Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952.439. An Otto. [Bayreuth, 13. Jan. 1811]Guten Morgen, Alter! Hier mein Aufsätzchen für Primas. Von Cölestin hat mir bei weitem der erste Theil mehr gefallen5 So viel über den 1ten Theil, wobei ich noch manches mag ver- Heute sehen wir uns wieder. Den Emanuel hab' ich das vorige *) Hab' ich etwas über einander gesetzt, so streich eines davon. Daß Salomon
40 Jahr regierte, brauch' ich wol nicht in der Note zu sagen? 439. An Otto. [Bayreuth, 13. Jan. 1811]Guten Morgen, Alter! Hier mein Aufſätzchen für Primas. Von Cöleſtin hat mir bei weitem der erſte Theil mehr gefallen5 So viel über den 1ten Theil, wobei ich noch manches mag ver- Heute ſehen wir uns wieder. Den Emanuel hab’ ich das vorige *) Hab’ ich etwas über einander geſetzt, ſo ſtreich eines davon. Daß Salomon
40 Jahr regierte, brauch’ ich wol nicht in der Note zu ſagen? <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0187" n="174"/> <div type="letter" n="1"> <head>439. An <hi rendition="#g">Otto.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right">[Bayreuth, 13. Jan. 1811]</hi> </dateline><lb/> <p>Guten Morgen, Alter! Hier mein Aufſätzchen für Primas.<lb/> Sollt’ ich über ſein Alter (71 Jahr) irren, ſo beſſere es<note place="foot" n="*)">Hab’ ich etwas über einander geſetzt, ſo ſtreich eines davon. Daß Salomon<lb/> 40 Jahr regierte, brauch’ ich wol nicht in der Note zu ſagen?</note>.</p><lb/> <p>Von Cöleſtin hat mir bei weitem der <hi rendition="#g">erſte</hi> Theil mehr gefallen<lb n="5"/> als der <hi rendition="#g">zweite;</hi> was am meiſten daher kommt, daß <hi rendition="#g">er</hi> nicht mehr<lb/> ſpricht und mithin ohne die vorige Selbſtironie. Da man ferner<lb/> nach dem <hi rendition="#g">erſten</hi> den Charakter und deſſen Leben nur als Holſpiegel-<lb/> bild karikierender 〈idealiſierender〉 Selbſtironie kannte: ſo paßt nach-<lb/> her das Spiegelbild wirklichen Lebens nicht gut; und noch weniger<lb n="10"/> die ernſthaften Bemerkungen, er ſei den Kleinſtädtern <hi rendition="#g">lächerlich</hi><lb/> vorgekommen. Ja, <hi rendition="#g">wenn ers</hi> ſelber mit dem größten Erſtaunen<lb/> erzählte! Auch nimmt man an ſeinem <hi rendition="#g">wirklichen</hi> Schickſal im<lb/><hi rendition="#g">zweiten</hi> Theile ſo wenig Intereſſe, als am wirklichen Schickſale<lb/> eines Traums. Laſſe dieſen alſo weg, oder, da ſo viele gute all-<lb n="15"/> gemeine Bemerkungen darin vorkommen, laſſ’ ihn ſelber erzählen<lb/> und bringe die Bemerkungen etwan als eigne Noten an. Eine<lb/> Haupt-Note haſt du überhaupt zu machen, (kannſt ſie ſogar ihm<lb/> ſelber in den Mund geben,) nämlich daß er nach der (damaligen)<lb/> Äſthetik ſelber ein lebendig herum gehendes Gedicht und athmendes<lb n="20"/> Selbſtepos ſein wolle; denn zur Zeit ſeiner Entſtehung war deine<lb/> Satire auf die ſtofloſe Darſtellung deutlicher als jetzt. Eine ähn-<lb/> liche Note mache bei <hi rendition="#g">Geſchmack.</hi> Weitläuftige oder zu kalte Aus-<lb/> ſpinnungen hab’ ich durch Parentheſen mit Rand-Nummern an-<lb/> deuten wollen; das mir beſonders Gefallende durch ſteilrechte<lb n="25"/> Striche. — Zu leſen iſt oft das Eingebeſſerte ſchwer, zumal da<lb/> deine jetzige Dinte es für unſittlich hält, die Unſchuld des Papiers<lb/> anzuſchwärzen. Den komiſchen Namen Herbelſamer ſollteſt du<lb/> öfter anbringen.</p><lb/> <note type="editorial"> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">[Folgen Einzelbemerkungen]</hi> </hi> </hi> </note> <lb n="30"/> <p>So viel über den 1<hi rendition="#sup">ten</hi> Theil, wobei ich noch manches mag ver-<lb/> geſſen haben. Ich ſetze meinen Titel zum Pfande, daß du bald<lb/> einen Titel für das Buch bekommſt von mir.</p><lb/> <p>Heute ſehen wir uns wieder. Den <hi rendition="#aq">Emanuel</hi> hab’ ich das vorige<lb/> mal nach der langen Trink-Seſſion glücklich nach Hauſe gebracht,<lb n="35"/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [174/0187]
