Fünf Tage lief jeder von unsern Briefen; ausgenommen, wenn ich am Dienstage (heute) abschicke und du mit umgehender Post antwortest, dann nur 21/2 Tag. Ich und andere haben lange auf5 den heutigen Brief geharrt.
Meinen vorigen schrieb ich am Begräbnistage Dobenecks. Sie ist in die Post, uns gegenüber, gezogen; resigniert, gefaßt, gesund. Er starb wie ein Engel zu Engeln hinüber. -- Max war ziemlich krank an einer Halsentzündung. Ich behandelte ihn nach der10 asthenischen (kühlenden) Methode; aber am harten 3ten Tage ließ ich endlich Sackenreiter kommen, der die Methode richtig fand und nichts verschrieb, außer äußerlich ein Senfpflaster und inner- lich den Pappeltrank.*) Dann gab sichs, ob er gleich einige Tage schwere Mattigkeit hatte. Jetzt ist er so frisch wie sonst oder wie15 Odilia. Beide sehnen sich weder nach dir noch nach Emma (so wenig als die Dob[eneckschen] Kinder nach dem Vater); so sind Kinder; Emma's Sehnsucht kommt nur daher, daß sie aus ihren lieben befreundeten Umgebungen gerissen ist.
Ich habe nichts gegen deine Reise zum Vater, wenn sie kurz20 dauert. Du fragst aber mich immer, und eh' ich antworte, hast du schon alles gethan, was ich verneinen könnte.
Der Kutscher hat schwerlich zu viel gefodert; denn du mußt be- rechnen, daß er auch herwärts zu zahlen hatte. -- Frankiere keine Briefe; sie kommen so sicherer an; und am Ende gehts doch aus25 Einem Beutel. -- Brauchst du Geld, so nimm einiges auf; ich kann es ja leicht durch Anweisung bezahlen. Überhaupt bin ich, seitdem so vieles meine Kasse und Berechnung bekämpft, ganz gleich- gültig gegen das Geld geworden; wozu soll ich mich martern, da doch jeder Gewinn bald wieder sinkt? -- Der Anna gab ich, da Amoene30 es thut (wenn ich sie recht behalten), sechs preußische Thaler und 1 Stollen zu 1 fl.**) -- Sie ist ordentlich und ich aufmerksam. --
*) Drei Nächte schlief er hernach mit Anna in der warmen Stube.
**) Die Kinder hatten ihren frohen Weihnachts Abend; doch Odilia vielleicht zu wenig; daher theile darnach ein beim Mitbringen. Sie sind eben bei Hake,35 sonst schrieben sie.
413. An Karoline Richter in Altenburg.
Bayreuth d. 25. Dez. 1810
Fünf Tage lief jeder von unſern Briefen; ausgenommen, wenn ich am Dienſtage (heute) abſchicke und du mit umgehender Poſt antworteſt, dann nur 2½ Tag. Ich und andere haben lange auf5 den heutigen Brief geharrt.
Meinen vorigen ſchrieb ich am Begräbnistage Dobenecks. Sie iſt in die Poſt, uns gegenüber, gezogen; reſigniert, gefaßt, geſund. Er ſtarb wie ein Engel zu Engeln hinüber. — Max war ziemlich krank an einer Halsentzündung. Ich behandelte ihn nach der10 aſtheniſchen (kühlenden) Methode; aber am harten 3ten Tage ließ ich endlich Sackenreiter kommen, der die Methode richtig fand und nichts verſchrieb, außer äußerlich ein Senfpflaſter und inner- lich den Pappeltrank.*) Dann gab ſichs, ob er gleich einige Tage ſchwere Mattigkeit hatte. Jetzt iſt er ſo friſch wie ſonſt oder wie15 Odilia. Beide ſehnen ſich weder nach dir noch nach Emma (ſo wenig als die Dob[eneckschen] Kinder nach dem Vater); ſo ſind Kinder; Emma’s Sehnſucht kommt nur daher, daß ſie aus ihren lieben befreundeten Umgebungen geriſſen iſt.
Ich habe nichts gegen deine Reiſe zum Vater, wenn ſie kurz20 dauert. Du fragſt aber mich immer, und eh’ ich antworte, haſt du ſchon alles gethan, was ich verneinen könnte.
