Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.gallisiere und endlich ganz; aber nichts davon wisse. Freilich begräbt Coburg. d. 8. Sept. 1803. Guter Heinrich! Alles hab' ich erhalten, nichts gelitten und doch Über deine 3. Schellings Briefe! So vortreflich der 1. geschrieben Über Schillers Braut? Das würde zu lang für meine Eile. Doch30 Linda? -- Himmel! wie kontest du, ja sogar irgend jemand hier galliſiere und endlich ganz; aber nichts davon wiſſe. Freilich begräbt Coburg. d. 8. Sept. 1803. Guter Heinrich! Alles hab’ ich erhalten, nichts gelitten und doch Über deine 3. Schellings Briefe! So vortreflich der 1. geſchrieben Über Schillers Braut? Das würde zu lang für meine Eile. Doch30 Linda? — Himmel! wie konteſt du, ja ſogar irgend jemand hier <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0244" n="236"/> galliſiere und endlich ganz; aber nichts davon wiſſe. Freilich begräbt<lb/> die Zeit dieſe Sprach-Verpeſtung jedes Jahr um einige Schuhe tiefer.</p><lb/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Coburg. d. 8. Sept.</hi> 1803.</hi> </dateline><lb/> <p>Guter Heinrich! Alles hab’ ich erhalten, nichts gelitten und doch<lb/> geſchwiegen. Auch bei dem Schweigen koſtets nur den erſten Schrit.<lb n="5"/> <note place="left"><ref target="1922_Bd4_264">[264]</ref></note>Als ich lange auf dein Buch warten muſte: kam ich überhaupt ins<lb/> aktive Warten; und dan — da du mich doch immer ins paſſive ſezteſt<lb/> und einmal 1 Jahr auf zwei Antworten lauern lieſſeſt — glaubt’ ich,<lb/> ich könte ſo wohl gar noch etwas erringen. Doch Sommerreiſen und<lb/> ſtarkes Arbeiten ſind auch meine Advokaten. — Jezt hab’ ich mir<lb n="10"/> geſchworen, leider deine Krankheit immer vorauszuſezen und daher nach<lb/> nichts zu verlangen als was ich — bekommen.</p><lb/> <p>Über deine 3. Schellings Briefe! So vortreflich der 1. geſchrieben<lb/> iſt — da du, ungleich unſern andern transſzend[enten] Schreib-<lb/> Meiſtern durch Alter an Stil gewinſt — ſo ſteht er doch als bloſſe<lb n="15"/> faktiſche Darſtellung der falſchen, weit dem eigentlich philoſophiſchen<lb/> nach, nämlich er war faſt entbehrlich, da ja Schelling gedrukt iſt und<lb/> du zu lange von dir ſprechen muſt. Aber im 2<hi rendition="#sup">ten</hi> herſchet deine groſſe<lb/> Philoſophier-Manier, die den Körper des fremden Syſtems durch<lb/> den aus deſſen Blute extrahierten Geiſt mit einigen Tropfen umbringt.<lb n="20"/> Dein einziges Gleichnis <hi rendition="#aq">p.</hi> 252 1 — 1 = <formula notation="TeX">\nicefrac{1}{1}</formula> iſt in dieſer Sache ein<lb/> Buch werth; und iſt noch dazu mehr eine Gleichung als ein Gleichnis.<lb/> Und das 2<hi rendition="#sup">te</hi> vom Gelde. — Gott und der Arzt gebe, daß du dein Ver-<lb/> ſprechen <hi rendition="#aq">p.</hi> 274 hältſt. Wizig polierſt du den Dreieinigkeits Ring, aber<lb/> Schade iſt, daß du einen Edelſtein, den du mir aus <hi rendition="#aq">Hamburg</hi> darin<lb n="25"/> mitgeſchikt, daraus ausgebrochen. Dein Köppen iſt klar und tief aus<lb/> deinem Meer gefloſſen. Man hört ihn wachſen, ſo ſchnel. Doch gelten<lb/> viele Einwürfe gegen Schellings Abſolutum auch gegen jedes, gegen<lb/> jeden Gott, wenn er in Worte und Begriffe verkörpert werden ſol.</p><lb/> <p>Über <hi rendition="#aq">Schillers</hi> Braut? Das würde zu lang für meine Eile. Doch<lb n="30"/> halt’ ich ſie für griechiſcher als den <hi rendition="#aq">Wallenstein.</hi> Auch las ich ſie nur<lb/> fliehend im Mſpt.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">Linda?</hi> — Himmel! wie konteſt du, ja ſogar irgend jemand hier<lb/> irren? Ihr Denken, Lieben und Fallen halt’ ich für mein beſtes Werk.<lb/> Aber wie ſol ich, ohne eines zu machen, dieſes vertheidigen? Titan<lb n="35"/> ſolte heiſſen Anti-Titan; jeder Himmelsſtürmer findet ſeine Hölle;<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [236/0244]
galliſiere und endlich ganz; aber nichts davon wiſſe. Freilich begräbt
die Zeit dieſe Sprach-Verpeſtung jedes Jahr um einige Schuhe tiefer.
