Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.256. An Christian Otto. Meiningen d. 27. M[ärz] 1802.Zum Glük, Lieber, brauch ich über die ganze Freuden-Gegenwart d. 29. Du warfest mir schon mehrmals einen Genus der Wilkür (unter dem 256. An Chriſtian Otto. Meiningen d. 27. M[ärz] 1802.Zum Glük, Lieber, brauch ich über die ganze Freuden-Gegenwart d. 29. Du warfeſt mir ſchon mehrmals einen Genus der Wilkür (unter dem <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0148" n="141"/> <div type="letter" n="1"> <head>256. An <hi rendition="#g">Chriſtian Otto.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Meiningen</hi> d. 27. M[ärz] 1802.</hi> </dateline><lb/> <p>Zum Glük, Lieber, brauch ich über die ganze Freuden-Gegenwart<lb/> keine Sylbe zu ſagen, da ſie <hi rendition="#aq">Emanuel</hi> ſagt. <hi rendition="#aq">Emanuel</hi> findet an allen<lb/> Orten Freunde, entweder neue oder alte; ſo findet er auch hier Leute,<lb n="5"/> für die er wieder Poſtgeld ausgeben wird. — Dein Name <hi rendition="#aq">Christianus</hi><lb/> iſt gut und recht, da du einmal bei deiner verſchämten Grille bleibſt.<lb/> Schicke an <hi rendition="#aq">Wolt[man]</hi> noch einige Vorläufer, um dein Hauptbuch<lb/> höher anzubringen. Ich bin begierig, wie du jezt die vergröſſerte<note place="right"><ref target="1922_Bd4_158">[158]</ref></note><lb/> Nazion anſiehſt, die ich jezt wieder wie vor der Revoluzion nicht die<lb n="10"/> groſſe nennen kan; und ob die Terroriſten dich aus deinem Syſteme<lb/> ſchrekten. — Meine Reiſe nach dem Oberlande mit dem Herzoge und<lb/> mehreren, aber in einſizigen Schlitten — weswegen ich ſie ihm nicht<lb/> zum 2<hi rendition="#sup">ten</hi> mal abſchlug — ſolteſt du von mir beſchrieben leſen, ſo viel<lb/> gieng vor. Auch im herlichen an Bergrücken gelehnten Sonnenberg war<lb n="15"/> ich; und — ſonderbar, da ich beide Bekante nicht achte — es war mir<lb/> intereſſant, daß das <hi rendition="#aq">Georgium sidus</hi> da eine Frau geholt — im<lb/> ganzen Orte wird eine genant, die lieſet — und daß die <hi rendition="#aq">Liebman</hi><lb/> ſonſt da war, deren fettem Ebenbilde ich noch dazu auf einem Bal,<lb/> den der Herzog der Stadt gab, mit Luſt nachſah. In Neuhaus gab<lb n="20"/> uns ein Liebhabertheater von 4 Bauern eine kurze Komödie. Den<lb/> Tag vorher wurde das Stük 3 mal gegeben, weil man wegen des zu<lb/> kleinen Dach- und Theaterbodens immer die alten Bauern hinaus und<lb/> friſche hineinlaſſen muſte. Das Fräulein wurde von einem Kutſcher<lb/> erträglich gemacht, die Bewegungen ausgenommen, wenn man ſcharf<lb n="25"/> ſein wil. Am beſten aber wurde der alte Baron gegeben von einem<lb/> Menſchen, der eher aufs Theater als ins Zuchthaus ſolte, wohin er<lb/> doch nach einigen Tagen Meineids wegen beſtimt war. Von Zeit zu<lb/> Zeit wurde dem Herzoge, dem Prinzen von Heſſen Philipsthal und<lb/> dem fürſtlichen vorn mitſizenden Gefolge ein Krug gutes Bier ge-<lb n="30"/> bracht, das unter uns hinauf und hinablief.</p><lb/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right">d. 29.</hi> </dateline><lb/> <p>Du warfeſt mir ſchon mehrmals einen Genus der Wilkür (unter dem<lb/> Schreiben), des Bewuſtſeins, ſpielen, thun und laſſen zu können [vor].<lb/> Freund, dazu gelangt man nie mit ſeinen Kräften, mit denen man das<lb n="35"/> Ziel nur zu erreiten ſchon froh genug wäre; es zu überreiten ſind keine<lb/> da. Überhaupt zerrint das Ich vor dem Ernſt der Kunſt; und die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [141/0148]
256. An Chriſtian Otto.
Meiningen d. 27. M[ärz] 1802.
Zum Glük, Lieber, brauch ich über die ganze Freuden-Gegenwart
keine Sylbe zu ſagen, da ſie Emanuel ſagt. Emanuel findet an allen
Orten Freunde, entweder neue oder alte; ſo findet er auch hier Leute, 5
für die er wieder Poſtgeld ausgeben wird. — Dein Name Christianus
iſt gut und recht, da du einmal bei deiner verſchämten Grille bleibſt.
Schicke an Wolt[man] noch einige Vorläufer, um dein Hauptbuch
höher anzubringen. Ich bin begierig, wie du jezt die vergröſſerte
Nazion anſiehſt, die ich jezt wieder wie vor der Revoluzion nicht die 10
groſſe nennen kan; und ob die Terroriſten dich aus deinem Syſteme
ſchrekten. — Meine Reiſe nach dem Oberlande mit dem Herzoge und
mehreren, aber in einſizigen Schlitten — weswegen ich ſie ihm nicht
zum 2ten mal abſchlug — ſolteſt du von mir beſchrieben leſen, ſo viel
gieng vor. Auch im herlichen an Bergrücken gelehnten Sonnenberg war 15
ich; und — ſonderbar, da ich beide Bekante nicht achte — es war mir
intereſſant, daß das Georgium sidus da eine Frau geholt — im
ganzen Orte wird eine genant, die lieſet — und daß die Liebman
ſonſt da war, deren fettem Ebenbilde ich noch dazu auf einem Bal,
den der Herzog der Stadt gab, mit Luſt nachſah. In Neuhaus gab 20
uns ein Liebhabertheater von 4 Bauern eine kurze Komödie. Den
Tag vorher wurde das Stük 3 mal gegeben, weil man wegen des zu
kleinen Dach- und Theaterbodens immer die alten Bauern hinaus und
friſche hineinlaſſen muſte. Das Fräulein wurde von einem Kutſcher
erträglich gemacht, die Bewegungen ausgenommen, wenn man ſcharf 25
ſein wil. Am beſten aber wurde der alte Baron gegeben von einem
Menſchen, der eher aufs Theater als ins Zuchthaus ſolte, wohin er
doch nach einigen Tagen Meineids wegen beſtimt war. Von Zeit zu
Zeit wurde dem Herzoge, dem Prinzen von Heſſen Philipsthal und
dem fürſtlichen vorn mitſizenden Gefolge ein Krug gutes Bier ge- 30
bracht, das unter uns hinauf und hinablief.
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d. 29.
Du warfeſt mir ſchon mehrmals einen Genus der Wilkür (unter dem
Schreiben), des Bewuſtſeins, ſpielen, thun und laſſen zu können [vor].
Freund, dazu gelangt man nie mit ſeinen Kräften, mit denen man das 35
Ziel nur zu erreiten ſchon froh genug wäre; es zu überreiten ſind keine
da. Überhaupt zerrint das Ich vor dem Ernſt der Kunſt; und die
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Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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