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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961.

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550. An Oberkirchenrat Niethammer in München.

Es ist (über Philanthropismus) eine Arznei unserer gährenden
Zeit. Ich wollte durch Sachen und Methoden und verschiedenste
Wissenschaften meine Schüler zu Menschen bilden, aus welchen5
jeder beliebige Bürger auszubrüten wäre -- Pestalozzi ist mehr auf
dem Weg zu Ihrem Ziele als Sie vorauszusetzen scheinen; man kann
ja rückwärts gehen wie rückwärts fahren und mit der vorwärts
reisenden Gesellschaft an demselben Ziel ankommen.

551. An Emanuel.10

Guten Morgen, Biene voll Honig und Stechen! Denn Schweiger
spricht nach der am März geschriebnen Wetterprophezeiung, deren
Eintreffen ihn wundert. -- Ich werde mir, ob ich gleich den Dekla-
mator in die Harmonie zu führen habe, doch ein Abendstündchen15
und Abendräusch[ch]en geistiger Art bei Ihnen zu erübrigen wissen.

Die Rückseite gehörte an Ihren Enzel.

552. An Jacobi.

Mein theurer Heinrich! Der Ueberbringer dieses Briefes ist20
zugleich dessen Ursache und Gegenstand. Denn sonst würd' ich nach
meinem langen Stillschweigen, das mich etwas zuviel nämlich deine
Briefe kostete, mit diesem unbedeutenden Blättchen nicht vor dir
erscheinen. Der Ueberbringer ist ein Herr v. Seckendorf, der seine
Kammerdirektors-Stelle in Hildenburg [!] aus Gründen nieder-25
legte, die ihm eben so viel Ehre machen, als hätt' er sie länger gut
verwaltet. Jetzt will er sich und sechs zu Hause gelassene Kinder
vor der Hand durch Reisen für das Deklamieren erhalten. Von dieser
Kunst so wie von der Musik scheint er mir und andern die tiefere
Kenntnis und wackere Uebung und weiteifernde Liebe darin zu30
haben; nur wünscht' ich, sein Kunst-Geist hätte auf einer beweg-
licheren Tastatur des Körpers zu spielen. Die Zeit ist feindselig gegen
ihn; seinen guten Dichtungen für Theater und Roman gönnt sie
nicht einmal einen -- Verleger. Seine Lehrer, Jacobs und Schlichte-

550. An Oberkirchenrat Niethammer in München.

Es iſt (über Philanthropiſmus) eine Arznei unſerer gährenden
Zeit. Ich wollte durch Sachen und Methoden und verſchiedenſte
Wiſſenſchaften meine Schüler zu Menſchen bilden, aus welchen5
jeder beliebige Bürger auszubrüten wäre — Peſtalozzi iſt mehr auf
dem Weg zu Ihrem Ziele als Sie vorauszuſetzen ſcheinen; man kann
ja rückwärts gehen wie rückwärts fahren und mit der vorwärts
reiſenden Geſellſchaft an demſelben Ziel ankommen.

551. An Emanuel.10

Guten Morgen, Biene voll Honig und Stechen! Denn Schweiger
ſpricht nach der am März geſchriebnen Wetterprophezeiung, deren
Eintreffen ihn wundert. — Ich werde mir, ob ich gleich den Dekla-
mator in die Harmonie zu führen habe, doch ein Abendſtündchen15
und Abendräuſch[ch]en geiſtiger Art bei Ihnen zu erübrigen wiſſen.

Die Rückſeite gehörte an Ihren Enzel.

552. An Jacobi.

Mein theurer Heinrich! Der Ueberbringer dieſes Briefes iſt20
zugleich deſſen Urſache und Gegenſtand. Denn ſonſt würd’ ich nach
meinem langen Stillſchweigen, das mich etwas zuviel nämlich deine
Briefe koſtete, mit dieſem unbedeutenden Blättchen nicht vor dir
erſcheinen. Der Ueberbringer iſt ein Herr v. Seckendorf, der ſeine
Kammerdirektors-Stelle in Hildenburg [!] aus Gründen nieder-25
legte, die ihm eben ſo viel Ehre machen, als hätt’ er ſie länger gut
verwaltet. Jetzt will er ſich und ſechs zu Hauſe gelaſſene Kinder
vor der Hand durch Reiſen für das Deklamieren erhalten. Von dieſer
Kunſt ſo wie von der Muſik ſcheint er mir und andern die tiefere
Kenntnis und wackere Uebung und weiteifernde Liebe darin zu30
haben; nur wünſcht’ ich, ſein Kunſt-Geiſt hätte auf einer beweg-
licheren Taſtatur des Körpers zu ſpielen. Die Zeit iſt feindſelig gegen
ihn; ſeinen guten Dichtungen für Theater und Roman gönnt ſie
nicht einmal einen — Verleger. Seine Lehrer, Jacobs und Schlichte-

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[226/0242] 550. An Oberkirchenrat Niethammer in München. [Kopie][Bayreuth, 22. Juli 1808] Es iſt (über Philanthropiſmus) eine Arznei unſerer gährenden Zeit. Ich wollte durch Sachen und Methoden und verſchiedenſte Wiſſenſchaften meine Schüler zu Menſchen bilden, aus welchen 5 jeder beliebige Bürger auszubrüten wäre — Peſtalozzi iſt mehr auf dem Weg zu Ihrem Ziele als Sie vorauszuſetzen ſcheinen; man kann ja rückwärts gehen wie rückwärts fahren und mit der vorwärts reiſenden Geſellſchaft an demſelben Ziel ankommen. 551. An Emanuel. 10 [Bayreuth, 24. Juli 1808] Guten Morgen, Biene voll Honig und Stechen! Denn Schweiger ſpricht nach der am März geſchriebnen Wetterprophezeiung, deren Eintreffen ihn wundert. — Ich werde mir, ob ich gleich den Dekla- mator in die Harmonie zu führen habe, doch ein Abendſtündchen 15 und Abendräuſch[ch]en geiſtiger Art bei Ihnen zu erübrigen wiſſen. Die Rückſeite gehörte an Ihren Enzel. 552. An Jacobi. Bayreuth d. 22 Jul. 1808 Mein theurer Heinrich! Der Ueberbringer dieſes Briefes iſt 20 zugleich deſſen Urſache und Gegenſtand. Denn ſonſt würd’ ich nach meinem langen Stillſchweigen, das mich etwas zuviel nämlich deine Briefe koſtete, mit dieſem unbedeutenden Blättchen nicht vor dir erſcheinen. Der Ueberbringer iſt ein Herr v. Seckendorf, der ſeine Kammerdirektors-Stelle in Hildenburg [!] aus Gründen nieder- 25 legte, die ihm eben ſo viel Ehre machen, als hätt’ er ſie länger gut verwaltet. Jetzt will er ſich und ſechs zu Hauſe gelaſſene Kinder vor der Hand durch Reiſen für das Deklamieren erhalten. Von dieſer Kunſt ſo wie von der Muſik ſcheint er mir und andern die tiefere Kenntnis und wackere Uebung und weiteifernde Liebe darin zu 30 haben; nur wünſcht’ ich, ſein Kunſt-Geiſt hätte auf einer beweg- licheren Taſtatur des Körpers zu ſpielen. Die Zeit iſt feindſelig gegen ihn; ſeinen guten Dichtungen für Theater und Roman gönnt ſie nicht einmal einen — Verleger. Seine Lehrer, Jacobs und Schlichte-

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:13:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:13:57Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/242>, abgerufen am 28.11.2024.