2 -- Stuben, im Winter zurück denken. -- Die Malzen will ich noch sehen. -- Auf Einen Tag geh' ich vielleicht nach Nürnberg. -- Das Bier ist so gut daß ich ungeachtet des mehreren Trinkens doch bisher nie am Morgen etwas spürte; Rosoglio hab' ich mir, da ich weniger zu arbeiten habe, im Ganzen abgewöhnt; selten ein5 Spitzgläschen. Ich bin ungewöhnlich gesund und scherze häufig in Gesellschaft. -- Ich lege die Feder weg, um heute einmal besser als gewöhnlich zu soupieren, erstlich ein Stückchen Preßsack, dann ein Stückchen Dessert-Kuchen. Ach eingeschnittene Kartoffeln, wo seid ihr? In einer ganzen Woche keine.10
Freitags
(Setze auch den Wochentag statt des Datums)
Danke Otto für den Kuchen und quäle ihm oder A[mönen] den Preis und das Porto eines ganzen ab (denn der vorige halbe ist noch unbezahlt). Entziehe ja dir und den Kindern den restierenden15 Kuchen nicht, von welchem bei meiner Ankunft genug verhärteter übrig bleiben wird. An meinen Otto und Emanuel, die beide herzlich grüße, schreib' ich nächstens. -- Ich eile, damit der Brief nur heute abläuft. Alle süßen warmen Zeilen des deinigen hab ich oft gelesen. Ich will künftig ein Blatt für dich herlegen und20 jeden Tag etwas daran schreiben, um nicht von der Eile im Genuße des Schreibens gestört zu werden. -- An Jung hab ich hier Nach- richt erlassen. -- Wie könntest du denn über die Wichtigkeit der Briefe ohne deren Erbrechen entscheiden? Schicke mir sie ohne Couverts des Portos wegen; hebe aber die Couverts auf. --25 Meine 1) Papiere und 2) Bücher soll die Magd (nicht der Wind) ausstäuben; an der Ordnung der erstern ist mehr gelegen als der andern. Meine Stube fertige ja am ersten ab. -- Lasse die Kinder gar nichts von meinen Sachen, auch nicht von den Büchern nehmen, weil leicht die Zettel darin verloren gehen. -- Der Kutscher fährt30 prächtig, ist aber eigennützig; ich bezahlte immer die Zwischen- Freßstücke; gab ihm fünf 24ger Trinkgeld -- und er war recht laut froh darüber -- am Morgen sagt' er doch, er werde für das Mehl von dir noch einige Kreuzer kriegen -- die er auch gewiß wird ge- fodert haben. -- Wieder gestört. -- Lieber wenig als zu spät auf35 die Post. Lebe wol, wol, liebe, liebe Seele! Das nächstemal mehr Worte aus dem Herzen als Nachrichten.
2 — Stuben, im Winter zurück denken. — Die Malzen will ich noch ſehen. — Auf Einen Tag geh’ ich vielleicht nach Nürnberg. — Das Bier iſt ſo gut daß ich ungeachtet des mehreren Trinkens doch bisher nie am Morgen etwas ſpürte; Roſoglio hab’ ich mir, da ich weniger zu arbeiten habe, im Ganzen abgewöhnt; ſelten ein5 Spitzgläschen. Ich bin ungewöhnlich geſund und ſcherze häufig in Geſellſchaft. — Ich lege die Feder weg, um heute einmal beſſer als gewöhnlich zu ſoupieren, erſtlich ein Stückchen Preßſack, dann ein Stückchen Deſſert-Kuchen. Ach eingeſchnittene Kartoffeln, wo ſeid ihr? In einer ganzen Woche keine.10
Freitags
(Setze auch den Wochentag ſtatt des Datums)