Der Kutſcher hat ſchwerlich zu viel gefodert; denn du mußt be- rechnen, daß er auch herwärts zu zahlen hatte. — Frankiere keine Briefe; ſie kommen ſo ſicherer an; und am Ende gehts doch aus25 Einem Beutel. — Brauchſt du Geld, ſo nimm einiges auf; ich kann es ja leicht durch Anweiſung bezahlen. Überhaupt bin ich, ſeitdem ſo vieles meine Kaſſe und Berechnung bekämpft, ganz gleich- gültig gegen das Geld geworden; wozu ſoll ich mich martern, da doch jeder Gewinn bald wieder ſinkt? — Der Anna gab ich, da Amoene30 es thut (wenn ich ſie recht behalten), ſechs preußiſche Thaler und 1 Stollen zu 1 fl.**) — Sie iſt ordentlich und ich aufmerkſam. —
*) Drei Nächte ſchlief er hernach mit Anna in der warmen Stube.
**) Die Kinder hatten ihren frohen Weihnachts Abend; doch Odilia vielleicht zu wenig; daher theile darnach ein beim Mitbringen. Sie ſind eben bei Hake,35 ſonſt ſchrieben ſie.
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413. An Karoline Richter in Altenburg.
Bayreuth d. 25. Dez. 1810
Fünf Tage lief jeder von unſern Briefen; ausgenommen, wenn
ich am Dienſtage (heute) abſchicke und du mit umgehender Poſt
antworteſt, dann nur 2½ Tag. Ich und andere haben lange auf 5
den heutigen Brief geharrt.
Meinen vorigen ſchrieb ich am Begräbnistage Dobenecks. Sie
iſt in die Poſt, uns gegenüber, gezogen; reſigniert, gefaßt, geſund.
Er ſtarb wie ein Engel zu Engeln hinüber. — Max war ziemlich
krank an einer Halsentzündung. Ich behandelte ihn nach der 10
aſtheniſchen (kühlenden) Methode; aber am harten 3ten Tage ließ
ich endlich Sackenreiter kommen, der die Methode richtig fand
und nichts verſchrieb, außer äußerlich ein Senfpflaſter und inner-
lich den Pappeltrank. *) Dann gab ſichs, ob er gleich einige Tage
ſchwere Mattigkeit hatte. Jetzt iſt er ſo friſch wie ſonſt oder wie 15
Odilia. Beide ſehnen ſich weder nach dir noch nach Emma (ſo
wenig als die Dob[eneckschen] Kinder nach dem Vater); ſo ſind
Kinder; Emma’s Sehnſucht kommt nur daher, daß ſie aus ihren
lieben befreundeten Umgebungen geriſſen iſt.
Ich habe nichts gegen deine Reiſe zum Vater, wenn ſie kurz 20
dauert. Du fragſt aber mich immer, und eh’ ich antworte, haſt
du ſchon alles gethan, was ich verneinen könnte.
Der Kutſcher hat ſchwerlich zu viel gefodert; denn du mußt be-
rechnen, daß er auch herwärts zu zahlen hatte. — Frankiere keine
Briefe; ſie kommen ſo ſicherer an; und am Ende gehts doch aus 25
Einem Beutel. — Brauchſt du Geld, ſo nimm einiges auf; ich
kann es ja leicht durch Anweiſung bezahlen. Überhaupt bin ich,
ſeitdem ſo vieles meine Kaſſe und Berechnung bekämpft, ganz gleich-
gültig gegen das Geld geworden; wozu ſoll ich mich martern, da doch
jeder Gewinn bald wieder ſinkt? — Der Anna gab ich, da Amoene 30
es thut (wenn ich ſie recht behalten), ſechs preußiſche Thaler und
1 Stollen zu 1 fl. **) — Sie iſt ordentlich und ich aufmerkſam. —
*) Drei Nächte ſchlief er hernach mit Anna in der warmen Stube.
**) Die Kinder hatten ihren frohen Weihnachts Abend; doch Odilia vielleicht
zu wenig; daher theile darnach ein beim Mitbringen. Sie ſind eben bei Hake, 35
ſonſt ſchrieben ſie.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/177>, abgerufen am 16.07.2024.
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