439. An Otto.
[Bayreuth, 13. Jan. 1811]
Guten Morgen, Alter! Hier mein Aufſätzchen für Primas.
Sollt’ ich über ſein Alter (71 Jahr) irren, ſo beſſere es *).
Von Cöleſtin hat mir bei weitem der erſte Theil mehr gefallen 5
als der zweite; was am meiſten daher kommt, daß er nicht mehr
ſpricht und mithin ohne die vorige Selbſtironie. Da man ferner
nach dem erſten den Charakter und deſſen Leben nur als Holſpiegel-
bild karikierender 〈idealiſierender〉 Selbſtironie kannte: ſo paßt nach-
her das Spiegelbild wirklichen Lebens nicht gut; und noch weniger 10
die ernſthaften Bemerkungen, er ſei den Kleinſtädtern lächerlich
vorgekommen. Ja, wenn ers ſelber mit dem größten Erſtaunen
erzählte! Auch nimmt man an ſeinem wirklichen Schickſal im
zweiten Theile ſo wenig Intereſſe, als am wirklichen Schickſale
eines Traums. Laſſe dieſen alſo weg, oder, da ſo viele gute all- 15
gemeine Bemerkungen darin vorkommen, laſſ’ ihn ſelber erzählen
und bringe die Bemerkungen etwan als eigne Noten an. Eine
Haupt-Note haſt du überhaupt zu machen, (kannſt ſie ſogar ihm
ſelber in den Mund geben,) nämlich daß er nach der (damaligen)
Äſthetik ſelber ein lebendig herum gehendes Gedicht und athmendes 20
Selbſtepos ſein wolle; denn zur Zeit ſeiner Entſtehung war deine
Satire auf die ſtofloſe Darſtellung deutlicher als jetzt. Eine ähn-
liche Note mache bei Geſchmack. Weitläuftige oder zu kalte Aus-
ſpinnungen hab’ ich durch Parentheſen mit Rand-Nummern an-
deuten wollen; das mir beſonders Gefallende durch ſteilrechte 25
Striche. — Zu leſen iſt oft das Eingebeſſerte ſchwer, zumal da
deine jetzige Dinte es für unſittlich hält, die Unſchuld des Papiers
anzuſchwärzen. Den komiſchen Namen Herbelſamer ſollteſt du
öfter anbringen.
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So viel über den 1ten Theil, wobei ich noch manches mag ver-
geſſen haben. Ich ſetze meinen Titel zum Pfande, daß du bald
einen Titel für das Buch bekommſt von mir.
Heute ſehen wir uns wieder. Den Emanuel hab’ ich das vorige
mal nach der langen Trink-Seſſion glücklich nach Hauſe gebracht, 35
*) Hab’ ich etwas über einander geſetzt, ſo ſtreich eines davon. Daß Salomon
40 Jahr regierte, brauch’ ich wol nicht in der Note zu ſagen?
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(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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