nungen sind hier, wie mir auch die Malzen sagte, um 1/3 wolfeiler. -- In der ersten halben Woche, worein gerade die glänzende Pfingst-Kirchweihe fiel, wollten sich doch zu meinem Prunk-Rock und anderem Prunke meine Pfauenfüße nicht recht schicken, nämlich die Stiefel daran, wovon der eine durch eine Seiten-Oeffnung, der5 andere durch die aufgegangne Vorderspitze mehr von meinen Lilien-Strümpfen sehen ließ als man zu sehen brauchte. Doch Donnerstags holten mich die Prunkstiefel ein und ich zeige mich jetzt mit einigem Schimmer. -- Das Volk hier ist friedselig, froh- sinnig und gebildet. Am Kirchweihfeste, das zum ersten mal das10 Lagerbier über sie ausgießt, gab es doch, so weit es auch in die Nacht hinein währte, keine Lager-Bürger, die entweder der Krug oder ein Prügel hingebettet hätte. Die Bürger haben eine Lese- gesellschaft. Zu Meusels Zeitungskollegien drängen sie sich. Viele Mägde (nett gekleidet) haben nichts auf dem Kopfe; was aber15 so artig steht, daß man einige bei demselben nehmen möchte. -- Das Übrige, Guter, finden Sie in den übrigen Briefen. -- Ver- dopple der Himmel meine Freude, d. h. er gebe auch Ihnen meine.
Ihr alter20 Richter
Sprach-Bereicherung: Den Rahm nennen sie hier Kern. "Nun, so nennt ihr gewiß, sagt ich zur Magd, das was in der Nuß ist Rahm?" Ja freilich, wie anders sonst? sagte sie.
492. An Karoline Richter.25
Erlangen d. 12. Jun. Mitwochs 1811
Meine Gute! Wie schmacht' ich nach einem Briefe von dir. Am Sonntage vor 8 Tagen schriebst du mir -- seit der Zeit keine Zeile -- diese einzige Wolke, die aber breit genug ist, zieht durch meinen blauen Himmel. Vorigen Freitag schrieb ich dir; aber30 meine Briefe sind dir nicht so nöthig -- da mein einzelnes Leben keine besondern Veränderungen annehmen oder erleiden kann -- als mir deine, da ja meine Freude an so vielen fremden Freuden hängt. Hätt' ich nicht seit 2 Monaten gewisse Trost Grundsätze
nungen ſind hier, wie mir auch die Malzen ſagte, um ⅓ wolfeiler. — In der erſten halben Woche, worein gerade die glänzende Pfingſt-Kirchweihe fiel, wollten ſich doch zu meinem Prunk-Rock und anderem Prunke meine Pfauenfüße nicht recht ſchicken, nämlich die Stiefel daran, wovon der eine durch eine Seiten-Oeffnung, der5 andere durch die aufgegangne Vorderſpitze mehr von meinen Lilien-Strümpfen ſehen ließ als man zu ſehen brauchte. Doch Donnerſtags holten mich die Prunkſtiefel ein und ich zeige mich jetzt mit einigem Schimmer. — Das Volk hier iſt friedſelig, froh- ſinnig und gebildet. Am Kirchweihfeſte, das zum erſten mal das10 Lagerbier über ſie ausgießt, gab es doch, ſo weit es auch in die Nacht hinein währte, keine Lager-Bürger, die entweder der Krug oder ein Prügel hingebettet hätte. Die Bürger haben eine Leſe- geſellſchaft. Zu Meusels Zeitungskollegien drängen ſie ſich. Viele Mägde (nett gekleidet) haben nichts auf dem Kopfe; was aber15 ſo artig ſteht, daß man einige bei demſelben nehmen möchte. — Das Übrige, Guter, finden Sie in den übrigen Briefen. — Ver- dopple der Himmel meine Freude, d. h. er gebe auch Ihnen meine.
Ihr alter20 Richter
Sprach-Bereicherung: Den Rahm nennen ſie hier Kern. „Nun, ſo nennt ihr gewiß, ſagt ich zur Magd, das was in der Nuß iſt Rahm?“ Ja freilich, wie anders ſonſt? ſagte ſie.
492. An Karoline Richter.25
Erlangen d. 12. Jun. 〈Mitwochs〉 1811
Meine Gute! Wie ſchmacht’ ich nach einem Briefe von dir. Am Sonntage vor 8 Tagen ſchriebſt du mir — ſeit der Zeit keine Zeile — dieſe einzige Wolke, die aber breit genug iſt, zieht durch meinen blauen Himmel. Vorigen Freitag ſchrieb ich dir; aber30 meine Briefe ſind dir nicht ſo nöthig — da mein einzelnes Leben keine beſondern Veränderungen annehmen oder erleiden kann — als mir deine, da ja meine Freude an ſo vielen fremden Freuden hängt. Hätt’ ich nicht ſeit 2 Monaten gewiſſe Troſt Grundſätze
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[197/0210]
nungen ſind hier, wie mir auch die Malzen ſagte, um ⅓ wolfeiler.
— In der erſten halben Woche, worein gerade die glänzende
Pfingſt-Kirchweihe fiel, wollten ſich doch zu meinem Prunk-Rock
und anderem Prunke meine Pfauenfüße nicht recht ſchicken, nämlich
die Stiefel daran, wovon der eine durch eine Seiten-Oeffnung, der 5
andere durch die aufgegangne Vorderſpitze mehr von meinen
Lilien-Strümpfen ſehen ließ als man zu ſehen brauchte. Doch
Donnerſtags holten mich die Prunkſtiefel ein und ich zeige mich
jetzt mit einigem Schimmer. — Das Volk hier iſt friedſelig, froh-
ſinnig und gebildet. Am Kirchweihfeſte, das zum erſten mal das 10
Lagerbier über ſie ausgießt, gab es doch, ſo weit es auch in die
Nacht hinein währte, keine Lager-Bürger, die entweder der Krug
oder ein Prügel hingebettet hätte. Die Bürger haben eine Leſe-
geſellſchaft. Zu Meusels Zeitungskollegien drängen ſie ſich. Viele
Mägde (nett gekleidet) haben nichts auf dem Kopfe; was aber 15
ſo artig ſteht, daß man einige bei demſelben nehmen möchte. —
Das Übrige, Guter, finden Sie in den übrigen Briefen. — Ver-
dopple der Himmel meine Freude, d. h. er gebe auch Ihnen meine.
Ihr
alter 20
Richter
Sprach-Bereicherung: Den Rahm nennen ſie hier Kern. „Nun,
ſo nennt ihr gewiß, ſagt ich zur Magd, das was in der Nuß iſt
Rahm?“ Ja freilich, wie anders ſonſt? ſagte ſie.
492. An Karoline Richter. 25
Erlangen d. 12. Jun. 〈Mitwochs〉 1811
Meine Gute! Wie ſchmacht’ ich nach einem Briefe von dir.
Am Sonntage vor 8 Tagen ſchriebſt du mir — ſeit der Zeit keine
Zeile — dieſe einzige Wolke, die aber breit genug iſt, zieht durch
meinen blauen Himmel. Vorigen Freitag ſchrieb ich dir; aber 30
meine Briefe ſind dir nicht ſo nöthig — da mein einzelnes Leben
keine beſondern Veränderungen annehmen oder erleiden kann —
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/210>, abgerufen am 28.11.2024.
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