicht
gehe die Zeit vor ſeiner innern Ewigkeit vorüber! — 30
Sehr, ſehr freu’ ich mich der Adrastea entgegen!
Der guten Herzogin Mutter und dem Zirkel dieſes ſchimmernden
Mittelpunktes möcht’ ich gern hier durch Sie ein Grüslein ſchicken —
auch Ihren Kindern und beſonders dem ſchönen. —
*) Von deſſen Behauptungen ich noch nichts weis. 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/133>, abgerufen am 22.07.2024.
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