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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.

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die Abhandlung, woraus du mir Kredenz-Tropfen geschikt, nicht heraus,
wenigstens in den Beiträgen? --

Ich lebe hier ziemlich mit Tiek und Bernhardi (Schlegelianern)
zusammen; eh' wir divergieren, konvergieren wir doch recht sehr;
diese Parthei hat doch den rechten poetischen Geist, indes die feindliche5
nicht einmal das Seelenorgan davon besizt. Geist ist ihr überal alles
und die Form seiner Menschwerdung gleichgültig; so sind sie alle deine
Herolde, sogar als Gegner, indes die hölzerne kritische Opposizion als
verhülte Trompeter in deinen Werken umhergehen. Jene sind durch
mich mit Haman bekant gemacht und nun seine ofnen frohen Schüler.10
-- Apropos! ich habe alles von ihm, nur nicht sein Fragment aus[51]
London, dessen du gedenkst; kanst du mir es nicht auf 1 Monat leihen?
-- Und noch: Sol denn diese grosse Sphinx, wie die ägyptische, noch
immer halb im Sand begraben bleiben und wilst du nichts thun, sie un-
bedekt vor die Welt zu stellen? -- Du und Herder sind die einzigen, die15
es können.

Es wird mir schwer, dir der Spiegel meiner Braut zu sein. Wenn
ich dir sage, daß sie jungfräulich-edel, streng und weich, zu bescheiden,
fest, sehr schön, philosophisch-gebildet (durch des edeln Vaters lange
Erziehung; denn er ist von der Frau geschieden) resignierend, vol Liebe20
für Eltern und Geschwister und sogar in der feurigsten Liebe alle
andern Mittöne und Leittöne der Menschheit für jedes
Leiden und Freuen
bewahrend, jung und ganz gesund etc. ist: so
weist du noch nichts. Mache keine Schlüsse aus meinem ersten
Irthum; sogar Herder war von der vorigen Karoline begeistert, die25
so edel war, nur aber mit ihrem Egoismus nicht für mich paste. Mein
Leben mit der vorigen wurde mehr auf dem Schauplaz des -- Brief-
papiers gespielt; wurde nun ein hölzerner vorgeschoben, so trat der
Antagonismus unserer Naturen in jeder Minute grel auf. Allein mit
der jezigen C. wuchs ich -- ohne eine disharmonische Sekunde -- in30
einem vierteljährigen Beisammenstehen nur desto fester zusammen.
Sogar die Berlinerinnen, die mich sehr lieben und mir viel gönnen,
entliessen das holde Wesen mit einem Kranz von ihrem Richterstuhl.


Eben hab' ich deine Sinai-Briefe an die und den Stolberg und35
Holmer gelesen und dein kräftiges Herz und deinen transßendenten

die Abhandlung, woraus du mir Kredenz-Tropfen geſchikt, nicht heraus,
wenigſtens in den Beiträgen? —

Ich lebe hier ziemlich mit Tiek und Bernhardi (Schlegelianern)
zuſammen; eh’ wir divergieren, konvergieren wir doch recht ſehr;
dieſe Parthei hat doch den rechten poetiſchen Geiſt, indes die feindliche5
nicht einmal das Seelenorgan davon beſizt. Geiſt iſt ihr überal alles
und die Form ſeiner Menſchwerdung gleichgültig; ſo ſind ſie alle deine
Herolde, ſogar als Gegner, indes die hölzerne kritiſche Oppoſizion als
verhülte Trompeter in deinen Werken umhergehen. Jene ſind durch
mich mit Haman bekant gemacht und nun ſeine ofnen frohen Schüler.10
— Apropos! ich habe alles von ihm, nur nicht ſein Fragment aus[51]
London, deſſen du gedenkſt; kanſt du mir es nicht auf 1 Monat leihen?
— Und noch: Sol denn dieſe groſſe Sphinx, wie die ägyptiſche, noch
immer halb im Sand begraben bleiben und wilſt du nichts thun, ſie un-
bedekt vor die Welt zu ſtellen? — Du und Herder ſind die einzigen, die15
es können.

