bis zu einem gewissen Grade nehmen als mütterliche oder väterliche Hart-Worte gegen die lieben Kinder zu nehmen sind, die man zu- weilen in der Eile ausstößt, indeß man diese doch fortliebt. -- Und so will ich denn auch Vergangnes nehmen und mich für dein Kind ansehen, das du doch gern hast. -- Wir beide könnten wirklich das5 seeligste Erdenleben führen, wenn wir nun das Seelige weniger durch Empfindung, die so leicht zu stören ist, als durch moralische Vernunft festzuhalten suchten. -- Eben spielt jetzt die Nürnberger Theater-Truppe zum ersten male, aber die briefliche Einsamkeit dieser Stunde gibt mir mehr Genuß. -- Morgen werd' ich zur10 Dobeneck und vielleicht zur Marggräfin gehen. --
d. 17. Jun.Montags
Morgen erst will ich mich entscheiden, ob ich der Gräfin den Freitag oder den Sonnabend zur Abreise ansage. (Morgen wird hoff' ich auch ein Blatt von dir ankommen) Wie gewöhnlich15 häufen sich immer Vergnügungen und Einladungen gerade gegen die Abreise hin an, wozu hier noch Bücher kommen. Heute war ich bei der trefflichen Dobeneck, welche mich durch ihre Anmuth, Bonhommie, Unbefangenheit und selber durch die liebliche Gestalt so erfreuet hat, daß michs reuete, sie erst so spät besucht zu haben.20 Morgen werd' ich die Marggräfin sehen. -- Heute bin ich beim Kirchenrath Ammon zum Thee und Abendessen; Donnerstags bei Walther in einem Gartenkonzert voll Damen. Auch Schubert kommt Donnerstags hieher. Dieß und ähnliches verschiebt wahr- scheinlich meine Abreise bis Sonnabends, aber auch keine Stunde25 länger. -- Hier muß man für einen guten Wagen nach Bayreuth 16 fl. geben*)35; der Gräfin wegen**) hab' ich (und durch Toussaint) bis zu 121/2 fl. (kein Futter hab' ich zu bezahlen) herab gehandelt. --
Der hiesige Buchhändler Bräuning sagte mir, daß er in Leipzig keine Levana mehr bekommen können und daß ihm Vieweg selber30 gesagt, sie sei vergriffen. So werd' ich denn an diesen zögernden Dieb sogleich in Bayreuth eine Anweisung auf die noch nachzu- zahlenden Louisd'or (für jeden Bogen Einen L.) abgeben. Sag'
*) Eine Putzhändlerin, die bei Feldmann in der Sonne logierte, mußte von dort nach hier auch 16 fl. geben.
**) Sie nimmt ihre 2 Kleinen mit. Ich thu' es wahrlich mehr ihr zu Ge- fallen als aus dem kaum merklichen ökonomischen Gewinn.
bis zu einem gewiſſen Grade nehmen als mütterliche oder väterliche Hart-Worte gegen die lieben Kinder zu nehmen ſind, die man zu- weilen in der Eile ausſtößt, indeß man dieſe doch fortliebt. — Und ſo will ich denn auch Vergangnes nehmen und mich für dein Kind anſehen, das du doch gern haſt. — Wir beide könnten wirklich das5 ſeeligſte Erdenleben führen, wenn wir nun das Seelige weniger durch Empfindung, die ſo leicht zu ſtören iſt, als durch moraliſche Vernunft feſtzuhalten ſuchten. — Eben ſpielt jetzt die Nürnberger Theater-Truppe zum erſten male, aber die briefliche Einſamkeit dieſer Stunde gibt mir mehr Genuß. — Morgen werd’ ich zur10 Dobeneck und vielleicht zur Marggräfin gehen. —
d. 17. Jun. 〈Montags〉
Morgen erſt will ich mich entſcheiden, ob ich der Gräfin den Freitag oder den Sonnabend zur Abreiſe anſage. (Morgen wird hoff’ ich auch ein Blatt von dir ankommen) Wie gewöhnlich15 häufen ſich immer Vergnügungen und Einladungen gerade gegen die Abreiſe hin an, wozu hier noch Bücher kommen. Heute war ich bei der trefflichen Dobeneck, welche mich durch ihre Anmuth, Bonhommie, Unbefangenheit und ſelber durch die liebliche Geſtalt ſo erfreuet hat, daß michs reuete, ſie erſt ſo ſpät beſucht zu haben.20 Morgen werd’ ich die Marggräfin ſehen. — Heute bin ich beim Kirchenrath Ammon zum Thée und Abendeſſen; Donnerſtags bei Walther in einem Gartenkonzert voll Damen. Auch Schubert kommt Donnerſtags hieher. Dieß und ähnliches verſchiebt wahr- ſcheinlich meine Abreiſe bis Sonnabends, aber auch keine Stunde25 länger. — Hier muß man für einen guten Wagen nach Bayreuth 16 fl. geben*)35; der Gräfin wegen**) hab’ ich (und durch Toussaint) bis zu 12½ fl. (kein Futter hab’ ich zu bezahlen) herab gehandelt. —
Der hieſige Buchhändler Bräuning ſagte mir, daß er in Leipzig keine Levana mehr bekommen können und daß ihm Vieweg ſelber30 geſagt, ſie ſei vergriffen. So werd’ ich denn an dieſen zögernden Dieb ſogleich in Bayreuth eine Anweiſung auf die noch nachzu- zahlenden Louisd’or (für jeden Bogen Einen L.) abgeben. Sag’
*) Eine Putzhändlerin, die bei Feldmann in der Sonne logierte, mußte von dort nach hier auch 16 fl. geben.
