Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.P. S. Auch der Postskribent komt mit Freuden zu Ihnen und zur Richter [4] 4. An Herder in Weimar. Berlin d. 8. Okt. 1800 [Mittwoch].Unvergeslichster Freund! Die erste Zeile, die ich auf die Post schicke, Ich habe kaum noch eine halbe Million Besuche gemacht und ver-15 Gestern wurde Mozarts Requiem als Todtenfeier des herlichen P. S. Auch der Poſtſkribent komt mit Freuden zu Ihnen und zur Richter [4] 4. An Herder in Weimar. Berlin d. 8. Okt. 1800 [Mittwoch].Unvergeslichſter Freund! Die erſte Zeile, die ich auf die Poſt ſchicke, Ich habe kaum noch eine halbe Million Beſuche gemacht und ver-15 Geſtern wurde Mozarts Requiem als Todtenfeier des herlichen <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <pb facs="#f0007" n="2"/> <postscript> <p><hi rendition="#aq">P. S.</hi> Auch der Poſtſkribent komt mit Freuden zu Ihnen und zur<lb/> Palingeneſie unſeres erſten Abends. Mein Grundſaz, daß man keine<lb/> Freude wiederholen könne, ſchlieſſet den nicht aus, daß man ſie ver-<lb/> gröſſern könne. Mit Dank und Freude und Hofnung erwart’ ich die<lb/> Minute des Wiederſehens. —<lb n="5"/> </p> </postscript> <closer> <salute> <hi rendition="#right">Richter</hi> </salute> </closer> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head><note place="left"><ref target="1922_Bd4_4">[4]</ref></note> 4. An <hi rendition="#g">Herder in Weimar.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Berlin</hi> d. 8. Okt. 1800 [Mittwoch].</hi> </dateline><lb/> <p>Unvergeslichſter Freund! Die erſte Zeile, die ich auf die Poſt ſchicke,<lb/> iſt an Sie. Am vorigen Freitag kam ich — nach einem Raſt- und<lb n="10"/> Regentag in <hi rendition="#aq">Dessau</hi> — hier an ſamt einer Berliner guten und armen<lb/> Kammerjungfer, die ich in <hi rendition="#aq">Dessau</hi> auf mein Kutſchkiſſen gebettet. Die<lb/> Weiber ſind die beſten Ripienſtimmen des Lebens die mir noch zu Ohren<lb/> kamen. Ich wolte, ich wäre kein Soloſänger. —</p><lb/> <p>Ich habe kaum noch eine halbe Million Beſuche gemacht und ver-<lb n="15"/> ſchiebe das Mehrere erſt auf die Zukunft. <hi rendition="#aq">Buri,</hi> deſſen neugefärbter<lb/> Göthe hier nicht gefallen wil, wurde einen <hi rendition="#aq">da Vinci</hi> für 80 Dukaten<lb/> an den König los, ein anderes Stük für 30 an die Königin und eines<lb/> für 10 an — ich weis nicht und malte die Prinzeſſin Taxis. — Merkel<lb/> ſizt noch auf ſeinem Richterſtuhl, dem die Lehne fehlt, und hält ſeine<lb n="20"/> Zunge für das Zünglein in der Themiswage und iſt mit dem ſtillen<lb/> Beifalle zufrieden, den ihm H. Merkel zolt. Da hier ſo viele auf ihn<lb/> zürnen — beſonders wegen ſeiner Bulle gegen den <hi rendition="#aq">Titan</hi> — ſo fang’<lb/> ich almählig auch an, mich zu ereifern und gedenke ihn bei <hi rendition="#aq">Sander</hi><lb/> höflich anzufeinden.<lb n="25"/> </p> <p>Geſtern wurde Mozarts <hi rendition="#aq">Requiem</hi> als Todtenfeier des herlichen<lb/><hi rendition="#aq">Fasches</hi> von ſeiner Singſchule in der Garniſonkirche gegeben und der<lb/> Ertrag — 12 gr. koſtete das Billet und 2000 Menſchen waren darin —<lb/> für das Bürger-Rettungs-Inſtitut beſtimt. Giebt es eine rührendere<lb/> Zuſammenſtellung als dieſe dreifache Beziehung? — In manchen<lb n="30"/> Stellen ziehen die Mozartiſchen Donnerwolken und in andern ſchlagen<lb/> ſeine Nachtigallen; aber das Ganze wird nicht von ſeiner harmoniſchen<lb/> gewaltigen Weltſeele getragen und verknüpft. In der lezten Fuge er-<lb/> innert die Wiederholung einer nächſten rührend an ſeinen ſterbenden<lb/> Geiſt, der ſchon halb mit der Lippe unter dem Todesſchleier, die lezten<lb n="35"/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [2/0007]
P. S. Auch der Poſtſkribent komt mit Freuden zu Ihnen und zur
Palingeneſie unſeres erſten Abends. Mein Grundſaz, daß man keine
Freude wiederholen könne, ſchlieſſet den nicht aus, daß man ſie ver-
gröſſern könne. Mit Dank und Freude und Hofnung erwart’ ich die
Minute des Wiederſehens. — 5
Richter
4. An Herder in Weimar.
Berlin d. 8. Okt. 1800 [Mittwoch].
Unvergeslichſter Freund! Die erſte Zeile, die ich auf die Poſt ſchicke,
iſt an Sie. Am vorigen Freitag kam ich — nach einem Raſt- und 10
Regentag in Dessau — hier an ſamt einer Berliner guten und armen
Kammerjungfer, die ich in Dessau auf mein Kutſchkiſſen gebettet. Die
Weiber ſind die beſten Ripienſtimmen des Lebens die mir noch zu Ohren
kamen. Ich wolte, ich wäre kein Soloſänger. —
Ich habe kaum noch eine halbe Million Beſuche gemacht und ver- 15
ſchiebe das Mehrere erſt auf die Zukunft. Buri, deſſen neugefärbter
Göthe hier nicht gefallen wil, wurde einen da Vinci für 80 Dukaten
an den König los, ein anderes Stük für 30 an die Königin und eines
für 10 an — ich weis nicht und malte die Prinzeſſin Taxis. — Merkel
ſizt noch auf ſeinem Richterſtuhl, dem die Lehne fehlt, und hält ſeine 20
Zunge für das Zünglein in der Themiswage und iſt mit dem ſtillen
Beifalle zufrieden, den ihm H. Merkel zolt. Da hier ſo viele auf ihn
zürnen — beſonders wegen ſeiner Bulle gegen den Titan — ſo fang’
ich almählig auch an, mich zu ereifern und gedenke ihn bei Sander
höflich anzufeinden. 25
Geſtern wurde Mozarts Requiem als Todtenfeier des herlichen
Fasches von ſeiner Singſchule in der Garniſonkirche gegeben und der
Ertrag — 12 gr. koſtete das Billet und 2000 Menſchen waren darin —
für das Bürger-Rettungs-Inſtitut beſtimt. Giebt es eine rührendere
Zuſammenſtellung als dieſe dreifache Beziehung? — In manchen 30
Stellen ziehen die Mozartiſchen Donnerwolken und in andern ſchlagen
ſeine Nachtigallen; aber das Ganze wird nicht von ſeiner harmoniſchen
gewaltigen Weltſeele getragen und verknüpft. In der lezten Fuge er-
innert die Wiederholung einer nächſten rührend an ſeinen ſterbenden
Geiſt, der ſchon halb mit der Lippe unter dem Todesſchleier, die lezten 35
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(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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