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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.

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108. An Rektor Wernlein in Wunsiedel.

Lieber Duzbruder! So sehr ich auch seit unserer Unsichtbarkeit ver-
ändert worden, so hab' ich doch nicht genug, sondern wil mich jezt
selber verändern -- nämlich verehelichen. Ich mache daher meine5
Braut zuerst zur Witwe und bringe sie in die Witwen-Assekuranz;
dazu gehört nun mein Taufschein, worin (nach dem W. Kassenregle-
ment) die Zahlen mit Worten geschrieben und der noch ausserdem von
der Orts-Obrigkeit als Rükbürgen des Geistlichen unterzeichnet
sein mus. Um diese doppelte schnelle Besorgung und Bezahlung bitt'10
ich dich; leztere giebt dir Emanuel wieder zurük.

[68] Mit sonderbarem Gefühl blick' ich in eine so weite dämmernde
Zeit hinter uns zurük. Wie hat sich seitdem das Leben umgearbeitet,
umgestürzt und gesichtet! Vom Höfer Paul ist nichts mehr übrig als
die vordere Zahnlücke; von dir, glaub' ich, die Zähne, die immer am15
lezten verwittern.

Was macht Prükner und wozu ist er seitdem gemacht worden?

Ich möchte einmal nach Wonsiedel.

Lebe recht wohl und überzeuge mich durch einige Zeilen, daß du noch
eine Hand hast und einige Finger daran. Ich meines Orts überzeuge20
die Welt jede Messe davon. Adio! --

Richter
109. An Karoline Mayer.

Meine Theuere! Da mein Bote vor dir vorbeigeht, wil ich dich25
fragen, was du machst, du Liebe, zu der ich schon längst wieder möchte
-- und wil dir sagen, daß ichs heute nicht kan, da ich ins Thieriotsche
Konzert mus. Wie blikst du, reines Auge? -- Gestern as ich bei der
Krüdner. Schreib' ein Wort, mein Heiliges, mein Inneres, mein
Herz!30

110. An Karoline Mayer.

Meine Geliebte! 1.) Erstlich bitt' fleh' bet' ich dich recht
sehr um dein gestern für mich Geschriebnes; auf allen deinen Blättern
z. B. dem gestrigen ist schöner heller Morgenthau für mich, ich kan35

108. An Rektor Wernlein in Wunſiedel.

Lieber Duzbruder! So ſehr ich auch ſeit unſerer Unſichtbarkeit ver-
ändert worden, ſo hab’ ich doch nicht genug, ſondern wil mich jezt
ſelber verändern — nämlich verehelichen. Ich mache daher meine5
Braut zuerſt zur Witwe und bringe ſie in die Witwen-Aſſekuranz;
dazu gehört nun mein Taufſchein, worin (nach dem W. Kaſſenregle-
ment) die Zahlen mit Worten geſchrieben und der noch auſſerdem von
der Orts-Obrigkeit als Rükbürgen des Geiſtlichen unterzeichnet
ſein mus. Um dieſe doppelte ſchnelle Beſorgung und Bezahlung bitt’10
ich dich; leztere giebt dir Emanuel wieder zurük.

[68] Mit ſonderbarem Gefühl blick’ ich in eine ſo weite dämmernde
Zeit hinter uns zurük. Wie hat ſich ſeitdem das Leben umgearbeitet,
umgeſtürzt und geſichtet! Vom Höfer Paul iſt nichts mehr übrig als
die vordere Zahnlücke; von dir, glaub’ ich, die Zähne, die immer am15
lezten verwittern.

Was macht Prükner und wozu iſt er ſeitdem gemacht worden?

Ich möchte einmal nach Wonsiedel.

Lebe recht wohl und überzeuge mich durch einige Zeilen, daß du noch
eine Hand haſt und einige Finger daran. Ich meines Orts überzeuge20
die Welt jede Meſſe davon. Adio! —

Richter
109. An Karoline Mayer.

Meine Theuere! Da mein Bote vor dir vorbeigeht, wil ich dich25
fragen, was du machſt, du Liebe, zu der ich ſchon längſt wieder möchte
— und wil dir ſagen, daß ichs heute nicht kan, da ich ins Thieriotſche
Konzert mus. Wie blikſt du, reines Auge? — Geſtern as ich bei der
Krüdner. Schreib’ ein Wort, mein Heiliges, mein Inneres, mein
Herz!30

110. An Karoline Mayer.

Meine Geliebte! 1.) Erſtlich bitt’ 〈fleh’〉 〈bet’〉 ich dich recht
ſehr um dein geſtern für mich Geſchriebnes; auf allen deinen Blättern
z. B. dem geſtrigen iſt ſchöner heller Morgenthau für mich, ich kan35

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[60/0066] 108. An Rektor Wernlein in Wunſiedel. [Berlin, 31. März 1801] Lieber Duzbruder! So ſehr ich auch ſeit unſerer Unſichtbarkeit ver- ändert worden, ſo hab’ ich doch nicht genug, ſondern wil mich jezt ſelber verändern — nämlich verehelichen. Ich mache daher meine 5 Braut zuerſt zur Witwe und bringe ſie in die Witwen-Aſſekuranz; dazu gehört nun mein Taufſchein, worin (nach dem W. Kaſſenregle- ment) die Zahlen mit Worten geſchrieben und der noch auſſerdem von der Orts-Obrigkeit als Rükbürgen des Geiſtlichen unterzeichnet ſein mus. Um dieſe doppelte ſchnelle Beſorgung und Bezahlung bitt’ 10 ich dich; leztere giebt dir Emanuel wieder zurük. Mit ſonderbarem Gefühl blick’ ich in eine ſo weite dämmernde Zeit hinter uns zurük. Wie hat ſich ſeitdem das Leben umgearbeitet, umgeſtürzt und geſichtet! Vom Höfer Paul iſt nichts mehr übrig als die vordere Zahnlücke; von dir, glaub’ ich, die Zähne, die immer am 15 lezten verwittern. [68] Was macht Prükner und wozu iſt er ſeitdem gemacht worden? Ich möchte einmal nach Wonsiedel. Lebe recht wohl und überzeuge mich durch einige Zeilen, daß du noch eine Hand haſt und einige Finger daran. Ich meines Orts überzeuge 20 die Welt jede Meſſe davon. Adio! — Richter 109. An Karoline Mayer. [Berlin, 2. April 1801] Meine Theuere! Da mein Bote vor dir vorbeigeht, wil ich dich 25 fragen, was du machſt, du Liebe, zu der ich ſchon längſt wieder möchte — und wil dir ſagen, daß ichs heute nicht kan, da ich ins Thieriotſche Konzert mus. Wie blikſt du, reines Auge? — Geſtern as ich bei der Krüdner. Schreib’ ein Wort, mein Heiliges, mein Inneres, mein Herz! 30 110. An Karoline Mayer. [Berlin, 3. April 1801. Karfreitag] Meine Geliebte! 1.) Erſtlich bitt’ 〈fleh’〉 〈bet’〉 ich dich recht ſehr um dein geſtern für mich Geſchriebnes; auf allen deinen Blättern z. B. dem geſtrigen iſt ſchöner heller Morgenthau für mich, ich kan 35

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:08:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:08:29Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/66>, abgerufen am 24.11.2024.