Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.Bei Gott, ich folge nie dieser Fahne und möchte sie lieber zerreissen -- Heinrich, nim Laudanum, ich bitte dich! Habe Dank für deine Lebe wohl, mein Geliebter! Du komst und kanst nie aus meiner[189] Richter Wenn du nicht bald schreiben kanst: köntest du mir nicht dafür alte Deine Stolbergsbriefe gab im vorvorigen Winter der Kapel- Meine götliche Frau sol an dich wenigstens überschreiben. 300. An Emanuel. Meiningen 17. Aug. 1802.30Lieber Alter! Seit gestern Abends schwimm' ich im Meer des Ver- Bei Gott, ich folge nie dieſer Fahne und möchte ſie lieber zerreiſſen — Heinrich, nim Laudanum, ich bitte dich! Habe Dank für deine Lebe wohl, mein Geliebter! Du komſt und kanſt nie aus meiner[189] Richter Wenn du nicht bald ſchreiben kanſt: könteſt du mir nicht dafür alte Deine Stolbergsbriefe gab im vorvorigen Winter der Kapel- Meine götliche Frau ſol an dich wenigſtens überſchreiben. 300. An Emanuel. Meiningen 17. Aug. 1802.30Lieber Alter! Seit geſtern Abends ſchwimm’ ich im Meer des Ver- <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0176" n="169"/> Bei Gott, ich folge nie dieſer Fahne und möchte ſie lieber zerreiſſen<lb/> und verbrennen; ich werde daher nirgends in der Poeſie (wenn ich<lb/> einmal darüber ſchreibe) ſchonen oder läſtern oder angehören. — Ich<lb/> wolte, du hätteſt einen klügern Menſchen als den <hi rendition="#aq">Schlabrendorf</hi> über<lb/> mich gehört, der mich noch dazu haſſet, weil ich gegen ihn für ſeine<lb n="5"/> vorige Frau war.</p><lb/> <p>— Heinrich, nim <hi rendition="#aq">Laudanum,</hi> ich bitte dich! Habe Dank für deine<lb/> Belehrung über den <hi rendition="#aq">St. Martin;</hi> ich widerrufe ſehr gern. Leider hab<lb/> ich von ihm nichts geleſen als <hi rendition="#aq">Asmus</hi> Vorrede und hatte unſchuldig<lb/> den dummen Bode-Nikolai unter meinen Exzerpten. — Über <hi rendition="#aq">Schillers</hi><lb n="10"/> Jungfrau? Sie iſt ſein Beſtes, ſeine h. Jungfrau. Aber in der Ge-<lb/> ſchichte ſelber iſt ſie doch gröſſer. Gegen Schiller, den deutſchen Young,<lb/> hab’ ich viel; gegen dieſen brittiſchen Proſa-Glanz.</p><lb/> <p>Lebe wohl, mein Geliebter! Du komſt und kanſt nie aus meiner<note place="right"><ref target="1922_Bd4_189">[189]</ref></note><lb/> Seele, deine Lehren und meine Hofnungen ſind die Wurzeln, womit<lb n="15"/> du mein Herz fäſſeſt. Hätt’ ich dich einmal geſehen, dan könt’ ichs<lb/> leiden, daß ich oder du ſtürben. Einmal an deiner Bruſt zu ſein, ſo<lb/> viel tauſend Worte von dir zu hören, die ich ſo brauche, das iſt mein<lb/> Wunſch und Glük, aber meine Hofnung nicht. Schreibe bald, Hein-<lb/> rich!<lb n="20"/> </p> <closer> <salute> <hi rendition="#right">Richter</hi> </salute> </closer><lb/> <postscript> <p>Wenn du nicht bald ſchreiben kanſt: könteſt du mir nicht dafür alte<lb/> halbleſerliche Mſpte von dir ſchicken? Ich bitte dich.