Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.282. An Ahlefeldt. Meiningen d. 12. Juny 1802.Lieber Alter! Recht im Innern hat mich deine Handlung und dein Um deinen vorvorigen Brief oder deinen Irthum überhaupt zu Du wilst mein Jezt-Leben? Dazu gehören freilich Bücher -- noch[172] 282. An Ahlefeldt. Meiningen d. 12. Juny 1802.Lieber Alter! Recht im Innern hat mich deine Handlung und dein Um deinen vorvorigen Brief oder deinen Irthum überhaupt zu Du wilſt mein Jezt-Leben? Dazu gehören freilich Bücher — noch[172] <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0160" n="153"/> <div type="letter" n="1"> <head>282. An <hi rendition="#g">Ahlefeldt.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Meiningen</hi> d. 12. Juny 1802.</hi> </dateline><lb/> <p>Lieber Alter! Recht im Innern hat mich deine Handlung und dein<lb/> Brief gerührt; aber auch mit darum, weil ich im Innern gewis<lb/> immer freundlicher gegen dich war als auf der Oberfläche. Matzdorf<lb n="5"/> wird dir den <hi rendition="#g">frühern</hi> Grus haben leſen laſſen. — Nun aber bitt’<lb/> ich dich, deinen von dir ſelber geſezten Termin erſtlich mit ihm ſelber<lb/> zu addieren d. h. zu verdoppeln und dan mir nur die Hälfte der jezigen<lb/> Summe zu ſchicken, damit dir alles bequemer werde. Indes quittier’<lb/> ich Rechtens hiemit — nämlich mit der Verſicherung, daß ich 50 preuſſ.<lb n="10"/> Thaler von dir erhalten habe.</p><lb/> <p>Um deinen vorvorigen Brief oder deinen Irthum überhaupt zu<lb/> beantworten, ſo ſag’ ich dir, daß ich nie <hi rendition="#g">gegen</hi> dich — leicht ſtärker<lb/><hi rendition="#g">für</hi> dich — ſo ſtark vor andern geſprochen als vor dir ſelber und daß<lb/> ich — troz des Giftpunktes, der unſer herliches Leben anfras und den<lb n="15"/> freilich jezt manche Welle der Zeit auflöſend verdünt — nie eine un-<lb/> beſiegliche Liebe gegen dich, d. h. gegen deine Loyalität, Uneigen-<lb/> nüzigkeit, thätige Freundſchaft (Ja, du biſt ſogar ein beſſerer und mehr<lb/> ofner reellerer Freund als Liebhaber) und gegen deine poetiſche Sinnes-<lb/> art verloren habe. Das ſei dir genug. Ich habe mit dir ſo harmoniſch<lb n="20"/> zuſammengelebt wie noch mit keinem Man; und daher — und nur<lb/> aus Liebe — wie wohl auch aus zweifacher — kont’ ich oft härter<lb/> gegen dich ſein als ich es gegen einen Gleichgültigen oder jezo wäre.<lb/> Ich ſag’ es oft zu meiner <hi rendition="#aq">Caroline,</hi> wie das Bild unſerer ſchönen<lb/> Gemeinſchaft der Freude und Liebe mich immer bewege; und wenn<lb n="25"/> ich in die 3 alten Stuben wieder träte — was Gott doch geben wird —<lb/> lieber <hi rendition="#aq">Ahlefeld,</hi> ich würde es gewis mit naſſen Augen thun. Und dafür<lb/> habe und behalte du den Dank.</p><lb/> <p>Du wilſt mein Jezt-Leben? Dazu gehören freilich Bücher — noch<note place="right"><ref target="1922_Bd4_172">[172]</ref></note><lb/> auſſer meinen gedrukten — und die Briefe meiner Frau, die du doch<lb n="30"/> meinem Vater abkatechiſieren könteſt. Froh und (was noch beſſer)<lb/> ruhig bin ich — durch das Ehe-Glük erhoben über alles Simultan-<lb/> Streben — nur ängſtlich über den ſo gar kurzen Weg von dieſer Zeile<lb/> an bis zur tiefſten Höhle — heiterer und poetiſcher in der Arbeit — und<lb/> kurz alles iſt recht. Immer bleib’ ich nicht hier. Wohin — weis ich<lb n="35"/> ſelber noch nicht. Im Auguſt geh ich mit <hi rendition="#aq">C.</hi> nach Leipzig, und unſer<lb/> Vater dazu — Käme ein gewiſſer und ungewiſſer H. <hi rendition="#aq">v. Ahlefeldt:</hi><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [153/0160]
282. An Ahlefeldt.
Meiningen d. 12. Juny 1802.
Lieber Alter! Recht im Innern hat mich deine Handlung und dein
Brief gerührt; aber auch mit darum, weil ich im Innern gewis
immer freundlicher gegen dich war als auf der Oberfläche. Matzdorf 5
wird dir den frühern Grus haben leſen laſſen. — Nun aber bitt’
ich dich, deinen von dir ſelber geſezten Termin erſtlich mit ihm ſelber
zu addieren d. h. zu verdoppeln und dan mir nur die Hälfte der jezigen
Summe zu ſchicken, damit dir alles bequemer werde. Indes quittier’
ich Rechtens hiemit — nämlich mit der Verſicherung, daß ich 50 preuſſ. 10
Thaler von dir erhalten habe.
Um deinen vorvorigen Brief oder deinen Irthum überhaupt zu
beantworten, ſo ſag’ ich dir, daß ich nie gegen dich — leicht ſtärker
für dich — ſo ſtark vor andern geſprochen als vor dir ſelber und daß
ich — troz des Giftpunktes, der unſer herliches Leben anfras und den 15
freilich jezt manche Welle der Zeit auflöſend verdünt — nie eine un-
beſiegliche Liebe gegen dich, d. h. gegen deine Loyalität, Uneigen-
nüzigkeit, thätige Freundſchaft (Ja, du biſt ſogar ein beſſerer und mehr
ofner reellerer Freund als Liebhaber) und gegen deine poetiſche Sinnes-
art verloren habe. Das ſei dir genug. Ich habe mit dir ſo harmoniſch 20
zuſammengelebt wie noch mit keinem Man; und daher — und nur
aus Liebe — wie wohl auch aus zweifacher — kont’ ich oft härter
gegen dich ſein als ich es gegen einen Gleichgültigen oder jezo wäre.
Ich ſag’ es oft zu meiner Caroline, wie das Bild unſerer ſchönen
Gemeinſchaft der Freude und Liebe mich immer bewege; und wenn 25
ich in die 3 alten Stuben wieder träte — was Gott doch geben wird —
lieber Ahlefeld, ich würde es gewis mit naſſen Augen thun. Und dafür
habe und behalte du den Dank.
Du wilſt mein Jezt-Leben? Dazu gehören freilich Bücher — noch
auſſer meinen gedrukten — und die Briefe meiner Frau, die du doch 30
meinem Vater abkatechiſieren könteſt. Froh und (was noch beſſer)
ruhig bin ich — durch das Ehe-Glük erhoben über alles Simultan-
Streben — nur ängſtlich über den ſo gar kurzen Weg von dieſer Zeile
an bis zur tiefſten Höhle — heiterer und poetiſcher in der Arbeit — und
kurz alles iſt recht. Immer bleib’ ich nicht hier. Wohin — weis ich 35
ſelber noch nicht. Im Auguſt geh ich mit C. nach Leipzig, und unſer
Vater dazu — Käme ein gewiſſer und ungewiſſer H. v. Ahlefeldt:
[172]
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(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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