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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961.

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stehend und meinen Hund neben meinen Stiefeln -- wir beide ver-
suchen die Suppe -- ich allein schreibe die Porzionen auf und gebe
sehr Acht. Aber ach, auch auf den hungrigen frierenden Jammer
umher, ob ich gleich vielleicht eben aus einem schriftstellerischen
Eden herkomme. -- Nun so gehe es denn der Großfürstin auch!5
Das Eden, das sie hat, wenigstens verdient (der Unterschied ist
doch in der 2ten Welt kleiner) werde auch von der Suppen-Anstalt
nicht unterbrochen oder fortgesetzt. Die Vorsteherschaft -- unserer
sind 7, aber diese 7 ist keine böse -- hätte sich ohne mich an ihr
schönes Herz gewandt; warum soll ich der bittenden Ambassade10
nicht ein Erinnerungs-Wort der Liebe an Sie und meinen Dank
laut an die schöne Seele mitgeben, deren Schönheit schon mit den
Augen und der Gegenwart anfängt --

157. An Karoline Herder in Freiberg.
15

Ich habe Ihre Briefe durch Handlungen beantwortet und wenn
nicht an, doch für Sie geschrieben -- Möge in dieser wilden Kriegs-
zeit, die unser Guter unter der Erde verschläft und über der Erde
verträumt, Frieden Ihr Herz trösten und wärmen!

158. An Thieriot in Offenbach.20

Nur spielt der Vorwinter den Nachwinter jetzt. -- Überhaupt ist
jetzt eine Zeit voll Wolken, hinter denen Schlachtfelder und der
Teufel und seine Nebenteufel liegen können. --

An Herzog und Kanne hab' ich geschrieben.25

Ich wollte, Sie kämen hieher, um nur drei Tage lang uneinig mit
sich zu sein -- wiewol noch die Frage ist, ob Sie dem guten lebhaften
Thieriot über irgend etwas entschieden Recht geben -- welches von
meinen 3 Kindern Sie stärker lieben sollen als das vierte, womit
ich Sie meine. --30

Manteufels Brief ist vortrefflich. Sollte sein Wunsch, einen
moralischen Erziehungs-Katechismus von Ihnen zu erhalten, mehr
ein Ernst als eine stachlichte Ironie gewesen sein, die jedoch der
Freund dem Freunde so leicht gestattet? -- Ich besorge letzteres;

ſtehend und meinen Hund neben meinen Stiefeln — wir beide ver-
ſuchen die Suppe — ich allein ſchreibe die Porzionen auf und gebe
ſehr Acht. Aber ach, auch auf den hungrigen frierenden Jammer
umher, ob ich gleich vielleicht eben aus einem ſchriftſtelleriſchen
Eden herkomme. — Nun ſo gehe es denn der Großfürſtin auch!5
Das Eden, das ſie hat, wenigſtens verdient (der Unterſchied iſt
doch in der 2ten Welt kleiner) werde auch von der Suppen-Anſtalt
nicht unterbrochen oder fortgeſetzt. Die Vorſteherſchaft — unſerer
ſind 7, aber dieſe 7 iſt keine böſe — hätte ſich ohne mich an ihr
ſchönes Herz gewandt; warum ſoll ich der bittenden Ambaſſade10
nicht ein Erinnerungs-Wort der Liebe an Sie und meinen Dank
laut an die ſchöne Seele mitgeben, deren Schönheit ſchon mit den
Augen und der Gegenwart anfängt —

157. An Karoline Herder in Freiberg.
15

Ich habe Ihre Briefe durch Handlungen beantwortet und wenn
nicht an, doch für Sie geſchrieben — Möge in dieſer wilden Kriegs-
zeit, die unſer Guter unter der Erde verſchläft und über der Erde
verträumt, Frieden Ihr Herz tröſten und wärmen!

158. An Thieriot in Offenbach.20

Nur ſpielt der Vorwinter den Nachwinter jetzt. — Überhaupt iſt
jetzt eine Zeit voll Wolken, hinter denen Schlachtfelder und der
Teufel und ſeine Nebenteufel liegen können. —

An Herzog und Kanne hab’ ich geſchrieben.25

Ich wollte, Sie kämen hieher, um nur drei Tage lang uneinig mit
ſich zu ſein — wiewol noch die Frage iſt, ob Sie dem guten lebhaften
Thieriot über irgend etwas entſchieden Recht geben — welches von
meinen 3 Kindern Sie ſtärker lieben ſollen als das vierte, womit
ich Sie meine. —30

Manteufels Brief iſt vortrefflich. Sollte ſein Wunſch, einen
moraliſchen Erziehungs-Katechiſmus von Ihnen zu erhalten, mehr
ein Ernſt als eine ſtachlichte Ironie geweſen ſein, die jedoch der
Freund dem Freunde ſo leicht geſtattet? — Ich beſorge letzteres;

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[62/0076] ſtehend und meinen Hund neben meinen Stiefeln — wir beide ver- ſuchen die Suppe — ich allein ſchreibe die Porzionen auf und gebe ſehr Acht. Aber ach, auch auf den hungrigen frierenden Jammer umher, ob ich gleich vielleicht eben aus einem ſchriftſtelleriſchen Eden herkomme. — Nun ſo gehe es denn der Großfürſtin auch! 5 Das Eden, das ſie hat, wenigſtens verdient (der Unterſchied iſt doch in der 2ten Welt kleiner) werde auch von der Suppen-Anſtalt nicht unterbrochen oder fortgeſetzt. Die Vorſteherſchaft — unſerer ſind 7, aber dieſe 7 iſt keine böſe — hätte ſich ohne mich an ihr ſchönes Herz gewandt; warum ſoll ich der bittenden Ambaſſade 10 nicht ein Erinnerungs-Wort der Liebe an Sie und meinen Dank laut an die ſchöne Seele mitgeben, deren Schönheit ſchon mit den Augen und der Gegenwart anfängt — 157. An Karoline Herder in Freiberg. [Kopie][Bayreuth, 16. Okt. 1805] 15 Ich habe Ihre Briefe durch Handlungen beantwortet und wenn nicht an, doch für Sie geſchrieben — Möge in dieſer wilden Kriegs- zeit, die unſer Guter unter der Erde verſchläft und über der Erde verträumt, Frieden Ihr Herz tröſten und wärmen! 158. An Thieriot in Offenbach. 20 Bayreuth am Gallustag [16. Okt.] 1805 Nur ſpielt der Vorwinter den Nachwinter jetzt. — Überhaupt iſt jetzt eine Zeit voll Wolken, hinter denen Schlachtfelder und der Teufel und ſeine Nebenteufel liegen können. — An Herzog und Kanne hab’ ich geſchrieben. 25 Ich wollte, Sie kämen hieher, um nur drei Tage lang uneinig mit ſich zu ſein — wiewol noch die Frage iſt, ob Sie dem guten lebhaften Thieriot über irgend etwas entſchieden Recht geben — welches von meinen 3 Kindern Sie ſtärker lieben ſollen als das vierte, womit ich Sie meine. — 30 Manteufels Brief iſt vortrefflich. Sollte ſein Wunſch, einen moraliſchen Erziehungs-Katechiſmus von Ihnen zu erhalten, mehr ein Ernſt als eine ſtachlichte Ironie geweſen ſein, die jedoch der Freund dem Freunde ſo leicht geſtattet? — Ich beſorge letzteres;

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:13:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:13:57Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/76>, abgerufen am 24.11.2024.