</p><lb/> <p>Deine Stolbergsbriefe gab im vorvorigen Winter der Kapel-<lb/> meiſter Reichard in <hi rendition="#aq">Berlin</hi> herum und man las ſie ſehr billigend. —<lb n="25"/> Die von J. <hi rendition="#aq">Müller</hi> hab ich längſt genoſſen. Nur weicht die Gottheit<lb/> des Jünglings vom Man.</p><lb/> <p>Meine götliche Frau ſol an dich wenigſtens überſchreiben.</p> </postscript> </div> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <div> <head>300. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Meiningen</hi> 17. Aug. 1802.</hi> </dateline> <lb n="30"/> <p>Lieber Alter! Seit geſtern Abends ſchwimm’ ich im Meer des Ver-<lb/> gnügens oder Biers; der Einſpänner holte mirs für 4. Laubtl., nach-<lb/> dem ich vorher einen Schub-Kärner — weil Ihr erſter mir nur 2 Fäs-<lb/> gen verſprach — umſonſt mit ſeiner Frau für 3 fl. darnach geſandt.<lb/> Koſtbar iſt es, mein Herbſt-Troſt, mein Magen-Balſam, mein Pallia-<lb n="35"/> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [169/0176]
Bei Gott, ich folge nie dieſer Fahne und möchte ſie lieber zerreiſſen
und verbrennen; ich werde daher nirgends in der Poeſie (wenn ich
einmal darüber ſchreibe) ſchonen oder läſtern oder angehören. — Ich
wolte, du hätteſt einen klügern Menſchen als den Schlabrendorf über
mich gehört, der mich noch dazu haſſet, weil ich gegen ihn für ſeine 5
vorige Frau war.
— Heinrich, nim Laudanum, ich bitte dich! Habe Dank für deine
Belehrung über den St. Martin; ich widerrufe ſehr gern. Leider hab
ich von ihm nichts geleſen als Asmus Vorrede und hatte unſchuldig
den dummen Bode-Nikolai unter meinen Exzerpten. — Über Schillers 10
Jungfrau? Sie iſt ſein Beſtes, ſeine h. Jungfrau. Aber in der Ge-
ſchichte ſelber iſt ſie doch gröſſer. Gegen Schiller, den deutſchen Young,
hab’ ich viel; gegen dieſen brittiſchen Proſa-Glanz.
Lebe wohl, mein Geliebter! Du komſt und kanſt nie aus meiner
Seele, deine Lehren und meine Hofnungen ſind die Wurzeln, womit 15
du mein Herz fäſſeſt. Hätt’ ich dich einmal geſehen, dan könt’ ichs
leiden, daß ich oder du ſtürben. Einmal an deiner Bruſt zu ſein, ſo
viel tauſend Worte von dir zu hören, die ich ſo brauche, das iſt mein
Wunſch und Glük, aber meine Hofnung nicht. Schreibe bald, Hein-
rich! 20
[189]Richter
Wenn du nicht bald ſchreiben kanſt: könteſt du mir nicht dafür alte
halbleſerliche Mſpte von dir ſchicken? Ich bitte dich.
Deine Stolbergsbriefe gab im vorvorigen Winter der Kapel-
meiſter Reichard in Berlin herum und man las ſie ſehr billigend. — 25
Die von J. Müller hab ich längſt genoſſen. Nur weicht die Gottheit
des Jünglings vom Man.
Meine götliche Frau ſol an dich wenigſtens überſchreiben.
300. An Emanuel.
Meiningen 17. Aug. 1802. 30
Lieber Alter! Seit geſtern Abends ſchwimm’ ich im Meer des Ver-
gnügens oder Biers; der Einſpänner holte mirs für 4. Laubtl., nach-
dem ich vorher einen Schub-Kärner — weil Ihr erſter mir nur 2 Fäs-
gen verſprach — umſonſt mit ſeiner Frau für 3 fl. darnach geſandt.
Koſtbar iſt es, mein Herbſt-Troſt, mein Magen-Balſam, mein Pallia- 35
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(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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