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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961.

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Der Eindruck deines Anti-Götze ist, wie du ihn begehrst, rein männ-
lich für dich -- nichts ist bemäntelt -- jede Zufälligkeit dargestellt --
dem Gegner jede Rechtfertigung aus verdrehten Zufälligkeiten da-
durch abgeschnitten, daß du sie ihm darbietest -- er kann kein Wort
für sich noch sagen, was du nicht für ihn gesagt -- kurz es fehlt dei-5
nem Kriege und Siege nichts als der rechte Feind. -- -- Dein Feind-
lein Koerte ist freilich weniger ein Nebelstern als ein Stern-Nebel.

Ekel war mir, wie dem tüchtigen markigen Sömmering, die neue
Zeit-Geburt, wie ich leider mehrere Jünglinge auf eigne Kosten
kenne; jenes Grob- und Weichsein hinter einander, das in den festen10
Blutkuchen und ins Blutwasser zugleich geronnene Herzens Blut.
Die unvergleichliche Grobheit S. 23 und die eben so freche (durchs
bloße Wolgeboren) S. 29, empörten mich noch stärker hinter den
folgenden Brei-Briefen. -- Dieß ist aber unsere Jünglings- oder
Deutschlands-Zeit: weich und starr, grob und höflich, wässerig und15
eisig. Beides scheinet sie nur. Der feste Stamm der Einimpfung fehlt,
sowol für die Stärke der Grobheit als für die Weichheit der
Liebe, für Blume und Ast.

Freilich ists böse, daß du, wie Lessing, dir immer dein Arbeits-
Thema vom Zufall diktieren lässest; -- es ist böse; -- und eben20
darum hier deine Ausarbeitung von vorn herein viel zu kurz.
Himmel! was wäre von dir über Selbstlebensbeschreibungen,
Reisebeschreibungen, über de mortuis nil nisi bene zu sagen ge-
wesen! Und du hättest es auch gesagt ohne die Urkunden-Lieferung. --
Da du mich brüderlich über den Eindruck des Ganzen gefragt: so25
antwort' ich, wenn ich es nicht schon gethan: -- schärfer und zärter
konntest du nicht zerstören und vorzeigen oder jedes Nein ver-
nichten; nur ists der Mühe des Schreibens kaum werth, und des
Lesens (sobald nicht dein freier Geist spricht) nur für deine Freunde
ganz, welche dir kein Wort vergeben, das sie nicht bekommen. --30
Doch etwas noch: du machst, wie ich glaube, zuviel aus zufälligen
Verhältnissen der Menschen und bist zu französisch-gesellig. Du bist,
wie ich dich errathe, ein unerhörtes Quartett von Hofmann, Welt-
weisen, Dichter und -- meinem Friedrich. Vergibs!

Was hätt' ich zu sagen! Ich werd' es wol sagen, wenn ich sähe!35
Und doch! -- Denn ich erinnere mich immer meiner Briefe an Herder,
ehe ich ihn gesehen.

7*

Der Eindruck deines Anti-Götze iſt, wie du ihn begehrſt, rein männ-
lich für dich — nichts iſt bemäntelt — jede Zufälligkeit dargeſtellt —
dem Gegner jede Rechtfertigung aus verdrehten Zufälligkeiten da-
durch abgeſchnitten, daß du ſie ihm darbieteſt — er kann kein Wort
für ſich noch ſagen, was du nicht für ihn geſagt — kurz es fehlt dei-5
nem Kriege und Siege nichts als der rechte Feind. — — Dein Feind-
lein Koerte iſt freilich weniger ein Nebelſtern als ein Stern-Nebel.

Ekel war mir, wie dem tüchtigen markigen Sömmering, die neue
Zeit-Geburt, wie ich leider mehrere Jünglinge auf eigne Koſten
kenne; jenes Grob- und Weichſein hinter einander, das in den feſten10
Blutkuchen und ins Blutwaſſer zugleich geronnene Herzens Blut.
Die unvergleichliche Grobheit S. 23 und die eben ſo freche (durchs
bloße Wolgeboren) S. 29, empörten mich noch ſtärker hinter den
folgenden Brei-Briefen. — Dieß iſt aber unſere Jünglings- oder
Deutſchlands-Zeit: weich und ſtarr, grob und höflich, wäſſerig und15
eiſig. Beides ſcheinet ſie nur. Der feſte Stamm der Einimpfung fehlt,
ſowol für die Stärke der Grobheit als für die Weichheit der
Liebe, für Blume und Aſt.

Freilich iſts böſe, daß du, wie Leſſing, dir immer dein Arbeits-
Thema vom Zufall diktieren läſſeſt; — es iſt böſe; — und eben20
darum hier deine Ausarbeitung von vorn herein viel zu kurz.
Himmel! was wäre von dir über Selbſtlebensbeſchreibungen,
Reiſebeſchreibungen, über de mortuis nil nisi bene zu ſagen ge-
weſen! Und du hätteſt es auch geſagt ohne die Urkunden-Lieferung. —
Da du mich brüderlich über den Eindruck des Ganzen gefragt: ſo25
antwort’ ich, wenn ich es nicht ſchon gethan: — ſchärfer und zärter
konnteſt du nicht zerſtören und vorzeigen oder jedes Nein ver-
nichten; nur iſts der Mühe des Schreibens kaum werth, und des
Leſens (ſobald nicht dein freier Geiſt ſpricht) nur für deine Freunde
ganz, welche dir kein Wort vergeben, das ſie nicht bekommen. —30
Doch etwas noch: du machſt, wie ich glaube, zuviel aus zufälligen
Verhältniſſen der Menſchen und biſt zu franzöſiſch-geſellig. Du biſt,
wie ich dich errathe, ein unerhörtes Quartett von Hofmann, Welt-
weiſen, Dichter und — meinem Friedrich. Vergibs!

Was hätt’ ich zu ſagen! Ich werd’ es wol ſagen, wenn ich ſähe!35
Und doch! — Denn ich erinnere mich immer meiner Briefe an Herder,
ehe ich ihn geſehen.

7*
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[99/0114] Der Eindruck deines Anti-Götze iſt, wie du ihn begehrſt, rein männ- lich für dich — nichts iſt bemäntelt — jede Zufälligkeit dargeſtellt — dem Gegner jede Rechtfertigung aus verdrehten Zufälligkeiten da- durch abgeſchnitten, daß du ſie ihm darbieteſt — er kann kein Wort für ſich noch ſagen, was du nicht für ihn geſagt — kurz es fehlt dei- 5 nem Kriege und Siege nichts als der rechte Feind. — — Dein Feind- lein Koerte iſt freilich weniger ein Nebelſtern als ein Stern-Nebel. Ekel war mir, wie dem tüchtigen markigen Sömmering, die neue Zeit-Geburt, wie ich leider mehrere Jünglinge auf eigne Koſten kenne; jenes Grob- und Weichſein hinter einander, das in den feſten 10 Blutkuchen und ins Blutwaſſer zugleich geronnene Herzens Blut. Die unvergleichliche Grobheit S. 23 und die eben ſo freche (durchs bloße Wolgeboren) S. 29, empörten mich noch ſtärker hinter den folgenden Brei-Briefen. — Dieß iſt aber unſere Jünglings- oder Deutſchlands-Zeit: weich und ſtarr, grob und höflich, wäſſerig und 15 eiſig. Beides ſcheinet ſie nur. Der feſte Stamm der Einimpfung fehlt, ſowol für die Stärke der Grobheit als für die Weichheit der Liebe, für Blume und Aſt. Freilich iſts böſe, daß du, wie Leſſing, dir immer dein Arbeits- Thema vom Zufall diktieren läſſeſt; — es iſt böſe; — und eben 20 darum hier deine Ausarbeitung von vorn herein viel zu kurz. Himmel! was wäre von dir über Selbſtlebensbeſchreibungen, Reiſebeſchreibungen, über de mortuis nil nisi bene zu ſagen ge- weſen! Und du hätteſt es auch geſagt ohne die Urkunden-Lieferung. — Da du mich brüderlich über den Eindruck des Ganzen gefragt: ſo 25 antwort’ ich, wenn ich es nicht ſchon gethan: — ſchärfer und zärter konnteſt du nicht zerſtören und vorzeigen oder jedes Nein ver- nichten; nur iſts der Mühe des Schreibens kaum werth, und des Leſens (ſobald nicht dein freier Geiſt ſpricht) nur für deine Freunde ganz, welche dir kein Wort vergeben, das ſie nicht bekommen. — 30 Doch etwas noch: du machſt, wie ich glaube, zuviel aus zufälligen Verhältniſſen der Menſchen und biſt zu franzöſiſch-geſellig. Du biſt, wie ich dich errathe, ein unerhörtes Quartett von Hofmann, Welt- weiſen, Dichter und — meinem Friedrich. Vergibs! Was hätt’ ich zu ſagen! Ich werd’ es wol ſagen, wenn ich ſähe! 35 Und doch! — Denn ich erinnere mich immer meiner Briefe an Herder, ehe ich ihn geſehen. 7*

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:13:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:13:57Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/114>, abgerufen am 21.11.2024.