oder hier nicht ein besonderes Vertrauen auf meine Ahnung, daß meine Heiterkeit kein entferntes Unglück bedeute: so müßt' ich durch dein Schweigen furchtsam werden. Himmel! Wie viel hast du mir nicht über dich, Kinder, Hauswesen, Verhältnisse, ein- gegangene Briefe zu geben? Sonst bist du eine so ämsige Brief-5 schreiberin. Etwas von deinem Schweigen schreib' ich allerdings der Anhäufung deiner Geschäfte zu.
Freitags
Noch hab' ich nichts von dir. Knipp[en]berg nimmt alles mit. Schreibe ja mit umgehender Post. Auf deinen nächsten Brief werd10 ich recht viel anworten. Sei fröhlich, Gute!
493. An Karoline Richter.
Erlangen d. 14. Jun. Freitags 1811
Meine gute Karoline! Endlich bin ich ungetrübt heiter; denn ich bekam heute dein lang gewünschtes Blatt. Aber ich wußt' es15 schon aus meinen immer zutreffenden Ahnungen, daß meine hiesige stille unschuldige Heiterkeit, an der kein Gott etwas auszusetzen finden könnte, kein Gewitter der schönen Tage mir zuführen würde. Habe für jedes Herzens Wort und für die Herzens Thaten in meiner Abwesenheit Dank. Vorigen Sonntag erschrak ich ordentlich, daß20 ich deinen Geburtstag vergessen; und ich fand ihn im Kalender unter dem Namen Lucretia, wodurch [ich] mir ihn immer gemerkt als Aehnlichkeit. Nach meiner Rückkehr wollen wir ihn beide an einem bestimmten Tage (und den 27ten Mai dazu) nachfeiern. Gäbest du genauer Acht, so hättest du sehen können, daß ich den25 Ring in der letzten Maiwoche am kleinen Finger der rechten Hand getragen. Das Herz soll nächstens auch einmal seinen Festtag haben. --
Ich will jetzt alles ohne Ordnung schreiben, und das Ungleich- artige nur durch Gedankenstriche absondern. Lies unsern Freunden30 vor was du willt, so wie du aus meinen Briefen an sie zu lesen hast. -- Ich könnte mich freilich auf geselligen Wogen umher treiben (jeder kommt mir hier liebend entgegen), aber ich habe so viele Bücher vor mir, daß ich den Morgen mir durch allerlei Winke
oder hier nicht ein beſonderes Vertrauen auf meine Ahnung, daß meine Heiterkeit kein entferntes Unglück bedeute: ſo müßt’ ich durch dein Schweigen furchtſam werden. Himmel! Wie viel haſt du mir nicht über dich, Kinder, Hausweſen, Verhältniſſe, ein- gegangene Briefe zu geben? Sonſt biſt du eine ſo ämſige Brief-5 ſchreiberin. Etwas von deinem Schweigen ſchreib’ ich allerdings der Anhäufung deiner Geſchäfte zu.
Freitags
Noch hab’ ich nichts von dir. Knipp[en]berg nimmt alles mit. Schreibe ja mit umgehender Poſt. Auf deinen nächſten Brief werd10 ich recht viel anworten. Sei fröhlich, Gute!
493. An Karoline Richter.
Erlangen d. 14. Jun. 〈Freitags〉 1811
Meine gute Karoline! Endlich bin ich ungetrübt heiter; denn ich bekam heute dein lang gewünſchtes Blatt. Aber ich wußt’ es15 ſchon aus meinen immer zutreffenden Ahnungen, daß meine hieſige ſtille unſchuldige Heiterkeit, an der kein Gott etwas auszuſetzen finden könnte, kein Gewitter der ſchönen Tage mir zuführen würde. Habe für jedes Herzens Wort und für die Herzens Thaten in meiner Abweſenheit Dank. Vorigen Sonntag erſchrak ich ordentlich, daß20 ich deinen Geburtstag vergeſſen; und ich fand ihn im Kalender unter dem Namen Lucretia, wodurch [ich] mir ihn immer gemerkt als Aehnlichkeit. Nach meiner Rückkehr wollen wir ihn beide an einem beſtimmten Tage (und den 27ten Mai dazu) nachfeiern. Gäbeſt du genauer Acht, ſo hätteſt du ſehen können, daß ich den25 Ring in der letzten Maiwoche am kleinen Finger der rechten Hand getragen. Das Herz ſoll nächſtens auch einmal ſeinen Feſttag haben. —
Ich will jetzt alles ohne Ordnung ſchreiben, und das Ungleich- artige nur durch Gedankenſtriche abſondern. Lies unſern Freunden30 vor was du willt, ſo wie du aus meinen Briefen an ſie zu leſen haſt. — Ich könnte mich freilich auf geſelligen Wogen umher treiben (jeder kommt mir hier liebend entgegen), aber ich habe ſo viele Bücher vor mir, daß ich den Morgen mir durch allerlei Winke
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oder hier nicht ein beſonderes Vertrauen auf meine Ahnung, daß
meine Heiterkeit kein entferntes Unglück bedeute: ſo müßt’ ich
durch dein Schweigen furchtſam werden. Himmel! Wie viel haſt
du mir nicht über dich, Kinder, Hausweſen, Verhältniſſe, ein-
gegangene Briefe zu geben? Sonſt biſt du eine ſo ämſige Brief- 5
ſchreiberin. Etwas von deinem Schweigen ſchreib’ ich allerdings
der Anhäufung deiner Geſchäfte zu.
Freitags
Noch hab’ ich nichts von dir. Knipp[en]berg nimmt alles mit.
Schreibe ja mit umgehender Poſt. Auf deinen nächſten Brief werd 10
ich recht viel anworten. Sei fröhlich, Gute!
493. An Karoline Richter.
Erlangen d. 14. Jun. 〈Freitags〉 1811
Meine gute Karoline! Endlich bin ich ungetrübt heiter; denn
ich bekam heute dein lang gewünſchtes Blatt. Aber ich wußt’ es 15
ſchon aus meinen immer zutreffenden Ahnungen, daß meine hieſige
ſtille unſchuldige Heiterkeit, an der kein Gott etwas auszuſetzen
finden könnte, kein Gewitter der ſchönen Tage mir zuführen würde.
Habe für jedes Herzens Wort und für die Herzens Thaten in meiner
Abweſenheit Dank. Vorigen Sonntag erſchrak ich ordentlich, daß 20
ich deinen Geburtstag vergeſſen; und ich fand ihn im Kalender
unter dem Namen Lucretia, wodurch [ich] mir ihn immer gemerkt
als Aehnlichkeit. Nach meiner Rückkehr wollen wir ihn beide an
einem beſtimmten Tage (und den 27ten Mai dazu) nachfeiern.
Gäbeſt du genauer Acht, ſo hätteſt du ſehen können, daß ich den 25
Ring in der letzten Maiwoche am kleinen Finger der rechten Hand
getragen. Das Herz ſoll nächſtens auch einmal ſeinen Feſttag
haben. —
Ich will jetzt alles ohne Ordnung ſchreiben, und das Ungleich-
artige nur durch Gedankenſtriche abſondern. Lies unſern Freunden 30
vor was du willt, ſo wie du aus meinen Briefen an ſie zu leſen
haſt. — Ich könnte mich freilich auf geſelligen Wogen umher
treiben (jeder kommt mir hier liebend entgegen), aber ich habe ſo
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/211>, abgerufen am 28.11.2024.
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