Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.dir nicht sagen, wie froh ich ihn wegtrinke; schicke mirs. -- 2) Zweitens 111. An Karoline Herder. [69] Berlin d. 9. Apr. 1801 [Donnerstag].Theuere Freundin! Empfangen Sie meinen gerührten und freu-10 Über Menschen ändert sich das Urtheil leichter als über Grundsäze; Eine ernstere Bitte hab' ich jezt, nämlich die, mich den nächsten30 *) und das Kosten Verzeichnis, aber unfrankiert, da es meine eigne Sache
betrift, dir nicht ſagen, wie froh ich ihn wegtrinke; ſchicke mirs. — 2) Zweitens 111. An Karoline Herder. [69] Berlin d. 9. Apr. 1801 [Donnerstag].Theuere Freundin! Empfangen Sie meinen gerührten und freu-10 Über Menſchen ändert ſich das Urtheil leichter als über Grundſäze; Eine ernſtere Bitte hab’ ich jezt, nämlich die, mich den nächſten30 *) und das Koſten Verzeichnis, aber unfrankiert, da es meine eigne Sache
betrift, <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0067" n="61"/> dir nicht ſagen, wie froh ich ihn wegtrinke; ſchicke mirs. — 2) Zweitens<lb/> gehe mit mir heute in die Paſſionsmuſik; du biſt der Sangboden und<lb/> Wiederhal der Töne für mich. Um 5 <hi rendition="#g">Uhr</hi> komm’ ich dan. Sag’ alſo<lb/> Müllern, der nachher die Billets holet, blos: <hi rendition="#g">zwei;</hi> (ſchlügſt du es<lb/> ab, ſage: <hi rendition="#g">eins</hi>). Ich kan dich kaum erwarten; laſſe mich alſo nicht<lb n="5"/> aufs Anziehen warten, weil ich keine Zeit ſo haſſe als dieſe im Lauern<lb/> verſchwendete. —</p> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>111. An <hi rendition="#g">Karoline Herder.</hi> <note place="right"><ref target="1922_Bd4_69">[69]</ref></note></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Berlin</hi> d. 9. Apr. 1801 [Donnerstag].</hi> </dateline><lb/> <p>Theuere Freundin! Empfangen Sie meinen gerührten und freu-<lb n="10"/> digen Dank für die Geſinnungen, womit Sie an den Abweſenden<lb/> glauben und ihn beglücken. Die meinigen ändert keine Zeit und keine<lb/> Stadt. Ich bin noch immer derſelbe, der ein neues Buch von <hi rendition="#aq">Herder</hi><lb/> wie einen Frühling erwartet und genieſſet. Ich hatte die <hi rendition="#aq">Adrastea</hi><lb/> ſchon von <hi rendition="#aq">Büri</hi> geleſen und mich über dieſen lezten Band „der Ideen<lb n="15"/> zur Geſchichte der Menſchheit“ erfreuet. Der Aeon — zumal ſein<lb/> ſophokles-ödipiſcher Tod — iſt das, was Göthe’s Kaſual-Aeon ſein<lb/> wolte; und ſo ziehen (vorn in der Vorrede) die Greife im poetiſchen<lb/> Aether. Unſerer von hiſtoriſcher Kentnis und humanen Anſichten zu-<lb/> gleich abkommenden Zeit werden die Kentnis- und Grazienreichen<lb n="20"/> Blätter Öl-, Roſen- und Stärkungsblätter ſein. Wie ſchlim ſtänd’ es<lb/> mit mir, wenn etwas in meinem Innern wäre, was ſich nicht freund-<lb/> lich mit ihnen vertrüge!</p><lb/> <p>Über Menſchen ändert ſich das Urtheil leichter als über Grundſäze;<lb/> alſo da ich über jene meines in einigen Punkten anders mitbringe,<lb n="25"/> z. B. über den leeren unpoetiſchen Merkel, der Parteiſucht mit Partei-<lb/> ſucht bekriegt: ſo kan freilich Ihre obere Tiſchecke, wenn ich daran<lb/> kommen darf, wieder ein Kriegsſchauplatz werden und ich bitte Sie,<lb/> ſich mit mir zu alliieren.</p><lb/> <p>Eine ernſtere Bitte hab’ ich jezt, nämlich die, mich den <hi rendition="#g">nächſten</hi><lb n="30"/> Sontag auf eine <hi rendition="#aq">Weimarsche</hi> Kanzel zu bringen nach beiliegendem<lb/> Zeugnis und mir gütigſt das Atteſtat der Proklamazion bald<note place="foot" n="*)">und das Koſten Verzeichnis, aber unfrankiert, da es meine eigne Sache<lb/> betrift,</note> zu<lb n="35"/> ſenden, weil man mich nach hieſigen Geſezen nicht eher kopuliert als<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [61/0067]
dir nicht ſagen, wie froh ich ihn wegtrinke; ſchicke mirs. — 2) Zweitens
gehe mit mir heute in die Paſſionsmuſik; du biſt der Sangboden und
Wiederhal der Töne für mich. Um 5 Uhr komm’ ich dan. Sag’ alſo
Müllern, der nachher die Billets holet, blos: zwei; (ſchlügſt du es
ab, ſage: eins). Ich kan dich kaum erwarten; laſſe mich alſo nicht 5
aufs Anziehen warten, weil ich keine Zeit ſo haſſe als dieſe im Lauern
verſchwendete. —
111. An Karoline Herder.
Berlin d. 9. Apr. 1801 [Donnerstag].
Theuere Freundin! Empfangen Sie meinen gerührten und freu- 10
digen Dank für die Geſinnungen, womit Sie an den Abweſenden
glauben und ihn beglücken. Die meinigen ändert keine Zeit und keine
Stadt. Ich bin noch immer derſelbe, der ein neues Buch von Herder
wie einen Frühling erwartet und genieſſet. Ich hatte die Adrastea
ſchon von Büri geleſen und mich über dieſen lezten Band „der Ideen 15
zur Geſchichte der Menſchheit“ erfreuet. Der Aeon — zumal ſein
ſophokles-ödipiſcher Tod — iſt das, was Göthe’s Kaſual-Aeon ſein
wolte; und ſo ziehen (vorn in der Vorrede) die Greife im poetiſchen
Aether. Unſerer von hiſtoriſcher Kentnis und humanen Anſichten zu-
gleich abkommenden Zeit werden die Kentnis- und Grazienreichen 20
Blätter Öl-, Roſen- und Stärkungsblätter ſein. Wie ſchlim ſtänd’ es
mit mir, wenn etwas in meinem Innern wäre, was ſich nicht freund-
lich mit ihnen vertrüge!
Über Menſchen ändert ſich das Urtheil leichter als über Grundſäze;
alſo da ich über jene meines in einigen Punkten anders mitbringe, 25
z. B. über den leeren unpoetiſchen Merkel, der Parteiſucht mit Partei-
ſucht bekriegt: ſo kan freilich Ihre obere Tiſchecke, wenn ich daran
kommen darf, wieder ein Kriegsſchauplatz werden und ich bitte Sie,
ſich mit mir zu alliieren.
Eine ernſtere Bitte hab’ ich jezt, nämlich die, mich den nächſten 30
Sontag auf eine Weimarsche Kanzel zu bringen nach beiliegendem
Zeugnis und mir gütigſt das Atteſtat der Proklamazion bald *) zu 35
ſenden, weil man mich nach hieſigen Geſezen nicht eher kopuliert als
*) und das Koſten Verzeichnis, aber unfrankiert, da es meine eigne Sache
betrift,
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(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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