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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.

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wie jeder Berg zulezt seine Ebene aus seinem Thale macht. Das Buch
ist der Streit der Kraft mit der Harmonie. Sogar Liane Schoppe
mus durch Einkräftigkeit versinken; Albano streift daran und leidet[265]
wenigstens. Gaspard verliert seine Palme etc. Freilich ist dein Morgen-
Gedanke richtig -- aber spät --, daß Linda eine Titanide ist, doch5
mehr ein weiblicher Alwil 338 als ein Roquairol; denn sie hat noch
nicht ihre Liebe in Liebeshändeln und Versen verpuft. Warlich die
Leser sind alle Albanos gegen sie gewesen. Wie übersahen sie denn:
ihre Achtung für listigen Weltverstand und ihren Mangel an Sorge
und Achtung für Menschen p. 204 (das ächte Zeichen unweiblicher10
Liebe) -- ihre Erziehung bei der phantastischen Mutter und die Gesichts
Aehnlichkeit -- ihre Faulheit 219 -- ihre Liebe gegen Medea 239
und Mirabeau 135 -- ihr[en] Has auch der schönen Wirklichkeit --
ihre Freigeisterei über Unsterblichkeit, über Selbstmord, Moralität
p. 158. 203. 191. -- ihren Has der Reue 195 und des Besserns 156 --15
und aller Gesezmässigkeit ausser als äussern Schein -- und ihr Lob des
Wollens -- ihr Urtheil über Roquairol 192 -- und ihren Has der
Ehe,
worin ja ihr Fal schon stekt. Ihre Liebe -- aber nicht die weib-
liche, selber der Fürst sagt, sie liebe weder Kinder noch Hunde ,
sondern die unweibliche wie sie Roquairol hat, daher ihr Gegensaz20
von der prosaisch sorgenden Julienne und der poetisch noch mehr
sorgenden Idoine; daher ihr Fodern des Aufopferns mänlicher
Zwecke -- ihre Liebe, ihre erste, südliche, ist jezt ihr Herz, dem sie
sogar durch Ehe die Freiheit opfert. Und mildert diese einen Fal kurz
vor der Hochzeit nicht? Noch mehr Milderungen: sei mein guter25
Genius sagt sie zu Roquairol 377 -- ihre Jungfräulichkeit nach dem
Abfal und die Scheu der nächsten Zukunft -- und ihre ruhige Los-
sagung von Albano, was kein weiblicher Roquairol gethan hätte,
so daß sie hinterher nichts auf der Welt weiter lieben wird als ihr
Kind. Wie, wenn Rabette und Gustav gegen ihre Grundsäze fallen30
konten, warum nicht sie noch besser an ihren? -- Aber Idoine wäre
nie nur der fremden Versuchung zum Falle nahe gekommen; denn
darin besteht alles, im Zulassen der kleinsten Sünde, die eigentlich
die gröste ist und wird. -- Und dieses arme immer wahrhafte von
einem Teufel zerrissene Wesen wilst du einen "ekelhaften Drachen"[266]35
nennen? Roquairol log ewig, sie nie. Jener wurde indes selber durch
sein Zerreissen zerrissen und ich halte jene Nacht für mein sitlichstes