Coburg. d. 8. Sept. 1803.
Guter Heinrich! Alles hab’ ich erhalten, nichts gelitten und doch
geſchwiegen. Auch bei dem Schweigen koſtets nur den erſten Schrit. 5
Als ich lange auf dein Buch warten muſte: kam ich überhaupt ins
aktive Warten; und dan — da du mich doch immer ins paſſive ſezteſt
und einmal 1 Jahr auf zwei Antworten lauern lieſſeſt — glaubt’ ich,
ich könte ſo wohl gar noch etwas erringen. Doch Sommerreiſen und
ſtarkes Arbeiten ſind auch meine Advokaten. — Jezt hab’ ich mir 10
geſchworen, leider deine Krankheit immer vorauszuſezen und daher nach
nichts zu verlangen als was ich — bekommen.
[264]
Über deine 3. Schellings Briefe! So vortreflich der 1. geſchrieben
iſt — da du, ungleich unſern andern transſzend[enten] Schreib-
Meiſtern durch Alter an Stil gewinſt — ſo ſteht er doch als bloſſe 15
faktiſche Darſtellung der falſchen, weit dem eigentlich philoſophiſchen
nach, nämlich er war faſt entbehrlich, da ja Schelling gedrukt iſt und
du zu lange von dir ſprechen muſt. Aber im 2ten herſchet deine groſſe
Philoſophier-Manier, die den Körper des fremden Syſtems durch
den aus deſſen Blute extrahierten Geiſt mit einigen Tropfen umbringt. 20
Dein einziges Gleichnis p. 252 1 — 1 = [FORMEL] iſt in dieſer Sache ein
Buch werth; und iſt noch dazu mehr eine Gleichung als ein Gleichnis.
Und das 2te vom Gelde. — Gott und der Arzt gebe, daß du dein Ver-
ſprechen p. 274 hältſt. Wizig polierſt du den Dreieinigkeits Ring, aber
Schade iſt, daß du einen Edelſtein, den du mir aus Hamburg darin 25
mitgeſchikt, daraus ausgebrochen. Dein Köppen iſt klar und tief aus
deinem Meer gefloſſen. Man hört ihn wachſen, ſo ſchnel. Doch gelten
viele Einwürfe gegen Schellings Abſolutum auch gegen jedes, gegen
jeden Gott, wenn er in Worte und Begriffe verkörpert werden ſol.
Über Schillers Braut? Das würde zu lang für meine Eile. Doch 30
halt’ ich ſie für griechiſcher als den Wallenstein. Auch las ich ſie nur
fliehend im Mſpt.
Linda? — Himmel! wie konteſt du, ja ſogar irgend jemand hier
irren? Ihr Denken, Lieben und Fallen halt’ ich für mein beſtes Werk.
Aber wie ſol ich, ohne eines zu machen, dieſes vertheidigen? Titan 35
ſolte heiſſen Anti-Titan; jeder Himmelsſtürmer findet ſeine Hölle;
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |