von vielem Gewicht. -- Das Herz dieses Mannes ist fest und rein wie Alpen-Granit; und ich traue ihm als Schweitzer mehr. Ganz gelehrt ausgebildet ist er, seiner Orthographie nach, noch nicht; aber man kann große Finanzkenntnisse ohne jene haben. -- Ferner er will ja warten bis er ein weiches Feder-Nest Sich und Ihr5 zusammengetragen. Solche Bräutigame schrecke kein Vater zurück; in unsern Tagen nimmt fast Kopulieren wie Kommunizieren ab, vielleicht weil beides verwandt ist und auch gewöhnlich mit einander vorgenommen wird. -- Der an sich edle Brief an Ihn muß sanfter sein; obwol das Ende eigentlich das Rechte berührt, nämlich die10 Anfrage über Jettens und S- Meinung und Neigung. -- "Ich glaubte erkannt zu haben" gibt anfangs den Schein, sich geirrt zu haben. -- Die Religionsänderung kann mit Recht kein Vater vor- ausbilligen (indem er in derselben Minute ja selber eine vornähme), aber der fremden S- Überzeugung muß er das Recht zugestehen, das15 er -- ohnehin nicht nehmen kann.
Ich schreibe eilig, Alter!, so wie ich auf keinen andern Wunsch in Ihnen Rücksicht nehme, als den, meine Meinung zu hören. Ich wollte aber doch, Sie kämen heute herauf zu mir (also vorher hinunter); denn ich könnte vieles noch zu sagen haben, wenn Sie20 mir vieles vorher gesagt hätten. -- Ich bleibe dabei, ein schöner, vorurtheilsfreier, ja leidenschaftsfreier, unbestechlicher und daher unbestechender Karakter malt sich im Briefe; desto mehr Lob für S. und für J. zugleich. Gott muß diese J. dafür einmal mit einer ähnlichen Tochter belohnen.25
Der Himmel gebe, daß Thieriots Spaß mit der Braut kein Ernst ist. Ein Kind möchten wol beide mit einander erzeugen können; aber es erziehen -- und für dessen Wäsche und Waschen sorgen -- und 3 Groschen für dessen späte Erziehungsanstalten zurücklegen -- und so vernünftig handeln als zwei von uns beiden thun .... dieß30 glaub' ich von ihnen nicht, ich mag es sehen oder nicht.
N. S. Was mich etwas froh macht -- da mich mein gestriger Harmonie-Abend bis 121/2 Uhr für heute ziemlich aufgelöst hat -- dieß ist, daß es schneiet und mein prophetischer Nebenbuhler grün und gelb wird darüber, daß es jetzt weiß wird statt grün. Bringen35 Sie mir doch meine viel zu schnell abgefaßte Wetterbestimmung zum Überlesen mit.
von vielem Gewicht. — Das Herz dieſes Mannes iſt feſt und rein wie Alpen-Granit; und ich traue ihm als Schweitzer mehr. Ganz gelehrt ausgebildet iſt er, ſeiner Orthographie nach, noch nicht; aber man kann große Finanzkenntniſſe ohne jene haben. — Ferner er will ja warten bis er ein weiches Feder-Neſt Sich und Ihr5 zuſammengetragen. Solche Bräutigame ſchrecke kein Vater zurück; in unſern Tagen nimmt faſt Kopulieren wie Kommunizieren ab, vielleicht weil beides verwandt iſt und auch gewöhnlich mit einander vorgenommen wird. — Der an ſich edle Brief an Ihn muß ſanfter ſein; obwol das Ende eigentlich das Rechte berührt, nämlich die10 Anfrage über Jettens und S– Meinung und Neigung. — „Ich glaubte erkannt zu haben“ gibt anfangs den Schein, ſich geirrt zu haben. — Die Religionsänderung kann mit Recht kein Vater vor- ausbilligen (indem er in derſelben Minute ja ſelber eine vornähme), aber der fremden S– Überzeugung muß er das Recht zugeſtehen, das15 er — ohnehin nicht nehmen kann.
Ich ſchreibe eilig, Alter!, ſo wie ich auf keinen andern Wunſch in Ihnen Rückſicht nehme, als den, meine Meinung zu hören. Ich wollte aber doch, Sie kämen heute herauf zu mir (alſo vorher hinunter); denn ich könnte vieles noch zu ſagen haben, wenn Sie20 mir vieles vorher geſagt hätten. — Ich bleibe dabei, ein ſchöner, vorurtheilsfreier, ja leidenſchaftsfreier, unbeſtechlicher und daher unbeſtechender Karakter malt ſich im Briefe; deſto mehr Lob für S. und für J. zugleich. Gott muß dieſe J. dafür einmal mit einer ähnlichen Tochter belohnen.25
Der Himmel gebe, daß Thieriots Spaß mit der Braut kein Ernſt iſt. Ein Kind möchten wol beide mit einander erzeugen können; aber es erziehen — und für deſſen Wäſche und Waſchen ſorgen — und 3 Groſchen für deſſen ſpäte Erziehungsanſtalten zurücklegen — und ſo vernünftig handeln als zwei von uns beiden thun .... dieß30 glaub’ ich von ihnen nicht, ich mag es ſehen oder nicht.
N. S. Was mich etwas froh macht — da mich mein geſtriger Harmonie-Abend bis 12½ Uhr für heute ziemlich aufgelöſt hat — dieß iſt, daß es ſchneiet und mein prophetiſcher Nebenbuhler grün und gelb wird darüber, daß es jetzt weiß wird ſtatt grün. Bringen35 Sie mir doch meine viel zu ſchnell abgefaßte Wetterbeſtimmung zum Überleſen mit.
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aber man kann große Finanzkenntniſſe ohne jene haben. — Ferner
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zuſammengetragen. Solche Bräutigame ſchrecke kein Vater zurück;
in unſern Tagen nimmt faſt Kopulieren wie Kommunizieren ab,
vielleicht weil beides verwandt iſt und auch gewöhnlich mit einander
vorgenommen wird. — Der an ſich edle Brief an Ihn muß ſanfter
ſein; obwol das Ende eigentlich das Rechte berührt, nämlich die 10
Anfrage über Jettens und S– Meinung und Neigung. — „Ich
glaubte erkannt zu haben“ gibt anfangs den Schein, ſich geirrt zu
haben. — Die Religionsänderung kann mit Recht kein Vater vor-
ausbilligen (indem er in derſelben Minute ja ſelber eine vornähme),
aber der fremden S– Überzeugung muß er das Recht zugeſtehen, das 15
er — ohnehin nicht nehmen kann.
Ich ſchreibe eilig, Alter!, ſo wie ich auf keinen andern Wunſch
in Ihnen Rückſicht nehme, als den, meine Meinung zu hören. Ich
wollte aber doch, Sie kämen heute herauf zu mir (alſo vorher
hinunter); denn ich könnte vieles noch zu ſagen haben, wenn Sie 20
mir vieles vorher geſagt hätten. — Ich bleibe dabei, ein ſchöner,
vorurtheilsfreier, ja leidenſchaftsfreier, unbeſtechlicher und daher
unbeſtechender Karakter malt ſich im Briefe; deſto mehr Lob für
S. und für J. zugleich. Gott muß dieſe J. dafür einmal mit einer
ähnlichen Tochter belohnen. 25
Der Himmel gebe, daß Thieriots Spaß mit der Braut kein
Ernſt iſt. Ein Kind möchten wol beide mit einander erzeugen können;
aber es erziehen — und für deſſen Wäſche und Waſchen ſorgen —
und 3 Groſchen für deſſen ſpäte Erziehungsanſtalten zurücklegen —
und ſo vernünftig handeln als zwei von uns beiden thun .... dieß 30
glaub’ ich von ihnen nicht, ich mag es ſehen oder nicht.
N. S. Was mich etwas froh macht — da mich mein geſtriger
Harmonie-Abend bis 12½ Uhr für heute ziemlich aufgelöſt hat —
dieß iſt, daß es ſchneiet und mein prophetiſcher Nebenbuhler grün
und gelb wird darüber, daß es jetzt weiß wird ſtatt grün. Bringen 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/161>, abgerufen am 17.02.2025.
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