Es wird mir ſchwer, dir der Spiegel meiner Braut zu ſein. Wenn
ich dir ſage, daß ſie jungfräulich-edel, ſtreng und weich, zu beſcheiden,
feſt, ſehr ſchön, philoſophiſch-gebildet (durch des edeln Vaters lange
Erziehung; denn er iſt von der Frau geſchieden) reſignierend, vol Liebe20
für Eltern und Geſchwiſter und ſogar in der feurigſten Liebe alle
andern Mittöne und Leittöne der Menſchheit für jedes
Leiden und Freuen
bewahrend, jung und ganz geſund ꝛc. iſt: ſo
weiſt du noch nichts. Mache keine Schlüſſe aus meinem erſten
Irthum; ſogar Herder war von der vorigen Karoline begeiſtert, die25
ſo edel war, nur aber mit ihrem Egoiſmus nicht für mich paſte. Mein
Leben mit der vorigen wurde mehr auf dem Schauplaz des — Brief-
papiers geſpielt; wurde nun ein hölzerner vorgeſchoben, ſo trat der
Antagoniſmus unſerer Naturen in jeder Minute grel auf. Allein mit
der jezigen C. wuchs ich — ohne eine disharmoniſche Sekunde — in30
einem vierteljährigen Beiſammenſtehen nur deſto feſter zuſammen.
Sogar die Berlinerinnen, die mich ſehr lieben und mir viel gönnen,
entlieſſen das holde Weſen mit einem Kranz von ihrem Richterſtuhl.


Eben hab’ ich deine Sinai-Briefe an die und den Stolberg und35
Holmer geleſen und dein kräftiges Herz und deinen transſzendenten

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[45/0051] die Abhandlung, woraus du mir Kredenz-Tropfen geſchikt, nicht heraus, wenigſtens in den Beiträgen? — Ich lebe hier ziemlich mit Tiek und Bernhardi (Schlegelianern) zuſammen; eh’ wir divergieren, konvergieren wir doch recht ſehr; dieſe Parthei hat doch den rechten poetiſchen Geiſt, indes die feindliche 5 nicht einmal das Seelenorgan davon beſizt. Geiſt iſt ihr überal alles und die Form ſeiner Menſchwerdung gleichgültig; ſo ſind ſie alle deine Herolde, ſogar als Gegner, indes die hölzerne kritiſche Oppoſizion als verhülte Trompeter in deinen Werken umhergehen. Jene ſind durch mich mit Haman bekant gemacht und nun ſeine ofnen frohen Schüler. 10 — Apropos! ich habe alles von ihm, nur nicht ſein Fragment aus London, deſſen du gedenkſt; kanſt du mir es nicht auf 1 Monat leihen? — Und noch: Sol denn dieſe groſſe Sphinx, wie die ägyptiſche, noch immer halb im Sand begraben bleiben und wilſt du nichts thun, ſie un- bedekt vor die Welt zu ſtellen? — Du und Herder ſind die einzigen, die 15 es können. [51] Es wird mir ſchwer, dir der Spiegel meiner Braut zu ſein. Wenn ich dir ſage, daß ſie jungfräulich-edel, ſtreng und weich, zu beſcheiden, feſt, ſehr ſchön, philoſophiſch-gebildet (durch des edeln Vaters lange Erziehung; denn er iſt von der Frau geſchieden) reſignierend, vol Liebe 20 für Eltern und Geſchwiſter und ſogar in der feurigſten Liebe alle andern Mittöne und Leittöne der Menſchheit für jedes Leiden und Freuen bewahrend, jung und ganz geſund ꝛc. iſt: ſo weiſt du noch nichts. Mache keine Schlüſſe aus meinem erſten Irthum; ſogar Herder war von der vorigen Karoline begeiſtert, die 25 ſo edel war, nur aber mit ihrem Egoiſmus nicht für mich paſte. Mein Leben mit der vorigen wurde mehr auf dem Schauplaz des — Brief- papiers geſpielt; wurde nun ein hölzerner vorgeſchoben, ſo trat der Antagoniſmus unſerer Naturen in jeder Minute grel auf. Allein mit der jezigen C. wuchs ich — ohne eine disharmoniſche Sekunde — in 30 einem vierteljährigen Beiſammenſtehen nur deſto feſter zuſammen. Sogar die Berlinerinnen, die mich ſehr lieben und mir viel gönnen, entlieſſen das holde Weſen mit einem Kranz von ihrem Richterſtuhl. d. 27. Jenn. Eben hab’ ich deine Sinai-Briefe an die und den Stolberg und 35 Holmer geleſen und dein kräftiges Herz und deinen transſzendenten

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:08:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:08:29Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/51>, abgerufen am 24.11.2024.