**) Sie nimmt ihre 2 Kleinen mit. Ich thu’ es wahrlich mehr ihr zu Ge- fallen als aus dem kaum merklichen ökonomiſchen Gewinn.
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bis zu einem gewiſſen Grade nehmen als mütterliche oder väterliche
Hart-Worte gegen die lieben Kinder zu nehmen ſind, die man zu-
weilen in der Eile ausſtößt, indeß man dieſe doch fortliebt. — Und
ſo will ich denn auch Vergangnes nehmen und mich für dein Kind
anſehen, das du doch gern haſt. — Wir beide könnten wirklich das 5
ſeeligſte Erdenleben führen, wenn wir nun das Seelige weniger
durch Empfindung, die ſo leicht zu ſtören iſt, als durch moraliſche
Vernunft feſtzuhalten ſuchten. — Eben ſpielt jetzt die Nürnberger
Theater-Truppe zum erſten male, aber die briefliche Einſamkeit
dieſer Stunde gibt mir mehr Genuß. — Morgen werd’ ich zur 10
Dobeneck und vielleicht zur Marggräfin gehen. —
d. 17. Jun. 〈Montags〉
Morgen erſt will ich mich entſcheiden, ob ich der Gräfin den
Freitag oder den Sonnabend zur Abreiſe anſage. (Morgen wird
hoff’ ich auch ein Blatt von dir ankommen) Wie gewöhnlich 15
häufen ſich immer Vergnügungen und Einladungen gerade gegen
die Abreiſe hin an, wozu hier noch Bücher kommen. Heute war
ich bei der trefflichen Dobeneck, welche mich durch ihre Anmuth,
Bonhommie, Unbefangenheit und ſelber durch die liebliche Geſtalt
ſo erfreuet hat, daß michs reuete, ſie erſt ſo ſpät beſucht zu haben. 20
Morgen werd’ ich die Marggräfin ſehen. — Heute bin ich beim
Kirchenrath Ammon zum Thée und Abendeſſen; Donnerſtags bei
Walther in einem Gartenkonzert voll Damen. Auch Schubert
kommt Donnerſtags hieher. Dieß und ähnliches verſchiebt wahr-
ſcheinlich meine Abreiſe bis Sonnabends, aber auch keine Stunde 25
länger. — Hier muß man für einen guten Wagen nach Bayreuth
16 fl. geben *); der Gräfin wegen **) hab’ ich (und durch Toussaint)
bis zu 12½ fl. (kein Futter hab’ ich zu bezahlen) herab gehandelt. —
35
Der hieſige Buchhändler Bräuning ſagte mir, daß er in Leipzig
keine Levana mehr bekommen können und daß ihm Vieweg ſelber 30
geſagt, ſie ſei vergriffen. So werd’ ich denn an dieſen zögernden
Dieb ſogleich in Bayreuth eine Anweiſung auf die noch nachzu-
zahlenden Louisd’or (für jeden Bogen Einen L.) abgeben. Sag’
*) Eine Putzhändlerin, die bei Feldmann in der Sonne logierte, mußte von
dort nach hier auch 16 fl. geben.
**) Sie nimmt ihre 2 Kleinen mit. Ich thu’ es wahrlich mehr ihr zu Ge-
fallen als aus dem kaum merklichen ökonomiſchen Gewinn.
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/215>, abgerufen am 16.07.2024.
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