Danke Otto für den Kuchen und quäle ihm oder A[mönen] den Preis und das Porto eines ganzen ab (denn der vorige halbe iſt noch unbezahlt). Entziehe ja dir und den Kindern den reſtierenden15 Kuchen nicht, von welchem bei meiner Ankunft genug verhärteter übrig bleiben wird. An meinen Otto und Emanuel, die beide herzlich grüße, ſchreib’ ich nächſtens. — Ich eile, damit der Brief nur heute abläuft. Alle ſüßen warmen Zeilen des deinigen hab ich oft geleſen. Ich will künftig ein Blatt für dich herlegen und20 jeden Tag etwas daran ſchreiben, um nicht von der Eile im Genuße des Schreibens geſtört zu werden. — An Jung hab ich hier Nach- richt erlaſſen. — Wie könnteſt du denn über die Wichtigkeit der Briefe ohne deren Erbrechen entſcheiden? Schicke mir ſie ohne Couverts des Portos wegen; hebe aber die Couverts auf. —25 Meine 1) Papiere und 2) Bücher ſoll die Magd (nicht der Wind) ausſtäuben; an der Ordnung der erſtern iſt mehr gelegen als der andern. Meine Stube fertige ja am erſten ab. — Laſſe die Kinder gar nichts von meinen Sachen, auch nicht von den Büchern nehmen, weil leicht die Zettel darin verloren gehen. — Der Kutſcher fährt30 prächtig, iſt aber eigennützig; ich bezahlte immer die Zwiſchen- Freßſtücke; gab ihm fünf 24ger Trinkgeld — und er war recht laut froh darüber — am Morgen ſagt’ er doch, er werde für das Mehl von dir noch einige Kreuzer kriegen — die er auch gewiß wird ge- fodert haben. — Wieder geſtört. — Lieber wenig als zu ſpät auf35 die Poſt. Lebe wol, wol, liebe, liebe Seele! Das nächſtemal mehr Worte aus dem Herzen als Nachrichten.
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2 — Stuben, im Winter zurück denken. — Die Malzen will ich
noch ſehen. — Auf Einen Tag geh’ ich vielleicht nach Nürnberg. —
Das Bier iſt ſo gut daß ich ungeachtet des mehreren Trinkens doch
bisher nie am Morgen etwas ſpürte; Roſoglio hab’ ich mir, da
ich weniger zu arbeiten habe, im Ganzen abgewöhnt; ſelten ein 5
Spitzgläschen. Ich bin ungewöhnlich geſund und ſcherze häufig in
Geſellſchaft. — Ich lege die Feder weg, um heute einmal beſſer
als gewöhnlich zu ſoupieren, erſtlich ein Stückchen Preßſack, dann
ein Stückchen Deſſert-Kuchen. Ach eingeſchnittene Kartoffeln, wo
ſeid ihr? In einer ganzen Woche keine. 10
Freitags
(Setze auch den Wochentag ſtatt des Datums)
Danke Otto für den Kuchen und quäle ihm oder A[mönen] den
Preis und das Porto eines ganzen ab (denn der vorige halbe iſt
noch unbezahlt). Entziehe ja dir und den Kindern den reſtierenden 15
Kuchen nicht, von welchem bei meiner Ankunft genug verhärteter
übrig bleiben wird. An meinen Otto und Emanuel, die beide
herzlich grüße, ſchreib’ ich nächſtens. — Ich eile, damit der Brief
nur heute abläuft. Alle ſüßen warmen Zeilen des deinigen hab
ich oft geleſen. Ich will künftig ein Blatt für dich herlegen und 20
jeden Tag etwas daran ſchreiben, um nicht von der Eile im Genuße
des Schreibens geſtört zu werden. — An Jung hab ich hier Nach-
richt erlaſſen. — Wie könnteſt du denn über die Wichtigkeit der
Briefe ohne deren Erbrechen entſcheiden? Schicke mir ſie ohne
Couverts des Portos wegen; hebe aber die Couverts auf. — 25
Meine 1) Papiere und 2) Bücher ſoll die Magd (nicht der Wind)
ausſtäuben; an der Ordnung der erſtern iſt mehr gelegen als der
andern. Meine Stube fertige ja am erſten ab. — Laſſe die Kinder
gar nichts von meinen Sachen, auch nicht von den Büchern nehmen,
weil leicht die Zettel darin verloren gehen. — Der Kutſcher fährt 30
prächtig, iſt aber eigennützig; ich bezahlte immer die Zwiſchen-
Freßſtücke; gab ihm fünf 24ger Trinkgeld — und er war recht laut
froh darüber — am Morgen ſagt’ er doch, er werde für das Mehl
von dir noch einige Kreuzer kriegen — die er auch gewiß wird ge-
fodert haben. — Wieder geſtört. — Lieber wenig als zu ſpät auf 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/207>, abgerufen am 28.11.2024.
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