wie jeder Berg zulezt ſeine Ebene aus ſeinem Thale macht. Das Buch
iſt der Streit der Kraft mit der Harmonie. Sogar Liane 〈Schoppe〉
mus durch Einkräftigkeit verſinken; Albano ſtreift daran und leidet[265]
wenigſtens. Gaſpard verliert ſeine Palme ꝛc. Freilich iſt dein Morgen-
Gedanke richtig — aber ſpät —, daß Linda eine Titanide iſt, doch5
mehr ein weiblicher Alwil 338 als ein Roquairol; denn ſie hat noch
nicht ihre Liebe in Liebeshändeln und Verſen verpuft. Warlich die
Leſer ſind alle Albanos gegen ſie geweſen. Wie überſahen ſie denn:
ihre Achtung für liſtigen Weltverſtand und ihren Mangel an Sorge
und Achtung für Menſchen p. 204 (das ächte Zeichen unweiblicher10
Liebe) — ihre Erziehung bei der phantaſtiſchen Mutter und die Geſichts
Aehnlichkeit — ihre Faulheit 219 — ihre Liebe gegen Medea 239
und Mirabeau 135 — ihr[en] Has auch der ſchönen Wirklichkeit —
ihre Freigeiſterei über Unſterblichkeit, über Selbſtmord, Moralität
p. 158. 203. 191. — ihren Has der Reue 195 und des Beſſerns 156 —15
und aller Geſezmäſſigkeit auſſer als äuſſern Schein — und ihr Lob des
Wollens — ihr Urtheil über Roquairol 192 — und ihren Has der
Ehe,
worin ja ihr Fal ſchon ſtekt. Ihre Liebe — aber nicht die weib-
liche, ſelber der Fürſt ſagt, ſie liebe weder Kinder noch Hunde ,
ſondern die unweibliche wie ſie Roquairol hat, daher ihr Gegenſaz20
von der proſaiſch ſorgenden Julienne und der poetiſch noch mehr
ſorgenden Idoine; daher ihr Fodern des Aufopferns mänlicher
Zwecke — ihre Liebe, ihre erſte, ſüdliche, iſt jezt ihr Herz, dem ſie
ſogar durch Ehe die Freiheit opfert. Und mildert dieſe einen Fal kurz
vor der Hochzeit nicht? Noch mehr Milderungen: ſei mein guter25
Genius ſagt ſie zu Roquairol 377 — ihre Jungfräulichkeit nach dem
Abfal und die Scheu der nächſten Zukunft — und ihre ruhige Los-
ſagung von Albano, was kein weiblicher Roquairol gethan hätte,
ſo daß ſie hinterher nichts auf der Welt weiter lieben wird als ihr
Kind. Wie, wenn Rabette und Guſtav gegen ihre Grundſäze fallen30
konten, warum nicht ſie noch beſſer an ihren? — Aber Idoine wäre
nie nur der fremden Verſuchung zum Falle nahe gekommen; denn
darin beſteht alles, im Zulaſſen der kleinſten Sünde, die eigentlich
die gröſte iſt und wird. — Und dieſes arme immer wahrhafte von
einem Teufel zerriſſene Weſen wilſt du einen „ekelhaften Drachen“[266]35
nennen? Roquairol log ewig, ſie nie. Jener wurde indes ſelber durch
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[237/0245] wie jeder Berg zulezt ſeine Ebene aus ſeinem Thale macht. Das Buch iſt der Streit der Kraft mit der Harmonie. Sogar Liane 〈Schoppe〉 mus durch Einkräftigkeit verſinken; Albano ſtreift [FORMEL] daran und leidet wenigſtens. Gaſpard verliert ſeine Palme ꝛc. Freilich iſt dein Morgen- Gedanke richtig — aber ſpät —, daß Linda eine Titanide iſt, doch 5 mehr ein weiblicher Alwil 338 als ein Roquairol; denn ſie hat noch nicht ihre Liebe in Liebeshändeln und Verſen verpuft. Warlich die Leſer ſind alle Albanos gegen ſie geweſen. Wie überſahen ſie denn: ihre Achtung für liſtigen Weltverſtand und ihren Mangel an Sorge und Achtung für Menſchen p. 204 (das ächte Zeichen unweiblicher 10 Liebe) — ihre Erziehung bei der phantaſtiſchen Mutter und die Geſichts Aehnlichkeit — ihre Faulheit 219 — ihre Liebe gegen Medea 239 und Mirabeau 135 — ihr[en] Has auch der ſchönen Wirklichkeit — ihre Freigeiſterei über Unſterblichkeit, über Selbſtmord, Moralität p. 158. 203. 191. — ihren Has der Reue 195 und des Beſſerns 156 — 15 und aller Geſezmäſſigkeit auſſer als äuſſern Schein — und ihr Lob des Wollens — ihr Urtheil über Roquairol 192 — und ihren Has der Ehe, worin ja ihr Fal ſchon ſtekt. Ihre Liebe — aber nicht die weib- liche, ſelber der Fürſt ſagt, ſie liebe weder Kinder noch Hunde [FORMEL], ſondern die unweibliche [FORMEL] wie ſie Roquairol hat, daher ihr Gegenſaz 20 von der proſaiſch ſorgenden Julienne und der poetiſch noch mehr ſorgenden Idoine; daher ihr Fodern des Aufopferns mänlicher Zwecke — ihre Liebe, ihre erſte, ſüdliche, iſt jezt ihr Herz, dem ſie ſogar durch Ehe die Freiheit opfert. Und mildert dieſe einen Fal kurz vor der Hochzeit nicht? Noch mehr Milderungen: ſei mein guter 25 Genius ſagt ſie zu Roquairol 377 — ihre Jungfräulichkeit nach dem Abfal und die Scheu der nächſten Zukunft — und ihre ruhige Los- ſagung von Albano, was kein weiblicher Roquairol gethan hätte, ſo daß ſie hinterher nichts auf der Welt weiter lieben wird als ihr Kind. Wie, wenn Rabette und Guſtav gegen ihre Grundſäze fallen 30 konten, warum nicht ſie noch beſſer an ihren? — Aber Idoine wäre nie nur der fremden Verſuchung zum Falle nahe gekommen; denn darin beſteht alles, im Zulaſſen der kleinſten Sünde, die eigentlich die gröſte iſt und wird. — Und dieſes arme immer wahrhafte von einem Teufel zerriſſene Weſen wilſt du einen „ekelhaften Drachen“ 35 nennen? Roquairol log ewig, ſie nie. Jener wurde indes ſelber durch ſein Zerreiſſen zerriſſen und ich halte jene Nacht für mein ſitlichſtes [265] [266]

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:08:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:08:29Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/245>, abgerufen am 24.11.2024.